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Human Resources
Fridge Hiring: Proaktive Personalstrategie oder Kostenfalle?

Fridge Hiring: Proaktive Personalstrategie oder Kostenfalle?

Marié Detlefsen | 05.06.24

Das sogenannte Fridge Hiring gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Unternehmenswelt. Doch welche Vor- und Nachteile bringt diese Strategie mit sich und ist sie für jedes Unternehmen geeignet?

Not macht gewissermaßen erfinderisch, das gilt insbesondere für Personaler:innen. Derzeit stehen Unternehmen nämlich vor der großen Herausforderung, neue Talente zu gewinnen und zu halten, was durch den Fachkräftemangel erschwert wird. Ein innovativer Ansatz, der sich dabei immer größerer Beliebtheit erfreut, ist das sogenannte Fridge Hiring. Diese Methode, bei der Fachkräfte „auf Vorrat“ eingestellt werden, kann in der richtigen Situation für viele HR-Abteilungen ein guter Ansatz sein. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept und welche Vor- und Nachteile bringt es mit sich? Wir stellen dir die Hiring-Strategie vor.

Was ist Fridge Hiring?

Fridge Hiring lässt sich von den englischen Begriffen „Fridge“ (Kühlschrank) und „Hiring“ (Einstellen) ableiten. Es beschreibt die Praxis, proaktiv neue Mitarbeiter:innen einzustellen, die in naher oder ferner Zukunft gebraucht werden könnten. Dabei spielt es keine Rolle, ob aktuell offene Stellen vorhanden sind. Diese Talente werden quasi „kalt gehalten“, um bei Bedarf sofort einsatzbereit zu sein.

Laut einer repräsentativen Umfrage von Indeed, die bereits Anfang 2023 publik wurde, haben bereits vier von fünf Recruitern Erfahrungen mit Fridge Hiring gemacht. Etwa zehn Prozent gaben sogar an, dies schon sehr häufig getan zu haben. Besonders häufig wird diese Praxis im IT-Bereich angewandt: 30,4 Prozent der Befragten gaben an, IT-Fachkräfte so früh wie möglich zu rekrutieren. Eine Begründung hierfür liegt im Fachkräftemangel, welcher in der IT-Branche besonders ausgeprägt ist. Derzeit bleiben laut Schätzungen des Digitalverbandes Bitkom etwa 149.000 offene Stellen im IT-Bereich unbesetzt, wobei der Bedarf besonders bei Informatiker:innen und Software-Entwickler:innen groß ist. Im Jahr 2040 können voraussichtlich schon rund 663.000 IT-Expert:innen fehlen.

Allerdings findet Fridge Hiring auch im Sales- und Personalmanagement-Bereich (21,9 Prozent und 19,1 Prozent) Anwendung, während es in den Bereichen Marketing mit 11,9 Prozent und Finanzen mit 10,3 Prozent deutlich seltener vorkommt.

Weniger Personalmangel und Engpässe

Die Gründe für diese vorausschauende Rekrutierungsstrategie sind vielfältig. Recruiter nennen dabei vor allem folgende drei Punkte:

  • Personalmangel (45 Prozent): Der häufigste Grund ist der akute Fachkräftemangel. Talente sind rar und stark umkämpft, weshalb es sinnvoll ist, diese frühzeitig einzustellen. 35 Prozent nennen in diesem Rahmen auch den Ausbau der Personaldecke als Motiv, um zukünftigen Bedarf decken zu können.
  • Ersatz für baldige Rentner:innen (30 Prozent): Angesichts des demografischen Wandels und der bevorstehenden Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation müssen Unternehmen für kommende Vakanzen gewappnet sein.
  • Geplante Expansion (21 Prozent): Unternehmen, die wachsen wollen, benötigen entsprechend mehr Personal. Hierbei können sie mit Fridge Hiring sicherstellen, dass sie bei Bedarf sofort qualifizierte Mitarbeiter:innen zur Verfügung haben.

