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E-Commerce
Amazon, Apple und Google mit Vorsprung: Der E-Commerce in der Hand der Sprachassistenten?

Amazon, Apple und Google mit Vorsprung: Der E-Commerce in der Hand der Sprachassistenten?

Niklas Lewanczik | 03.05.19

Nach der Kooperation von Walmart und dem Google Assistant fragen wir bei Marcel Hollerbach nach, inwiefern Sprachassistenten den E-Commerce verwandeln.

Wie bei jeder bahnbrechenden Neuerung sind einige noch zögerlich. Doch das Thema Voice wird im digitalen Raum an niemandem vorbeigehen. Bei der Suche sind Sprachassistenten schon heute extrem relevant. Ob Alexa, der Google Assistant, Cortana oder Siri: sie alle nehmen zusehends mehr Einfluss auf unseren Alltag. Auch im E-Commerce gewinnen sie an Bedeutung. Walmarts Kooperation mit dem Google Assistant ist nur der Beginn einer großen Entwicklung, weiß unser Interviewpartner Marcel Hollerbach. Doch auch hier haben die digitalen Big Player die Nase bereits vorn.

Walmart und der Google Assistant: Einkaufen per Sprachbefehl

„Hey Google, talk to Walmart” – mit dieser Aussage können Walmart-Kunden und Nutzer des Google Assistant in den USA über den Sprachassistenten der Suchmaschine online shoppen. Der große Retailer ist eine Kooperation mit Google eingegangen, die uns einen Blick auf zukunftsgerichtetes digitales Einkaufen werfen lässt. Immerhin können User via Sprachbefehl so ganz einfach Produkte in ihren Warenkorb bei Walmart verfrachten; ob sie nun zu Hause sind oder unterwegs.

Zunächst setzt Walmart auf den Google Assistant, doch andere Sprachassistenten sollen in naher Zukunft das Angebot für Kunden erweitern. Solche Sprachassistenten werden – gerade hierzulande – für das Shopping noch nicht allzu oft verwendet. Obwohl insbesondere Amazons Alexa durch eine Nähe zur größten Onlineshopping-Suchmaschine dafür prädestiniert wäre.

Alexa, Siri, der Google Assistant und Co. – von einem Sprachassistenten Facebooks, der sich in der Planung befinde, sind ebenso Gerüchte im Umlauf – haben jedoch auch in anderen Alltagsgebieten Einzug gehalten. Der Google Assistant wurde jüngst in Maps integriert und hilft bei der Übersetzung, während eine Voice-Version der Google News über ihn ebenso auditiv wahrgenommen werden kann. Alexa wird nicht nur in Privathaushalten, sondern auch in Hotels oder Autos integriert. Die Potentiale der sprachbasierten KI-Systeme scheinen immens groß; damit einher gehen jedoch Datenschutzbedenken. Zuletzt wurde bekannt, dass personenbezogene Daten genauso von Alexa-Mitarbeitern eingesehen werden konnten wie private Gespräche abgehört.

Im Kontext dieser Gratwanderung könnten die Sprachassistenten also nun den E-Commerce erobern. Um anlässlich der Kooperation von Walmart und Google tiefergehende Insights zur Thematik zu erhalten, haben wir dem CMO von Productsup, Marcel Hollerbach, eine Reihe von Fragen unterbreitet. Er kennt sich im Bereich Marketing und Business Development bestens aus und weiß, dass es bis zum Voice Commerce noch ein langer Weg ist.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Wie schätzen Sie die Kooperation von Walmart und Google ein? Was bedeutet das langfristig für den Handel – vor allem auch in Deutschland?

Marcel Hollerbach von Productsup, © Productsup

Marcel Hollerbach: Für Walmart und Google ist die neue Kooperation eindeutig eine Win-Win-Situation: Walmart verbündet sich mit dem zweitstärksten Anbieter im Voice-Bereich und Google wiederum mit einem der größten Marktplätze und Händler. Damit positionieren sich die beiden Konzerne ganz klar gegen Amazon. Auf den deutschen Markt wird dies mittelfristig keine Auswirkungen haben. Sicher: Walmart besitzt hierzulande keine Relevanz. Trotzdem ist natürlich auch bei uns ein ähnliches Bündnis denkbar, beispielsweise zwischen Otto und dem Voice-Dienst von Google. Hinzu kommt: Ein solches Modell berücksichtigt noch keine Skaleneffekte. Anstatt um einzelne Kooperationspartner geht es bei dem Kopf-an-Kopf-Rennen der Voice-Assistenten nämlich in erster Linie um Reichweite. Das bedeutet: Wer es innerhalb kürzester Zeit schafft, seine Technologie in so viele Devices wie möglich zu integrieren, wird die Entwicklungen letztendlich vorantreiben und tatsächlich davon profitieren können. Und dabei geht es längst nicht mehr nur um Smartphones oder Home-Assistenten, sondern eben auch um Autos, Mikrowellen, Waschmaschinen und so weiter.

