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SXSW 2023: Die Zukunft ist jetzt
© Erik Janshon, ARTUS interactive

SXSW 2023: Die Zukunft ist jetzt

Ein Gastbeitrag von Patrick Benner | 23.03.23

Kein Thema war auf der SXSW 2023 so präsent wie Künstliche Intelligenz. Doch wie man mit dieser umgehen soll, darüber ist man sich uneins und unsicher. Dies sind einige der wichtigsten Thesen der diesjährigen SXSW im Überblick.

Die SXSW steht seit jeher für Trends und Hypes: Sei es Blockchain, NFTs oder Metaverse – jedes Jahr wurde ein Next Big Thing diskutiert, das in Zukunft alles umkrempeln wird, nur um sich dann häufig im nächsten Jahr dem nächsten Hype zu widmen. Dieses Jahr war es anders: Mit ChatGPT war der Hype längst da und es wurde versucht, pragmatische Lösungsansätze für den Umgang mit AI zu finden.

Das Austin Convention Center
Das Austin Convention Center, © Erik Janshon, ARTUS interactive

Viele offene Fragen von Open AI President Greg Brockman

Der spannendste Gast zum Thema kam als Ersatzmann, denn den eigentlichen Star von Open AI bekamen die für die SXSW-Programmplanung Verantwortlichen angeblich nicht zu fassen. Und so musste statt OpenAI CEO Sam Altman eben President Greg Brockman auf die Bühne. Diese nutzte er in erster Linie, um von der Produktentwicklung, den aufwendigen Testzyklen und Betaphasen zu berichten. So lange es um technische Details ging, sprach Brockman mit leuchtenden Augen und Begeisterung.

Bei den wirklich wichtigen, nämlich den ethischen Fragen, ergab sich jedoch eine Lücke. Wie geht man damit um, dass ChatGPT falsche Informationen als echt ausweist? In wie weit müssen die Antworten ethisch vertretbar sein? Was ist mit Copyright? Oder dass derzeit viele Menschen um ihre Jobs fürchten? Wo bekommt die AI überhaupt ihre Daten her und wie wird sie trainiert?

Brockman selbst schien persönlich keinen Anlass zur Sorge zu sehen: Menschen machen schließlich auch mal Fehler und die Jobs seien insgesamt sicher. Aber natürlich seien noch einige Fragen zu lösen – die Antwortpflicht bei Open AI sieht er dagegen selten. Man könne sich allerdings vorstellen, in naher Zukunft Philosoph:innen einzustellen, die sich diesen Fragen widmen. Fragt sich, warum das nicht schon längst passiert ist.

AI verbreitet Freude und braucht menschlichen Input

Bei der Arbeitsplatzthematik sprang ihm John Maeda, Vice President of Design und AI bei Microsoft, zur Seite. Nicht Jobs gehen verloren, sondern Aufgaben, und zwar jene, die – ganz im Sinne von Marie Kondo – keine Freude bereiten. Statt uns selbst damit herumzuplagen, den Kalender zu managen, Powerpoints zu erstellen oder unwichtige Mails zu beantworten, kann zukünftig eine AI den ganzen lustlosen Kram erledigen. Wir fokussieren uns derweil auf die wichtigen Dinge: Entscheiden, Beziehungen aufbauen und pflegen, lernen oder Strategien entwickeln und kreativ sein. Laut Maede kann AI uns dabei helfen, bessere Menschen zu werden.

Eine Session bei der SXSW 2023
Eine Session bei der SXSW 2023, © Erik Janshon, ARTUS interactive

Auch Gründer der Non-Obvious Company und Innovationsexperte Rohit Bhargava und Trendforscher Henry Coutinho-Mason vertraten mit ihren non-obvious Trends einen optimistischen, praktischeren Umgang mit neuen Technologien. Sie sind der Meinung, dass wir Technologien positiv nutzbar machen sollten: Smartwatches können uns bald über Prädiabetes warnen, Chatbots Depressionen entgegensteuern – selbst Psychotherapeutin und New York Times Bestseller-Autorin Esther Perel wirkte von den Fähigkeiten einer Esther AI auf den ersten Blick nicht ganz unbeeindruckt. Ein weiteres Beispiel für positiv nutzbare Technologie verbanden Bhargava und Coutinho-Mason mit einer spannenden Ankündigung: Beide werden in naher Zukunft die erste Keynote halten, die simultan in 71 Sprachen verfügbar sein wird – durch eine AI, die auf ihre Stimmen trainiert wurde.