Das sind die Vorteile von Fridge Hiring

Doch welche anderen Vorteile bietet Fridge Hiring, abgesehen davon, Fachkräfte „auf Vorrat“ zu haben? Auch hier lassen sich einige Punkte nennen:

  • Entlastung für Recruiter: Durch die proaktive Einstellung sparen Personalverantwortliche Zeit und Ressourcen bei der späteren Suche und Auswahl neuer Mitarbeiter:innen.
  • Sofortige Verfügbarkeit: Bereits eingestellte Talente sind sofort einsatzbereit, wenn eine Position frei wird, wodurch Personalengpässe vermieden oder zumindest verkürzt werden.
  • Effiziente Nutzung des Talent-Pools: Statt zahlreiche Kandidat:innen der Datenbank zu verwalten, können geeignete Bewerber:innen direkt eingestellt werden. So ist es in manchen Situationen besser, direkt wartende Talente einzustellen, anstatt unter Zeitdruck unzählige Bewerbungsgespräche zu führen.
  • Reduzierung der Absagequote: Da bei Fridge Hiring der Fokus auf Soft Skills gelegt wird, können Kandidat:innen fehlende Hard Skills im Job erlernen, was zu weniger Absagen führt.
  • Verbesserung des Onboarding-Prozesses: Neue Mitarbeiter:innen haben mehr Zeit, sich einzuarbeiten und sich an die Unternehmenskultur anzupassen, was ihre Integration erleichtert. Dies fördert zusätzlich die Entwicklung neuer Fähigkeiten und Ideen und erleichtert es dem Unternehmen, flexibel auf Personalbedarfe zu reagieren.

Zusätzliche Kosten als Risikofaktor

Trotz der vielen Vorteile birgt Fridge Hiring auch einige Risiken und Herausforderungen, die berücksichtigt werden müssen. Die proaktive Einstellung von Fachkräften ohne unmittelbaren Bedarf kann zusätzliche Kosten für das Unternehmen verursachen, insbesondere wenn diese Talente nicht sofort produktiv sind. Unbedachtes Fridge Hiring kann zudem in wahllosem Einstellen münden, wodurch ebenfalls hohe und unnötige Kosten entstehen können. Die Gefahr besteht darin, Fachkräfte ins Boot zu holen, die nicht mit der Unternehmenskultur harmonieren. Es ist zwar schön, mehr Personal einzustellen, das in Zukunft gebraucht wird, doch sollte dieses Personal auch zur Unternehmenskultur passen.

Auch im Bereich des Onboardings gibt es Herausforderungen. Neue Mitarbeiter:innen, die möglicherweise keine spezifische Rolle oder Aufgabe im Unternehmen haben, könnten Schwierigkeiten haben, sich zu integrieren oder eine klare Rolle zu finden. Eine weitere wichtige Überlegung betrifft die Flexibilität des Unternehmens. Durch die Bindung an vorab ausgewählte Talente kann das Unternehmen möglicherweise weniger flexibel reagieren, wenn sich die Marktbedingungen oder die Geschäftsanforderungen ändern. Diese Aspekte können dazu führen, dass Fridge Hiring nicht immer die optimale Lösung für jedes Unternehmen ist, obwohl es in vielen Fällen strategisch vorteilhaft sein kann.

Fridge Hiring nicht für jedes Unternehmen geeignet

Zusammengefasst kann Fridge Hiring eine sinnvolle Strategie sein, um dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Insbesondere für Unternehmen mit konkreten Expansionsplänen oder absehbarem Personalmangel kann dieser Ansatz vorausschauend und effizient sein. Doch sollten die damit verbundenen Kosten und Risiken sorgfältig abgewogen werden, um sicherzustellen, dass diese Strategie zur jeweiligen Unternehmenssituation passt. Ob Fridge Hiring das richtige Mittel ist, hängt letztlich von den individuellen Anforderungen und Zielen des Unternehmens ab. Bei einer durchdachten und strategischen Umsetzung kann es jedoch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bieten.


Beschäftigungsbarometer gestiegen:

Einstellungsbereitschaft der Unternehmen nimmt zu

Nicht nur Fridge Hiring steigt an, auch die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen nimmt zu.
© Cytonn Photography – Unsplash

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