OnlineMarketing.de: Kann ein Voice Shopping-System wie jenes von Walmart und Google auch für kleinere Player funktionieren, denen weniger technologische und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen?

Marcel Hollerbach: Ja, prinzipiell stehen Alexa und Co. jedem Händler als Vertriebskanal offen. Allerdings werden sie sich ebenso wie Walmart mit einem großen Partner verbünden müssen. Der Vorsprung, den Amazon, Apple und Google sich auf diesem Gebiet erkämpft haben, ist kaum noch einzuholen.

OnlineMarketing.de: Hat Amazons Alexa durch die direkte Beziehung zum Marktplatz einen Vorteil beim Voice Shopping oder ist die Nähe des Google Assistant zur Suche relevanter?

Marcel Hollerbach: Das wird sich noch zeigen. Der wahre Vorteil von Amazon gegenüber Google besteht darin, dass Alexa die Kaufhistorie der Nutzer kennt. Das ermöglicht Kundenansprache auf einem ganz anderen Level. Erhält sie beispielsweise den Befehl „Alexa, ich brauche Bleistifte“, kann sie auf der Grundlage vorangehender Bestellungen genau das Produkt kaufen, das schon einmal geordert wurde. Doch was passiert, wenn noch keine Daten vorhanden sind, weil der User ein Produkt zum ersten Mal bestellen möchte? Hier könnte es für Amazons Alexa problematisch werden, denn tatsächlich ist nicht klar, wie ihre „First Choice“ zustande kommt. Welches Produkt bekommt der Kunde also geliefert, wenn er um den Kauf einer Palette Futter für seinen neuen Welpen bittet? Das mit der besten Bewertung? Oder vielleicht doch das, was am besten verkauft wird oder am meisten Budget für Werbung da lässt? Die Qualität der auf dem Amazon Marketplace bestellten Produkte lässt deshalb öfter zu wünschen übrig. Genau aus diesem Grund ist die jüngste Kooperation zwischen Walmart und Google auch so interessant: Der US-amerikanische Handelsriese sagt nämlich von sich selbst, dass er lieber 10.000 anstatt zehn Millionen Seller im Repertoire hat, wenn dafür ein gewisses Maß an Qualität gewährleistet werden kann. Qualität statt Quantität also. Davon kann sich Amazon sicher noch eine Scheibe abschneiden. Am Ende wird der Kunde höchstwahrscheinlich eher auf einen Voice-Kanal zurückgreifen, bei dem er weiß, was er bekommt, anstatt die Katze im Sack zu kaufen.

OnlineMarketing.de: Warum hadern Konsumenten Ihrer Meinung nach noch immer mit dem Kauf per Voice?

Marcel Hollerbach: In den meisten Fällen hat der Mensch einfach das Bedürfnis nach einer gewissen Haptik. Ich denke nicht, dass sich das jemals ändern wird, auch wenn es sicher Unterschiede gibt. Der Kauf von einer Kiste Mineralwasser ist beispielsweise weitaus weniger emotional als die Entscheidung für einen bestimmten Laptop, eine Wandfarbe oder neue Bohrmaschine. Manches muss man einfach erst gesehen, angefasst, getestet haben, um sich dafür entscheiden zu können und dabei möchte man sich verständlicherweise ungerne von einem Algorithmus bevormunden lassen. Vor allem in Deutschland scheitert der Voice-Commerce aber auch häufig noch an einer gewissen Skepsis der neuen Technologie gegenüber.

Letztendlich bleibt abzuwarten, ob sich das Shopping über Voice Assistants überhaupt als ein Haupt-Case durchsetzen wird oder ob die User nicht doch eher dazu tendieren, mit der Hilfe von Alexa und Co. ihre Mails abzurufen, nach dem Wetter zu fragen oder ein Taxi zu rufen. In diesem Fall hätte Google jedenfalls ganz schnell wieder die Nase vorn.

OnlineMarketing.de: Welchen konkreten Vorteil bietet es dann überhaupt, per Stimme Produkte in den Warenkorb zu legen anstatt beispielsweise per Klick?

