Human Resources
Was ist Job Hugging? Warum viele Zufriedenheit auf der Arbeit vortäuschen – und was dahintersteckt

Was ist Job Hugging? Warum viele Zufriedenheit auf der Arbeit vortäuschen – und was dahintersteckt

Marié Detlefsen | 29.08.25

Immer mehr Beschäftigte klammern sich an ihre Jobs – nicht aus Leidenschaft, sondern aus Angst vor einem unsicheren Arbeitsmarkt. Erfahre, was es mit dem neuen Job Hugging-Phänomen auf sich hat.

In den sozialen Medien macht derzeit ein neuer Begriff die Runde: Job Hugging. Was auf den ersten Blick nach liebevoller Zuneigung zum Arbeitsplatz klingt, ist in Wahrheit ein Symptom wirtschaftlicher Unsicherheit. Immer mehr Arbeitnehmer:innen halten an ihrem Job fest – nicht unbedingt, weil sie ihn lieben, sondern weil der Arbeitsmarkt angespannt ist und Alternativen fehlen. Doch wie genau „umarmt“ man den Job und was versuchen Mitarbeitende dadurch zu erreichen?

Was bedeutet Job Hugging?

Job Hugging beschreibt das Verhalten von Beschäftigten, die demonstrativ oder innerlich an ihrem Arbeitsplatz festhalten. Auf TikTok und Instagram umarmen junge Menschen symbolisch ihre Bürostühle oder Drucker und feiern augenzwinkernd ihre angebliche Begeisterung für die Arbeit. Doch hinter der Fassade steckt selten echte Leidenschaft: Es geht vielmehr um die Angst, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und sinkender Jobangebote ohne sicheren Halt dazustehen.

Besonders in Ländern wie Österreich und den USA ist der Trend sichtbar. Die Arbeitslosenquote ist gestiegen, gleichzeitig werden weniger Stellen ausgeschrieben. In einem Umfeld, in dem Arbeitgeber:innen wieder mehr Macht haben, scheint das Risiko eines Jobwechsels vielen schlicht zu hoch.

Warum Arbeitnehmer:innen zu Job Hugging greifen

Die Gründe, warum sich viele Beschäftigte derzeit an ihren Arbeitsplatz klammern, liegen vor allem in dem Wunsch nach Sicherheit. Ein Jobwechsel, der in der Vergangenheit oft mit besseren Gehaltsaussichten verbunden war, erscheint heute riskanter denn je. Wer seine Stelle verliert, muss mit langen Bewerbungsphasen rechnen, in denen es schwer ist, eine gleichwertige Position zu finden. Gleichzeitig sorgt die wirtschaftliche Unsicherheit dafür, dass viele lieber im vertrauten Umfeld bleiben und darauf hoffen, sich intern weiterentwickeln oder neue Aufgaben übernehmen zu können, anstatt ins Ungewisse zu springen. Job Hugging ist daher selten Ausdruck echter Jobliebe, sondern vielmehr eine pragmatische Reaktion auf einen Arbeitsmarkt, der den Beschäftigten aktuell nur wenige Alternativen bietet.

Die Schattenseiten des Job Hugging

So nachvollziehbar das Festhalten am Arbeitsplatz ist, bringt es doch einige Risiken mit sich:

  • Stillstand beim Gehalt: Wer den Job nicht wechselt, verpasst die Chance auf Gehaltssteigerungen, die bei neuen Arbeitgeber:innen oft leichter zu erreichen sind.
  • Gefahr der Bequemlichkeit: Wenn man sich nur noch festklammert, geht die Bereitschaft verloren, Verantwortung zu übernehmen oder sich weiterzuentwickeln.
  • Blockierter Arbeitsmarkt: Wenn weniger Menschen Stellen wechseln, entstehen auch für Berufseinsteiger:innen oder Quereinsteiger:innen weniger Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt.

Auch Unternehmen zahlen einen Preis. Zwar freuen sie sich kurzfristig über stabile Belegschaften, doch wenn Mitarbeitende nur bleiben, weil sie Angst haben, sinken Motivation, Kreativität und Innovationskraft. Dies kann unter anderem zu Quiet Quitting oder sogar zu Quiet Cracking führen. Mehr dazu erfährst du im folgenden Artikel:


Von Quiet Quitting zu Quiet Cracking:

Warum Arbeitnehmer:innen nicht mehr kündigen, sondern leiden

Von Quiet Quitting zu Quiet Cracking: Warum Arbeitnehmer:innen nicht mehr kündigen, sondern leiden
© Katrin Bolovtsova – Pexels


Wann Job Hugging sinnvoll sein kann

Job Hugging muss nicht zwangsläufig negativ sein, sondern kann in bestimmten Situationen sogar eine sehr kluge Entscheidung darstellen. Gerade dann, wenn die eigene Branche instabil ist und ein sicherer Arbeitsplatz Halt gibt, kann das Festhalten am Job sinnvoll sein. Auch wenn ein Unternehmen attraktive Zusatzleistungen wie eine gute Krankenversicherung oder familienfreundliche Benefits bietet, lohnt es sich oftmals, den Arbeitsplatz nicht leichtfertig aufzugeben.

Darüber hinaus kann es strategisch klug sein, in der aktuellen Position zu bleiben, wenn sich dort wertvolle Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten ergeben, die die eigene Karriere langfristig stärken. In solchen Fällen ist Job Hugging weniger ein Ausdruck von Angst, sondern vielmehr eine bewusst gewählte Zwischenstation: Man sammelt Erfahrungen, baut Kompetenzen auf und wartet den richtigen Moment ab, um den nächsten Karriereschritt zu gehen.

Sicherheit oder neue Perspektiven?

Die entscheidende Frage lautet: Halte ich fest, um zu wachsen, oder nur aus Angst? Wer ehrlich zu sich selbst ist, kann die Richtung erkennen. Es kann hilfreich sein, sich bei dieser Entscheidung folgende Fragen zu stellen:

  • Fördert mich mein Job noch oder lähmt er mich?
  • Bleibe ich, weil ich Chancen sehe – oder weil ich mir keine Alternativen vorstellen kann?
  • Gebe ich weiterhin mein Bestes – oder bin ich längst innerlich ausgestiegen?

Job Hugging ist dann sinnvoll, wenn es Sicherheit und Perspektive zugleich bietet. Wird es jedoch zum Dauerzustand, kann es zur Falle werden – für Arbeitnehmer:innen wie für Unternehmen. Für viele ist es eine rationale, manchmal sogar clevere Entscheidung. Doch langfristig darf es nicht in Angststarre münden – sonst erstickt es sowohl individuelle Entwicklung als auch unternehmerische Dynamik.


95 Prozent der Arbeitnehmer:innen belastet:

Warum die Arbeitswelt ein Mental-Health-Problem hat

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© Andrew Neel – Pexels

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