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Mobile Marketing
„Adjustive“ Web Design: User dürfen bei Content und Design mitreden

„Adjustive“ Web Design: User dürfen bei Content und Design mitreden

Stefan Rosentraeger | 17.11.14

Wie stark dürfen User bei der Darstellung von Content auf Webseiten mitreden? Das "Adjustive Web Design" gewährt sehr viel Mitspracherecht.

Höher, schneller weiter: Technologien müssen sich immer besser an das Userverhalten anpassen. Dabei wird aber vor allem über die Auslieferung von Content in allen Arten und Formen von Kanälen diskutiert. Die Themen Web Design und User Experience rücken dabei im Online Marketing – insbesondere im Content Marketing, das sehr kreativ und wenig technisch „lebt“ – leider viel zu oft in den Hintergrund. Dabei ist der Blick auf das Design bei der Konzeption von Marketing-Kampagnen enorm wichtig – gerade bei der Darstellung und Auslieferung von Content und Werbemitteln. Thomas Müller, Chief Experience Officer bei Siegel+Gale in New York, regt dazu an, anstelle von responsivem und adaptivem Web Design einen neuen Weg einzuschlagen: in Richtung eines „Adjustive“ Web Designs. Müllers Überlegungen haben dabei einen hohen interdisziplinären Charakter, der die Brücke schlägt zwischen Design, User Experience und Marketing. Sich damit zu beschäftigen lohnt sich, um den Blick bei der Content-Planung noch stärker aus der Sicht des Users zu schärfen.

Drücken oder ziehen? Wenn die Benutzer die Tür zur Webseite nicht öffnen können

Dass Inhalte und Webseiten noch so schön sein können, aber nichts bringen, wenn der User gar nicht erst den Eingang zur Webseite findet – ein Thema, das Experten im User Experience-Bereich bis heute intensiv beschäftigt. Einen passenden Vergleich zieht Fabian Hennecke im uxcite-Blog. Das Unternehmen beschäftigt sich mit Themen aus dem Bereich User Experience Beratung. Er vergleicht die so genannten „Affordance-Probleme“ bei der Gestaltung von Produkten und Benutzeroberflächen im Web mit Türen. Wenn diese verwirrende Hinweise haben oder die Tür sich anders verhält, als der Besucher erwartet, dann werden diese den Eingang nicht finden. Gleiches gilt für unhandliche Interfaces, wie Hennecke zu seiner Metapher schlussfolgert: „Wenn allerdings schon bei vermeintlich einfach zu bedienenden Türen solche Probleme auftreten, kann man sich leicht vorstellen warum man gerade bei komplexen Benutzeroberflächen in die Gestaltung einer guten User Experience investieren sollte“.

Um also nicht gegen die Tür beziehungsweise die Wand zu laufen, müssen sich Content und Design entsprechend öffnen. Hier setzt die Weiterentwicklung der bisherigen Web Design-Konzepte von Thomas Müller an.

Content löst sich aus starren Design-Rastern

Das Konzept des Adjustive Web Design leitet Müller aus Komponenten des Responsive Web Design und adaptivem Content ab. Dabei beruft sich Müller auf die Definition von adaptivem Content, die US-Content-Strategin Karen McGrane entwickelt hat: „[Get] your content into a format so you can share and distribute it to any platform you want. […] You can get your content onto platforms you control – and platforms you don’t.“ McGrane betrachtet Content als Dienstleistung („content as a service“), der eine hohe Wiederverwendbarkeit aufweist, sinnvoll strukturiert und mit guten Metadaten verschlagwortet ist.

Kurzum: Content muss technisch einwandfrei sein und sich in die Infrastruktur der Seite beziehungsweise des Content-Management-Systems, der Content Delivery Plattform oder ähnliches einfügen. Eingebaute Qualitätsmechanismen lassen sich bei CMS schwer umsetzen. Es können höchstens entsprechende Hinweise bei fehlenden Metadaten gemacht werden. Redaktionsrichtlinien wie bei Google AdWords, die nicht geeignete Anzeigen gar nicht erst zulassen, als eingebauten Mechanismus gibt es im Content-Management bislang nicht.

Aus dem Bereich des responsiven Designs greift Müller insbesondere die Entwicklung auf, statische Layouts mit starren Rastern („Grids“) aufzugeben und die enge Verbindung von Content und Layout zu lösen. Dies begründet Thomas Müller wie folgt: „The trend to separate content and the rules by which it got displayed was a critical first step towards expanding beyond traditional graphic design approaches“.

Im Ergebnis enthält das Adjustive Web Design, das die oben beschriebenen Eigenschaften integriert, nach Thomas Müller die folgenden Kernelemente:

  • Adaptive content is the foundation of everything
  • The display of content will responsively adjust to screen sizes
  • User interface elements can be adjusted by the user to a desired position

Benutzer tragen Online-Content immer mit sich herum. Aber nehmen sie ihn auch wahr?

