Human Resources
Ghost Working im Job: Warum 58 Prozent einer Arbeitsgruppe nur so tun, als würden sie arbeiten

Ghost Working im Job: Warum 58 Prozent einer Arbeitsgruppe nur so tun, als würden sie arbeiten

Marié Detlefsen | 02.12.25

Mehr als jede:r Zweite täuscht in einem zentralen Markt regelmäßig Produktivität im Job vor. Erfahre, warum so viele Arbeitnehmer:innen Ghost Working betreiben und wie Unternehmen gegensteuern können.

Wer hat es nicht schon einmal getan? Eine Aufgabe bewusst in die Länge gezogen, ein Fenster mit Excel geöffnet, obwohl man gerade mental ganz woanders ist, oder sinnlos auf der Tastatur getippt. Was für viele wie ein harmloser Trick wirkt, ist inzwischen für einige Strategie. Ghost Working beschreibt die bewusste Inszenierung von Beschäftigung, obwohl in Wirklichkeit gar nicht produktiv gearbeitet wird. Eine aktuelle Befragung von Resume Now zeigt: Ghost Working ist längst kein Randphänomen mehr, sondern Teil moderner Arbeitskulturen.

Wie weit verbreitet ist Ghost Working?

Die amerikanische Studie zeichnet ein deutliches Bild: 58 Prozent der Arbeitnehmer:innen in den USA geben offen zu, regelmäßig so zu tun, als wären sie beschäftigt. Weitere 34 Prozent praktizieren das zumindest hin und wieder. Die Strategien reichen dabei von kreativ bis teilweise fast absurd:

  • 23 Prozent laufen mit Notizblock durchs Büro, nur um beschäftigt zu wirken.
  • 22 Prozent tippen wahllos auf der Tastatur herum, ohne echten Inhalt.
  • 15 Prozent halten ein Telefon am Ohr, obwohl niemand am anderen Ende ist.
  • Zwölf Prozent blocken sich ihren Kalender mit fingierten Meetings.
Auf diese Arten und Weisen betreiben Beschäftigte Ghost Working, © Resume Now
Auf diese Arten und Weisen betreiben Beschäftigte Ghost Working, © Resume Now

Was zunächst belustigt, offenbart bei genauerem Blick strukturelle Probleme: Beschäftigte fühlen sich häufig unter Beobachtung, aber gleichzeitig ohne klare Prioritäten. Doch warum betreiben Angestellte überhaupt Ghost Working? Die Gründe liegen nicht einfach in der Faulheit der Beschäftigten, sondern haben tiefere Ursachen. Laut der Studie fehlen Beschäftigten häufig Aufgaben oder sie fühlen sich in ihrer Arbeit zu monoton. Dazu kommen häufig unklare Erwartungen oder mangelnde Führung. Einige haben allerdings auch Angst, ständig Leistung zeigen und produktiv wirken zu müssen, weshalb sie dann lieber irgendetwas tun, anstatt einfach im Bürostuhl zu sitzen. Ghost Working wird also ironischerweise genutzt, um nicht negativ aufzufallen – oder schlicht, um die Uhr schneller voranschreiten zu lassen.

92 Prozent haben während der Arbeitszeit bereits nach neuen Jobs gesucht

Des Weiteren wird die Zeit auf der Arbeit gerne auch für andere Dinge genutzt. So gaben 92 Prozent der Befragten an, während ihrer Arbeitszeit schon mal nach neuen Jobs gesucht zu haben. 55 Prozent tun dies sogar regelmäßig. Zudem bearbeiten 24 Prozent ihren Lebenslauf im Büro, 23 Prozent bewerben sich direkt vom Firmenrechner aus und 20 Prozent führen Telefonate mit Recruitern während der eigentlichen Arbeitszeit. Ein Fünftel der Beschäftigten schleicht sich sogar für Vorstellungsgespräche während der Arbeitszeit davon.


Aktivität ist nicht Produktivität –

jede:r vierte Angestellte nimmt Fauxductivity wahr

Aktivität ist nicht Produktivität – jede:r vierte Angestellte nimmt Fauxductivity wahr
© fauxels – Pexels


An welchem Arbeitsort ist das Ghost-Working-Risiko am Größten?

