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Digitalisierung
Digitalkompetenzen von Unternehmen in Deutschland werden Ansprüchen nicht gerecht
Digitalkompetenzen in Unternehmen in Deutschland sind ausbaufähig, © hj barraza - Unsplash

Digitalkompetenzen von Unternehmen in Deutschland werden Ansprüchen nicht gerecht

Niklas Lewanczik | 15.02.19

Die digitale Transformation hat Unternehmen voll im Griff. Doch in Deutschland fehlt es oft an den zentralsten Fachkompetenzen – diese zu erlangen ist teuer.

Digitalisierung ist das große und manchmal vage Phänomen unserer Zeit. Doch es bestimmt unseren Arbeitsmarkt seit Jahren und verändert ihn zusehends; in vielen Aspekten zum Besseren. Allerdings braucht es für eine umfassende und professionelle digitale Transformation ganz konkrete Kompetenzen und Strategien, damit Unternehmen sich entwickeln können. Bei Unternehmen in Deutschland klaffen Anspruch und Wirklichkeit dabei aber weit auseinander, wie eine aktuelle Studie zeigt. Diese Kluft muss überbrückt werden, auch wenn es Investitionsbereitschaft erfordert.

Ansprüche an Managmentqualitäten sind hoch

Die Fraunhofer Academy hat eine Studie in Auftrag gegeben, die das Marktforschungsunternehmen Skopos durchgeführt hat. Dabei wurden Mitarbeiter von 150 Unternehmen in Deutschland – vom kleinen (10-49 Mitarbeiter) bis zum großen (ab 250 Mitarbeiter) – befragt. Die Unternehmen entstammen verschiedensten Branchen, darunter die Fertigung, Informationstechnologie, Logistik, Chemie, Pharmazie, Energie und Telekommunikation. Als Kernergebnis der Studie lässt sich festhalten, dass die Belegschaften Fach- und Managementkompetenzen für den digitalen Wandel als elementar erachten, dass diese aber noch nicht weitgehend in den Unternehmen integriert sind.

Besonders die Ansprüche an Managementkompetenzen sind hoch. Als Top Fünf werden die folgenden gelistet:

  • Lernbereitschaft
  • Fähigkeit, übergreifende Prozess- und Systemzusammenhänge zu erkennen
  • Fähigkeit zur Lösung komplexer Probleme
  • Agiles Projektmanagement
  • Fokussierung kundenorientierter Lösungen

Für 80 Prozent der Befragten sind diese Kompetenzen sehr oder weitgehend wichtig für den Unternehmenserfolg im Kontext digitaler Transformation. Die Punkte Lernbereitschaft und die Fähigkeit, übergreifende Prozess- und Systemzusammenhänge zu erkennen, sind mit 86 Prozent die am meisten geforderte Kompetenz. Als Gegenbild zu diesen Ansprüchen folgt in der Studie aber eine ernüchternde Erkenntnis. Wenn angegeben wird, dass diese Aspekte in Unternehmen zu immerhin 30 beziehungsweise 37 Prozent nur mittelmäßig oder kaum gelebt und gefördert werden, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass das Potential der Digitalisierung auch nur bedingt genutzt werden kann. Insbesondere wenn man erkennt, dass in 37 Prozent der Unternehmen das Agile Projektmanagement kaum gelebt wird, obwohl es für vier von fünf Befragten enorm wichtig ist.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei Managementkompetenzen auseinander, © Fraunhofer Academy

Gerade Lernbereitschaft ist aber gefordert, wenn man im Unternehmen nicht auf den gewünschten oder benötigten Pool an Fachkräften zurückgreifen kann. Der Fachkräftemangel im IT-Bereich verschärft sich in Deutschland zusehends.  Von 2017 bis 2018 hat sich die Zahl der offenen Stellen in der Branche von 55.000 auf 82.000 erhöht. Das bedeutet in der Folge auch höhere Kosten für die Personalgewinnung bei Unternehmen, wie eine Studie von Deloitte angibt.

Der Fachkräftemangel macht sich bei den befragten Firmen vor allem in der Kostensteigerung für das Recruiting bemerkbar, © Deloitte

Bei den Fachkompetenzen besteht großer Nachholbedarf

Mit einer digitalen Landschaft im Arbeitsleben gehen auch ganz spezifische Anforderungen an technologische Prozesse einher. Für 71 Prozent sind Datenanalyse und Data Science sowie Cybersicherheit und Digitale Souveränität sehr wichtig. Doch bei 39 beziehungsweise 34 Prozent der Unternehmen sind diese Fachkompetenzen nur in mittlerem Maße vorhanden – hier macht sich der Fachkräftemangel wiederum bemerkbar.