Die AISMOSIS steht kurz bevor

Gewohnt mahnend war Amy Webbs, Futuristin und alljährlicher Star der SXSW, Blick auf die neuen Technologien und unsere Zukunft. Laut ihr stehen wir kurz vor der AISMOSIS, dem Tag, an dem Künstliche Intelligenz mit allen Daten des Internets uneingeschränkt und übergreifend interagieren kann. Die Konsequenz:

Nicht mehr wir durchsuchen das Internet, das Internet durchsucht uns!

Eine Entwicklung, die laut Webb parallel zum Web3 einhergeht und daher auch teilweise dezentral stattfinden werde. Allerdings werden in Gänze nur die großen Tech-Companies davon profitieren, da sie über die benötigten Rechenzentren verfügen.

Die Regulierungsbehörden werden sehr spät zur Party erscheinen,

prognostiziert sie. Und bis dahin könne man sich nicht auf Selbstregulierung durch Firmen wie Open AI verlassen. Deren Unternehmenslenkende wiesen nämlich bereits vor Jahren in einer Pressemeldung auf die Auswirkungen von generativer AI hin – was sie nicht davon abhielt, ihr Produkt einfach auf den Markt zu bringen. Seit Jahren wird – auch und besonders auf der SXSW – davor gewarnt, dass ein ethischer Umgang mit Künstlicher Intelligenz gefunden werden muss. Webb macht deutlich, dass außer Warnungen bis jetzt nichts passiert ist und es umso wichtiger ist, schnell zu handeln.

Bei Amy Webb schwingt im Subtext mit, dass AI auch eine Vorbildfunktion einnehmen könnte, was bis dato nicht der Fall ist. Deutlich macht dies ein Beispiel, in dem Webb DALL-E bat, Bilder eines CEOs zu generieren. Das Ergebnis: Vier unterschiedliche Versionen eines alten, weißen Mannes im Anzug. Selbst nach mehreren Anpassungen des Prompts ließ sich die KI nicht davon überzeugen, dass ein CEO auch eine Frau sein könnte.

Technologie hat uns still und heimlich überholt

Neben dem gefühlten Hauptthema AI spielte auch das Web 3 eine Rolle, dessen großes Hype-Potential schien jedoch ein bisschen verflogen. Während in den letzten Jahren Themen wie Kryptowährungen noch dazu geeignet schienen, die gesamte Finanzwelt auf den Kopf zu stellen, sieht Bloggerin Molly White darin nur noch das Versprechen, möglichst schnell reich zu werden. In ihrem Blog „Web 3 Is Going Just Great“ sammelt sie Fälle, wo die Dinge rund um Blockchains, Krypto und Web 3-Technologie nicht ganz so gut laufen, wie es uns manchmal glauben gemacht werden soll. Und auch sie sieht eine Veränderung zum Internet wie wir es kennen: Ein gemeinnütziges Projekt wie Wikipedia könnte laut White heute wohl nicht mehr entstehen.

Nie zuvor hat sich die SXSW so sehr mit der Gegenwart beschäftigt wie in diesem Jahr. AI wurde in vergangenen Konferenzen immer als die Zukunft angepriesen, und die AI, die seit Jahren im Gebrauch ist, als Machine Learning abgetan. Mit ChatGPT war diese Zukunfts-AI nun endlich da. Die Technologie hat sich im letzten Jahr an uns vorbei entwickelt und es liegt nun an uns, diese wieder einzuholen und einen menschlichen Umgang mit ihr zu finden. Oder wie es die New Wave Band New Order formulierte:

The machines are not making the music. If you put cold music in, you get cold music out!


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