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Schluss mit dem Mythos: Wer lange arbeitet, ist nicht produktiver

Schluss mit dem Mythos: Wer lange arbeitet, ist nicht produktiver

Michelle Winner | 11.02.20

Wer viel arbeitet, leistet mehr? Stimmt nicht. Arbeitgeber sollten begreifen, dass lange Arbeitszeiten, Überstunden und Präsenzpflicht zu Stress und sinkender Produktivität führen.

Überall wird darüber diskutiert, wie wir unseren Arbeitsalltag effektiver und produktiver gestalten können und ob die klassische Arbeitswoche noch zeitgemäß ist. Auch wir haben schon darüber berichtet und ein Argument immer wieder genannt: Wer lange arbeitet, ist nicht produktiver. Und trotzdem hält sich der Mythos hartnäckig in den Köpfen vieler Arbeitnehmer und vor allem auch der Arbeitgeber. Es ist Zeit, Schluss damit zu machen.

Falsche Einstellung und falscher Ruhm

Sehen wir uns eine Testperson an. Diese Testperson steht morgens früh auf, geht früh zur Arbeit und hat dort mindestens acht Stunden geregelte Arbeitszeit. Hinzu kommen dann noch Überstunden, die natürlich gerne in Kauf genommen werden. Und nach Feierabend? Da ist unsere Testperson selbstverständlich immer erreichbar und wenn es einen Notfall gibt, springt sie gern ein. Man lebt ja schließlich, um zu arbeiten. Falsch. Genau diese verquere Einstellung ist es, die den „Präsenz-Fetisch“ aufrechterhält. Denn Personen, wie der hier beschriebenen, wird oft Respekt entgegengebracht, angefangen vom zustimmenden Nicken des Chefs bis hin zu bewundernden Kollegen. Dahinter stecken die Annahmen, dass

  1. lange arbeiten zu höherer Produktivität führt
  2. man nur produktiv war, wenn man nach der Arbeit erschöpft ist

Diese Einstellung sorgt dafür, dass andere Arbeitnehmer hohem Druck ausgesetzt sind. Sie bekommen beispielsweise blöde Sprüche oder Blicke, wenn sie pünktlich Feierabend machen oder als erster gehen. Oder eben nicht auf WhatsApp-Nachrichten von der Arbeit reagieren. Sie gelten schnell als weniger motiviert und engagiert und daraus entsteht oft die Angst, im Ansehen von Chef und Kollegen zu sinken. Und so werden lange Arbeitszeiten und ständige Erreichbarkeit in Kauf genommen – ohne, dass man es eigentlich will.

Acht Stunden durcharbeiten – nie und nimmer

Jetzt mal Hand aufs Herz: Wer von euch arbeitet acht Stunden am Stück konzentriert durch? Richtig, keiner. Denn eine so hohe Konzentrationsspanne hat niemand. Viele Menschen lassen sich während der Arbeit ablenken, besonders online. Es ist auch einfach verführerisch, mal schnell das Smartphone zu checken, die Breaking News oder den Promiklatsch zu lesen oder ein neues Katzenvideo anzusehen. Besonders oft lassen wir uns ablenken, wenn wir gelangweilt oder aber überfordert sind. In dieser Zeitspanne, mag sie noch so kurz sein, arbeiten wir nicht produktiv. Und bei einem Acht-Stunden-Tag bleibt es nicht nur bei einer kleinen Ablenkung. Letztere haben oft auch die Form von Kollegen, die ein Pläuschchen halten wollen, Zigarettenpausen und dem Gang zur Kaffeemaschine. Ein weiteres Phänomen tritt ein, wenn die Arbeit des Tages erledigt ist, die acht Stunden aber noch nicht um sind. Mitarbeiter versuchen dann häufig, die Zeit irgendwie abzusitzen und dabei beschäftigt zu wirken. Das klappt zum Beispiel durch ein stetiges Klicken mit der Maus, dem hin und her Sortieren von Dokumenten oder ganz klassisch – Spider Solitär.