Was bringt diese neu entworfene Form des Web Designs, die sich vom User nachjustieren lässt und wie sieht das in der Praxis aus? Am Beispiel der Wearables macht Müller den Nutzen deutlich. Aber nehmen die Nutzer Content, den sie mithilfe dieser Geräte quasi immer mit sich herumtragen, auch bewusster wahr, wenn sie die Darstellung der Seite noch aktiver beeinflussen? Hier bleibt der Autor allerdings ziemlich vage und theoretisch: „Go beyond responsively adjusting user interface elements for varying screen sizes and enable users to place critical user-interface elements in a place they can easily reach“. Auch der Hinweis, auf mobilen Geräten mit begrenztem Platz noch stärker darauf zu achten, nicht benötigte Teile der Benutzeroberfläche auszublenden, hilft nicht wirklich weiter: „Hide user-interface components when they are not needed and maximize screen real estate for adaptive content“.

Dass Gestaltungskonzepte mit stärkerer Einbindung des Userinteresses notwendig ist, bestreitet niemand. Das vorgestellte Adjustive Web Design eignet sich aber eher als Denkanstoß und nicht als neues Designprinzip. Nichtsdestotrotz sollten Usability-Experten und Content-Strategen das Thema auf dem Schirm haben, um Content noch besser aus Sicht des Kunden beziehungsweise Besuchers zu planen.

In diesem Zusammenhang sind auch die kritischen Stimmen zum vorgestellten Konzept lesenswert:

I do agree with your points that interfaces and interactions are difficult to get right with such a vast array of variables to consider, but if it’s difficult for an expert or professional in that field, you can’t expect to shift that burden on to a user who comes to your website once a week […].

Simon Hermann Hector Goellner

 

Yes there are different degrees to which you can optimize, but at a core level, we’re just implementing good design practices. The better a product is designed, the better it will work in all contexts.

Stephen Corby

Kommentare aus der Community

Klaus am 19.11.2014 um 08:34 Uhr

Das klingt leider nur nach Marketing-Geschwätz und hat wenig mit der Realitität zu tun.
Das Medium Internet wird sich wie alle vorherigen Medien nicht in irgendwelche Abstraktionsebenen zwängen lassen, nur damit „Content Manager“ oder ähnliche Berufsgruppen es leichter haben, die Inhalte über beliebige Ausgabeformate über dem Kunden auszuschütten.

Bücher, Filme, Magazine haben zwar einen gemeinsames, grobes Format, aber mehr auch nicht. Jedes Buch hat trotzdem einen eigenen Stil, ein eigenes Format, ein unverkennbares Design letztendlich. Genauso verhält es sich mit Filmen, Zeitungen usw.

Wie unglaublich langweilig wäre es für den Konsumenten, wenn man den Inhalt von seiner markanten Darstellung, also dem Design, abtrennt und über irgendein standardisiertes Konzept an den Konsumenten übergibt, nur damit es auf möglichst vielen Endgeräten vernünftig angezeigt wird?
Auf nichts anderes zielt dieser „Denkanstoß letztendlich ab – das „überflüssige, starre und störende“ Design entfernen und dem Kunden nur noch die nakten Daten auf alle seine Geräte werfen. Das klingt vielleicht aus Manager-Sicht total modern und hipp, aber als Konsument kann man sich glaube ich nichts abstoßenderes und langweiligeres vorstellen.

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Stefan Rosenträger am 24.11.2014 um 10:42 Uhr

Hallo Klaus, danke für den kritischen Einwand zum Thema. Dein Einwand geht in eine ähnliche Richtung wie eines der Statements, die ich unten eingebracht habe: „You can’t expect to shift that burden on to a user who comes to your website once a week […]“. Die Gefahr ist groß, dass Webseitenbetreiber mit dieser Methode starre Webseitenkonzepte aufbrechen, nur um noch größere Mengen an Werbung an den User auszuliefern. Deswegen brauchen wir eben den kritischen Diskurs, der auch den User in die strategischen Überlegungen mit einbezieht. Denn wenn jeder von unseren Werbebotschaften genervt ist, bringt das alles nix.

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jörg pattiss am 17.11.2014 um 11:18 Uhr

Dieser Ansatz wäre auch einmal in der Online Video Welt interessant. Also nicht nur customizable Player-Oberflächen (und auch hier ist die Fahnenstange noch nicht erreicht), sondern auch Wege, um dem Zuseher bei der Content-Wahl zu unterstützen. Interaktivität muß hier nicht unbedingt nur wegzappen & neues video heißen…

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