Marcel Hollerbach: Ich denke, vor allem Produkte aus den Bereichen FMCG und CPG können per Voice Commerce sehr gut funktionieren. Hier handelt es sich um ganz Alltägliches wie Butter, Getränke oder Toilettenpapier, dessen regelmäßiger Einkauf im Supermarkt ohnehin von vielen eher als lästig empfunden wird. Hinzu kommt, dass einem oft just in dem Moment, da man sein Baby wickeln will, auffällt, dass die Windeln alle sind. Eine einfache Bestellung per Zuruf könnte deshalb für viele eine echte Erleichterung sein. Bei teureren Anschaffungen wird der Impuls, zunächst alle wichtigen Infos zum Produkt zu recherchieren, eher überwiegen, weshalb eine entsprechende Priorisierung der Anpassungen auf Voice in jedem Fall ratsam ist.

OnlineMarketing.de: Worauf müssen Händler beim Voice Commerce achten? Gibt es besondere Stolpersteine?

Marcel Hollerbach: Wenn Händler den Verkauf via Voice-Assistenten aktiv forcieren, müssen sie vor allem auf „Voice-freundliche“ Produkttitel und -beschreibungen achten. Wie klingt mein Produkt, wenn es vorgelesen wird? Ist alles verständlich und gut beworben? Wie bei jedem anderen Kanal ist es am Ende entscheidend, den Content zielgenau anzupassen, um die besten Ergebnisse erzielen zu können.

OnlineMarketing.de: Können wir davon ausgehen, dass künftig die Kombination von Voice und Screen das Einkaufsverhalten der Nutzer bestimmt? Wann ist Ihrer Meinung nach mit einer nachhaltigen Etablierung von Voice Shopping-Praktiken zu rechnen?

Marcel Hollerbach: Wie gesagt: Das hängt wesentlich auch mit der Produktkategorie zusammen. Bei FMCG- und CPG-Gütern wird das schneller passieren als bei eher emotionalen Produkten. Grundsätzlich sind wir von einem generellen Durchbruch aber noch ein gutes Stück entfernt. 2017 gaben noch 70% der Konsumenten an, ihre Lebensmittel lieber im stationären Handel zu kaufen. Und auch, was andere Produkte wie beispielsweise Möbel, Kleidung und Kosmetik betrifft, scheint das Misstrauen dem Online-Handel gegenüber noch immer nicht überwunden. Einzig Spielwaren, Filme, Musik und Bücher werden der Umfrage zufolge inzwischen lieber im Netz bestellt – hier weiß man allerdings auch immer genau, was man bekommt.

Damit die Nutzer ihr Verhalten anpassen und sich an die Vorzüge eines neuen Kanals gewöhnen können, muss erst einmal die nötige Infrastruktur aufgebaut und beispielsweise an sinnvollen Liefer- und Zahlungskonzepten gefeilt werden. Solange dieser Grundstein nicht gelegt ist – und das sehe ich für die nächste Zukunft leider noch nicht – wird der Voice Commerce sich noch nicht als ernstzunehmende Instanz etablieren können. Tatsache ist, dass viele Konsumenten derzeit sogar noch mit dem Kauf per Mobile gegenüber dem per Desktop hadern. Eine Kombination von Voice und Screen sehe ich deshalb momentan noch als pure Zukunftsmusik.

OnlineMarketing.de: Werden Sprachassistenten künftig auch Empfehlungen widerspiegeln können, die Kaufentscheidungen beeinflussen und somit den sprachbasierten E-Commerce weiter vorantreiben?

Marcel Hollerbach: Sicherlich! Wenn alle technischen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, wird der Voice Assistant im besten Fall sogar zu einer Art Vertrauensperson, einem Freund gar, der dem User in allen Lebenssituationen mit Rat und Tat zur Seite steht, Reisen für ihn bucht, Dates organisiert und den Wocheneinkauf macht. Dementsprechend werden sie eine wichtige Beraterfunktion einnehmen und den Kunden bei seiner Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen.

OnlineMarketing.de: Wie besorgniserregend schätzen Sie den Faktor ein, dass Google, Amazon und Co. auf diese Weise noch mehr personenbezogene Insights über das Einkaufs- und Nutzerverhalten erlangen? Bedeutet eine Marktmacht wie jene des Google Assistants nicht auch die Gefahr eines noch größeren Datenmonopols?

Marcel Hollerbach: Kennen Sie die „Big Bang Theory“-Folge, in der sich der Astro-Physiker Raj in die Siri seines neuen iPhones verliebt? Heute lachen wir noch über so etwas, doch Fakt ist: Die Anhängigkeiten werden mit jeder Technologie, die auf die individuellen Bedürfnisse der Konsumenten abzielt, immer größer. Was eine persönliche Beziehung zu einem Voice Assistant hinsichtlich der Kundenbindung bedeuten könnte, übersteigt demnach alles, was wir bisher aus dem Handel kennen.

Wir bedanken uns herzlich für das Interview und die interessanten Einsichten zu diesem spannenden und zukunftsorientierten Thema.

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