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Digitalpolitik
Google droht erstmals ernsthaft Aufspaltung

Google droht erstmals ernsthaft Aufspaltung

Niklas Lewanczik | 15.06.23

Google hat laut EU-Kommission eine wettbewerbsverzerrende Marktmacht inne und soll einen Teil des Anzeigengeschäfts verkaufen. Doch noch ist die Entscheidung nicht final.

Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass die Alphabet-Tochter Google eine Marktmacht innehat. Inwiefern diese in der Vergangenheit missbraucht wurde und womöglich noch missbraucht wird, das ermitteln verschiedene Behörden und Kommissionen seit Jahren. 2020 reichte die US-Regierung eine Klage gegen Google ein und warf dem Unternehmen eine Monopolstellung und das Abschließen wettbewerbsfeindlicher Verträge vor. Auch in Europa und Deutschland hat Google aus kartellrechtlichen Gründen mit Problemen zu kämpfen. Hierzulande steht das Unternehmen seit 2022 unter erweiterter Missbrauchsaufsicht des Bundeskartellamts. Vor Jahren wurde Google zudem von der EU-Kommission zu einer Milliardenstrafe aufgrund kartellrechtlicher Verstöße verurteilt. Es ist nicht die einzige Strafe, die das Unternehmen wegen der Ausnutzung der Marktdominanz erhalten hat. Doch jetzt droht Google etwas Ärgeres als eine Geldstrafe, die angesichts von 15 Milliarden US-Dollar Gewinn im ersten Quartal 2023 nur bedingt Signalwirkung haben dürfte. Die EU-Kommission fordert eine Aufspaltung von Googles Werbegeschäft, weil ein Marktmachtmissbrauch „seit mindestens 2014“ vorliege.

Was droht Google bei einer Entscheidung der EU-Kommission?

Die EU-Kommission hat Google darüber unterrichtet, dass sie von einer Wettbewerbsverzerrung der Adtech-Branche durch das Unternehmen ausgeht. Dabei handelt es sich um eine vorläufige Einschätzung. Nach den Ermittlungen der Kommission ist Google in den Bereichen der Vermarktung für Publisher über Ad Server und des programmatischen Werbeeinkaufs dominant. Und seit 2014, vielleicht aber schon länger, soll das Unternehmen diese Marktmacht – die vor allem darauf basiert, dass Google sowohl Plattformen und Inventare als auch Werbelösungen und Vermittlungsangebote selbst anbietet und kombiniert – ausgenutzt und damit gegen das EU-Kartellrecht verstoßen haben. Die Vizepräsidentin und Kommissarin für Wettbewerb der EU-Kommission Margrethe Vestager fasst es auf Twitter vereinfacht zusammen. Da Google den Einkaufs- und Verkaufsbereich in der Adtech-Branche maßgeblich kontrolliere, könnte ein Missbrauch zugunsten der eigenen Ad Exchange AdX vorliegen. Das sei illegal, wenn es bestätigt würde. Und in diesem Fall müsste Google einen Teil des Werbegeschäfts abtreten.

Konkret schreibt die Kommission:

The Commission is concerned that Google’s allegedly intentional conducts aimed at giving AdX a competitive advantage and may have foreclosed rival ad exchanges. This would have reinforced Google’s AdX central role in the adtech supply chain and Google’s ability to charge a high fee for its service.

Nur eine Abspaltung von Teilen des Werbegeschäfts könne die Sorgen der Kommission hinsichtlich eines fairen Wettbewerbs zerstreuen. Denn Google habe einen „inhärenten Interessenkonflikt“, der auf die dominante Platzierung an verschiedenen Enden des Adtech-Markts zurückgehe.

Noch ist nichts entschieden

Google selbst hat nach der Information durch die EU-Kommission jetzt die Chance, die eigene Sichtweise in Bezug auf die schwerwiegenden Vorwürfe darzulegen. Unterdessen ermittelt die Kommission weiter gegen das Unternehmen und prüft, ob gegen Artikel 102 des Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU) verstoßen wurde. Das sogenannte Statement of Objections benennt vorerst nur vermutete Verstöße und soll das Ergebnis der Untersuchung nicht mit einem verfrühten Urteil verfälschen. Allerdings untersucht die EU inzwischen formal die Vorwürfe. Und sollte sich abschließend herausstellen, dass Google tatsächlich gegen geltendes Kartellrecht verstoßen hat, werden empfindliche Strafen auferlegt. Die EU-Kommission hat dabei die Möglichkeit, einem Unternehmen eine Strafzahlung in Höhe von bis zu zehn Prozent des jährlichen Umsatzes aufzuerlegen. Darüber hinaus werden bei Verstößen gegen Artikel 101 und/oder 102 des TFEU „verhaltensbezogene und strukturelle Maßnahmen“ fällig.

In einem vergleichbaren Kontext hat Google im vergangenen Jahr bereits konkurrierenden Werbevermittlungsunternehmen erlaubt, Ads auf YouTube zu platzieren, um einer Strafe durch die EU zu entgehen. Bei der aktuellen Untersuchung steht jedoch mit der möglichen Abspaltung eines ganzen Geschäftsbereich im so lukrativen Umfeld der Online-Werbung viel mehr auf dem Spiel.

Während die EU-Kommission noch kein Ende der Untersuchung absehen kann, darf die Branche auf Googles Reaktion gespannt sein. Weiterführende Informationen zur Untersuchung findest du auf der Website und im Fallregister der EU-Kommission.


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