Doch wo arbeiten Menschen eigentlich konzentrierter – in den eigenen vier Wänden oder im Firmengebäude? Die Antwort fällt überraschend uneindeutig aus, denn Ablenkung kennt keinen festen Arbeitsplatz. Fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) gibt an, im Home Office deutlich häufiger die Konzentration zu verlieren. Doch auch das Büro wird nicht als Hort der Produktivität wahrgenommen: 37 Prozent sehen gerade dort die größten Zeitfresser, während 16 Prozent keinen spürbaren Unterschied zwischen beiden Arbeitsformen empfinden.

Während am heimischen Arbeitsplatz vor allem private Störquellen wie laute Mitbewohner:innen, fordernde Familienmitglieder, technische Probleme oder spontane Haushaltsnotfälle den Arbeitsfluss behindern, sieht es im Büro ganz anders aus. Dort sind es meist Kolleg:innen, Geräuschkulissen, Unterbrechungen durch Vorgesetzte oder informelle Gespräche, die den Fokus rauben. Das zeigt: Die Umgebung mag sich ändern, doch der Ablenkungsfaktor bleibt. Entscheidend ist nicht, wo gearbeitet wird, sondern ob Rahmenbedingungen geschaffen werden, die tiefes, konzentriertes Arbeiten überhaupt ermöglichen.

Hilft Überwachung gegen Ghost Working?

Doch wie können Arbeitgeber:innen Ghost Working verhindern? Tatsächlich glauben 69 Prozent der Arbeitnehmer:innen, dass eine engere Überwachung ihrer Bildschirmaktivitäten sie zu mehr Produktivität motivieren würde. Doch diese Zahl ist mit Vorsicht zu behandeln. Denn ein nicht zu unterschätzender Teil gesteht gleichzeitig, schlicht neue Wege zu finden, sich dennoch eine Pause zu gönnen – ganz egal, wie streng die digitale Überwachung ausfällt. Faktoren wie Ghost Working tragen deshalb auch dazu bei, dass Unternehmen zusehends mehr Aufgaben an KI-Dienste auslagern, um mehr Effizienz zu erzielen. Im Gegensatz zu Menschen brauchen Maschinen keine Pause und bringen weder Verzögerungen noch Tricks in den Arbeitsalltag.

Damit wird deutlich: Kontrollmechanismen können zwar kurzfristig Druck ausüben und den Anschein von Effizienz verstärken, aber sie lösen nicht die Ursachen des Ghost Workings. Wo innere Motivation fehlt, Ziele unklar bleiben oder der Sinn der eigenen Tätigkeit verschwimmt, wird auch das beste Monitoring wenig bewirken. Wirkliche Verbesserung entsteht erst, wenn Vertrauen, Wertschätzung und Verantwortungsfreiraum im Mittelpunkt stehen, statt bloß das Protokollieren von Klicks und Bildschirmzeit. Zudem verlieren Arbeitgeber:innen das Vertrauen ihrer Angestellten, wenn die Überwachung zu streng wird.

Wie können Arbeitgeber:innen gegen Ghost Working vorgehen?

Ghost Working ist kein individuelles Fehlverhalten – sondern ein kulturelles und organisatorisches Symptom. Unternehmen sollten daher nicht bloß Symptome bekämpfen und die Überwachung erhöhen, sondern Ursachen hinterfragen. Mögliche Lösungsansätze wären unter anderem:

  • Klare Ziele formulieren statt reiner Präsenzkultur
  • Autonomie und Vertrauen fördern
  • Sinnvolle Aufgaben und Entwicklungsmöglichkeiten bieten
  • Offene Kommunikation über Arbeitslast und Erwartungen
  • Weniger Meetings, mehr Fokus fördern
  • Unterstützung anbieten, abhängig vom Arbeitsmodell (Office vs. Remote)

Wenn Beschäftigte an etwas arbeiten, das ihnen wichtig erscheint, verschwindet der Drang, nur so zu tun, als wären sie beschäftigt. Die Herausforderung für Unternehmen besteht deshalb darin, wieder echte Produktivität zu ermöglichen, jenseits von Scheinaktivität und digitalem Herumklicken. Denn wer ständig so tut, als hätte er oder sie etwas zu tun, verliert irgendwann nicht nur Motivation, sondern auch den Bezug zum Sinn der eigenen Arbeit.


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