Human Resources
KI ohne Regeln? Warum Governance und Verantwortung jetzt für Unternehmen entscheidend sind

KI ohne Regeln? Warum Governance und Verantwortung jetzt für Unternehmen entscheidend sind

Marié Detlefsen | 30.09.25

Während KI-Kompetenzen in den meisten Jobs längst Standard sind, fehlen klare Regeln und Expert:innen für Ethik und Governance. Wer jetzt nicht in verantwortungsvolle Strukturen investiert, riskiert nicht nur Vertrauen, sondern auch Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Künstliche Intelligenz ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern fester Bestandteil unseres Alltags und Arbeitslebens. Chatbots schreiben Texte, Machine-Learning-Modelle analysieren Märkte, und generative Systeme entwickeln eigenständig Lösungen, die früher ganze Teams beschäftigt hätten. Doch je rasanter diese Entwicklung voranschreitet, desto deutlicher zeigt sich eine anbahnende Problematik: Der technologische Fortschritt rast voraus – während verbindliche Regeln, Fachkräfte für Governance und ethische Orientierungspunkte noch hinterherhinken.

Der internationale „Report ICT in Motion: The Next Wave of AI Integration“ von Cornerstone und AI Workforce Consortium verdeutlicht, wie dringlich dieser Handlungsbedarf ist. Schon heute verlangen 78 Prozent der IT-Berufe nach KI-Kompetenzen – ein klares Signal, dass KI-Skills nicht mehr Spezialwissen sind, sondern Grundvoraussetzung. Gleichzeitig wächst der Bedarf an Expert:innen, die den verantwortungsvollen Einsatz von KI-Systemen steuern und überwachen können, in rasantem Tempo.


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KI-Governance und Ethik rücken ins Zentrum

Die Daten sind eindeutig: Sieben der zehn am schnellsten wachsenden IT-Rollen haben einen direkten Bezug zu KI. Besonders gefragt sind Funktionen wie AI/ML-Ingenieur:innen, NLP-Expert:innen oder Spezialist:innen für KI-Risiken und Governance. Letztere verzeichnen sogar ein Wachstum von 234 Prozent – ein explosionsartiger Anstieg, der zeigt, wie stark Unternehmen nach Menschen suchen, die nicht nur Technik beherrschen, sondern auch ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und ethischen Implikationen verstehen.

Diese KI- und IT-Stellen werden derzeit am häufigsten gesucht, © AI Workforce Consortium
Diese KI- und IT-Stellen werden derzeit am häufigsten gesucht (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © AI Workforce Consortium

Die Nachfrage nach Fähigkeiten in KI-Governance (plus 150 Prozent) und KI-Ethik (plus 125 Prozent) zeigt, dass Organisationen erkannt haben: Es reicht nicht mehr, KI-Systeme nur zu entwickeln und einzusetzen. Sie müssen zugleich transparent, sicher und fair gestaltet werden. Ohne klare Regeln drohen Risiken – von diskriminierenden Algorithmen bis hin zu Sicherheitslücken, die ganze Infrastrukturen gefährden können.

Besonders kritisch ist dies im streng regulierten DACH-Raum, wo Unternehmen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch rechtliche Konsequenzen tragen müssen. Der Aufbau einer Governance-Struktur wird daher zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor, spätestens wenn ab dem ab 2. August 2026 die Regeln des AI Acts in Gänze Anwendung finden. Nur wer Vertrauen schafft, wird langfristig erfolgreich KI integrieren können. Thorsten Rusch, Senior Director Solution Consulting bei Cornerstone, sagt hierzu:

KI-Kompetenzen sind keine Nische mehr, sondern Standard in fast 80 Prozent der IT-Jobs. Doch der Fokus allein auf technische Skills greift zu kurz. Die größte Herausforderung für Unternehmen ist es, die Balance zwischen technischer Expertise und den immer wichtiger werdenden menschlichen Fähigkeiten für einen verantwortungsvollen KI-Einsatz zu finden.

Expert:innen sind Mangelware

Die Studie zeigt allerdings auch die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt auf. So herrscht derzeit ein akuter Mangel an Expert:innen für generative KI, Large Language Models (LLMs), Prompt Engineering, KI-Sicherheit und ethische Fragen. Diese Engpässe gefährden die Fähigkeit vieler Unternehmen, KI in großem Maßstab sicher einzusetzen.

Die Geschwindigkeit, mit der sich KI weiterentwickelt, verschärft diese Dynamik zusätzlich. Technologien wie KI-Sicherheit (plus 298 Prozent), die Anpassung von Foundation Models (plus 267 Prozent) oder die Entwicklung von Multi-Agent-Systemen (plus 245 Prozent) sind keine Nischen mehr, sondern Kernbereiche, in denen Know-how dringend gesucht wird. Die nächste Generation von KI-Systemen agiert nicht mehr nur reaktiv, sondern zunehmend autonom – was die Anforderungen an Ethik und Kontrolle nochmals erhöht.


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© Yan Krukau – Pexels


Auch die geografische Verteilung der Nachfrage verdeutlicht die Verschiebung: Das Silicon Valley meldet ein Plus von 156 Prozent bei KI-Jobs, gefolgt von London und Toronto. Doch auch europäische Standorte wie Manchester und Lyon wachsen stark. Für den deutschsprachigen Raum bedeutet dies: Der Wettbewerb um Talente verschärft sich. Unternehmen, die nicht rechtzeitig in Ausbildung, Governance-Modelle und ethische Standards investieren, laufen Gefahr, international ins Hintertreffen zu geraten.

Ohne KI-Governance keine Zukunft

Parallel dazu wächst die Bedeutung menschlicher Kompetenzen. Fähigkeiten wie Kommunikation, Team-Arbeit, kritisches Denken und Führung werden zunehmend als Schlüsselfaktor gesehen, um komplexe Technologien verantwortungsvoll einzubetten. KI mag zwar Entscheidungen beschleunigen, doch es braucht Menschen, die diese Ergebnisse einordnen, hinterfragen und im gesellschaftlichen Kontext bewerten können. Eine Kombination aus KI- und Soft-Skills wird daher in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein. Dieser Ansicht ist auch Rusch:

Eine effektive KI-Strategie ist weit mehr als ein IT-Projekt. Sie verlangt einen umfassenden Kulturwandel. Die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden muss als strategischer Teil der Organisationsentwicklung gedacht werden. Es geht darum, Transparenz bezüglich der existierenden und zukünftig benötigten Fähigkeiten zu schaffen und eine agile Lernkultur zu etablieren, die Arbeitnehmende befähigt, in der neuen Arbeitswelt erfolgreich zu sein.

Mit wachsender Bedeutung von KI steigt auch die Verantwortung. Wer die neue Technologie einsetzen will, ohne Vertrauen zu verspielen, braucht Strukturen, klare Regeln und vor allem Menschen, die Technologie und Verantwortung zusammenbringen können. Der Beruf der AI-Ethiker:innen oder Risk-Governance-Spezialist:innen ist dabei der Schlüssel, um die Spielregeln der digitalen Zukunft zu gestalten.


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