Infografik: Was Berufstätige wollen | Statista
Die Grafik zeigt, dass viele der Wünsche von Arbeitnehmern mit den Themen Arbeitszeit und dem Verhältnis von Arbeit und Freizeit zu tun haben. © Statista

Und? Immer noch überzeugt davon, dass der Acht-Stunden-Tag das einzig Wahre ist? Wenn ja, gehörst du eventuell auch zu den Menschen, die behaupten neue Arbeitsmodelle würden nur dazu dienen, Faulheit zu fördern. Um dich vom Gegenteil zu überzeugen, folgen nun ein paar unschlagbare Gründe, die für die neuen Ideen sprechen.

Flexibilität macht produktiver

Tatsächlich kann die oben beschriebene Arbeitseinstellung zu Burnout führen. Stress und Müdigkeit fordern irgendwann ihren Tribut. Anstatt also auf strikte Stundenzahl, Präsenzpflicht und Überstunden zu pochen, sollten Arbeitnehmer die Prävention von psychischen Leiden unterstützen – und somit die Produktivität ihrer Mitarbeiter steigern. Ein Weg dafür sind flexible Arbeitszeiten, durch die Angestellte sich nicht mehr wie im Zwangskorsett fühlen. Außerdem sollte über das Reduzieren der Arbeitsstunden nachgedacht werden. Eine Idee, ausprobiert vom Unternehmen Digital Enabler, wäre die 25-Stunden-Woche. Es wird jeden Tag fünf Stunden gearbeitet, für das gleiche Gehalt und den gleichen Urlaubsanspruch. Nur große Pausen fallen weg. Die Idee basiert auf Studien, die besagen, dass Teilzeitkräfte ebenso viel leisten wie Vollzeitkräfte – und das mit weniger Arbeitsstunden.

Infografik: Überlastet und ausgebrannt? | Statista
Die meisten Befragten schaffen ihre Arbeit in der vorgesehenen Zeit oder schneller, was dafür spricht, das Experiment zu wagen und die Stunden zu reduzieren. © Statista

Und tatsächlich zeigt sich bei diesem und anderen ähnlichen Experimenten, dass die Mitarbeiter meist das gleiche Arbeitspensum erfüllen wie in einer 40-Stunden-Woche. Mit dem positiven Zusatz, dass sie nach Arbeitsende noch etwas vom Tag haben. Natürlich gibt es auch hier Kritikpunkte, beispielsweise dass der zwischenmenschliche Aspekt des Arbeitens auf der Strecke bleibt, wenn jeder nur auf sich selbst fokussiert ist. Doch dem muss nicht so sein. Fakt bleibt, dass, wenn unser Leben moderner wird, die Arbeitswelt dies auch werden muss. Und dazu gehört, ausgedienten Traditionen den Rücken zu kehren und stattdessen offen für das Neue zu sein.

Revolution von jetzt auf gleich muss nicht sein

Dieser Beitrag soll zeigen, dass Arbeit nicht mit Stress, Müdigkeit, Langeweile oder Erschöpfung verbunden sein muss. Arbeitnehmer sowie -geber müssen aufhören, Präsenz und Arbeitszeit über die Produktivität und Motivation zu stellen. Werden die Zügel lockerer gelassen, entstehen fast immer bessere Ergebnisse. Und liebe Arbeitgeber, der Wandel muss nicht von jetzt auf gleich geschehen oder durch gewagte Experimente. Fangt mit einer kleinen Reduzierung der Arbeitszeit an und damit, dass Mitarbeiter sich diese (wenn möglich) frei einteilen können. Im Fokus sollte dabei stehen, dass bei gleich bleibender Produktivität die Freiheit der Mitarbeiter erhöht wird. Dazu bedarf es Vertrauen auf beiden Seiten. Die Resultate können das kleine Risiko jedoch wert sein.

Kommentare aus der Community

Khoa Nguyen am 11.02.2020 um 17:36 Uhr

Für mich ist ein Zeichen der Ineffizienz, wenn man jemand freiwillig bis in die späten Arbeitsstunden arbeiten muss. Das verdient kein Lob, sondern hier müsste eine Diskussion mit der Person geführt werden und dem Team, mit dem Projekte und Aufgaben erledigt werden. Hohes Engagement in der Arbeit ist nicht gleichbedeutend mit freiwillig geleisteten 20 Überstunden. Ich persönlich sehe es auch nicht gern, wenn Mitarbeiter bis tief in die Nacht arbeiten anstatt bei ihren Familien oder Freunden abzuschalten.
Aber jeder hat seine eigene individuelle Einstellung, was als richtig angesehen wird.

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