Darüber hinaus sind für die Befragten KI und Machine Learning (67 Prozent), Usability Engineering (68 Prozent) und Programmierung sowie Web- und App-Entwicklung (62 Prozent) von elementarer Bedeutung. Aber auch hier sind keine umfänglichen Kompetenzabdeckungen zu erkennen. Besonders im so relevanten Bereich KI und Machine Learning geben 55 Prozent an, dass es hier nur mittelmäßige Fachkompetenz im Unternehmen gibt; für eine zukunftsgerichtete Entwicklung braucht es jedoch eine stärkere Fokussierung auf derlei Technologien. Die Relevanz des KI-Bereichs für die hiesige Arbeitslandschaft betonte jüngst Bitkom-Präsident Achim Berg:

Wir müssen jetzt weg von der Theorie hin zur Praxis, und das so schnell wie möglich.

So kann beispielsweise die Implementierung von Skills für Amazons Alexa für Unternehmen von Vorteil sein, doch dafür sollten fachspezifische Kräfte bereitstehen.

Die Anforderungen an Fachkompetenzen im digitalen Transformationsprozess zeigen Diskrepanzen zur Realität der vorhandenen Kenntnisse, © Fraunhofer Academy

Bitkom stellt in einem Positionspapier Handlungsempfehlungen bereit, die die Umsetzung von KI-Strategien erleichtern soll.

Weiterbildungen sind eher bei großen Unternehmen im Angebot

Ein weiterer wichtiger Faktor, um der digitalen Transformation offen entgegenzutreten, ist die Möglichkeit sich stetig weiterzubilden. Leider sind die Optionen dazu nicht für alle Arbeitnehmer gleich ausgeprägt. 29 Prozent der Befragten der Studie nehmen gar nicht an Weiterbildungen teil. Der entscheidende Grund ist zumeist die fehlende Zeit (42 Prozent). Doch in immerhin 28 Prozent der Fälle unterstützen die Unternehmen solche Angebote nicht und stellen auch keine eigenen bereit. Positiv ist jedoch zu bemerken, dass weitere 26 Prozent angaben, man könne sein Wissen auch kostenlos auf andere Weise erweitern. Wie viel Praxisbezug das dann hat und wie nachhaltig es ist, kann hierbei aber nur schwer ermittelt werden.

Weiterbildungen sind in Unternehmen in Deutschland keine Selbstverständlichkeit, © Fraunhofer Academy

Es zeigt sich in der Untersuchung, dass bei größeren Unternehmen auch mehr externe Schulungen angeboten oder öfter neue digitale Tools integriert werden. Die größeren Ressourcen der Unternehmen ab 250 Mitarbeiter spielen dabei sicher eine Rolle, aber damit gehen ebenso große Erwartungshaltungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter einher. So gibt es nur bei sieben Prozent der kleinen Unternehmen (bis 49 Beschäftigte) Inhouse-Schulungen, dagegen bei 47 Prozent der größeren. In Sachen externe Weiterbildungen tritt die Diskrepanz ebenso deutlich zutage (28 vs. 51 Prozent). Auch Online-Schulungen finden bei größeren Unternehmen (40 Prozent) deutlich eher statt als bei kleineren (17 Prozent).

Darüber hinaus werden Veranstaltungen oder Konferenzen von größeren Unternehmen – beziehungsweise deren Mitarbeitern – ebenfalls öfter (zu 45 Prozent) besucht als von kleineren (zu 24 Prozent).

Eine aktive Weiterbildung findet eher bei großen Unternehmen statt, © Fraunhofer Academy

Als Schluss lässt sich aus den Ergebnissen ziehen, dass bei kleineren Unternehmen kaum Strukturen für Weiterbildungsmaßnahmen vorhanden sind. Beinahe ein Viertel hat gar keine organisierte Planung dafür vorgesehen. Daher setzen die Mitarbeiter dieser Unternehmen eher auf die Peer-to-Peer-Kommunikation unter Kolleginnen und Kollegen, um praxisorientiert zu lernen.

Je kleiner das Unternehmen, desto eher sind die Mitarbeiter auf das interne Netzwerk angewiesen, © Fraunhofer Academy

Um die elementaren Weiterbildungen zu fördern, schlägt die Fraunhofer Academy vor, auch Pilotprojekte mit kleinen Gruppen zu starten. Damit ließe sich – zumindest in größeren Unternehmen – en miniature entwickeln, welche Kompetenzen in welchen Bereichen gefordert sind.

Damit die Unternehmen in Deutschland in Sachen Digitalkompetenzen nicht den Anschluss verlieren, kann man verschiedene Wege gehen. Unabhängig von der Finanzkraft bleibt der auch internationale Austausch, die stetige Reflexion eigener Kenntnisse und Möglichkeiten und der Entwicklungswille zentral. Geht es um konkrete Fachkompetenzen, dann müssen weitere Investitionen hier ernsthaft in Erwägung gezogen werden – weil sie sich langfristig eher auszahlen werden als ein Sparkurs unter der falschen Prämisse.

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