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Vor US-Wahl: Facebook plant Eingriff in den News Feed im Falle eines Content-Chaos

Vor US-Wahl: Facebook plant Eingriff in den News Feed im Falle eines Content-Chaos

Niklas Lewanczik | 26.10.20

Sollten sich die Ereignisse während und nach der US-Wahl überschlagen, möchte Facebook vorbereitet sein. Mit Tools, die sonst in Sri Lanka und Myanmar eingesetzt werden.

Facebook bereitet sich Medienberichten zufolge darauf vor, im Zuge der US-Präsidentschatfswahlen kommende Woche die zu erwartende Content-Flut auf der Plattform einzudämmen – und im Kontext politischer Botschaften womöglich auch deeskalierend zu agieren. Dazu sollen die Teams auf ein Tool Kit zugreifen, das für gewöhnlich in Ländern wie Myanmar oder Sri Lanka – die Facebook selbst als „At risk“ einstuft – eingesetzt wird. Wie das Wall Street Journal berichtet, könnte Facebook mit diesen Tools die Verbreitung von viralem Content zur Wahl verlangsamen und potentiell aufwieglerische Posts schneller entfernen.

Einsatz der Facebook Tools nur bei schlimmen Umständen

Das renommierte Wall Street Journal beruft sich auf Personen, die mit Facebooks Planungen zur US-Wahl beschäftigt sind. Hochrangige Mitarbeitende dieser Riege geben dem Publisher zufolge an, dass die Tools, die ein mögliches Content-Chaos auf der Plattform regulieren könnten, nur eingesetzt werden, sollten die Umstände es zulassen, also wenn es zu einer prekären Situation kommt. Doch auch auf diese Eventualität möchte das soziale Netzwerk vorbereitet sein.

Sollten die Tools eingesetzt werden, könnten Millionen von US-amerikanischen Usern anderen Content auf Facebook sehen als jenen, der ohne den Tool-Einsatz auftauchen würde. Denn die Mitarbeitenden berichten gegenüber dem Wall Street Journal von verschiedenen Optionen zur Content-Regulierung. So könnte die Schwelle, ab der Content von Facebooks Algorithmus als gefährlich eingestuft wird, herabgesetzt werden. Außerdem könnte Facebook seinen News-Feed-Algorithmus kurzfristig anpassen, sodass User bestimmte Inhalte nicht oder erst später sehen. Denn auch Posts, die unter anderen Umständen viral gehen würden, ließen sich in ihrer Verbreitung verlangsamen.

Diese möglichen Eingriffe könnten von Beobachtern als Zensur einer politischen Diskussion betrachtet werden. Dabei möchte Facebook in der Regel auch kritische Stimmen auf seiner Plattform nicht unterdrücken – wofür das Unternehmen im Kontext nicht gesperrter herabwürdigender Inhalte schon häufig in der Kritik stand. Doch insbesondere im Rahmen der US-Wahlen in diesem Jahr hat Facebook CEO Mark Zuckerberg bereits angekündigt, dass auf der Plattform mehr zur Content-Regulierung initiiert wird:

This does not reflect a shift in our underlying philosophy or strong support of free expression. What it reflects is, in our view, an increased risk of violence and unrest, especially around the elections, and an increased risk of physical harm, especially around the time when we expect COVID vaccines to be approved over the coming months.

Facebooks Vorbereitungen: Lehren aus den Wahlen 2016

Facebook möchte laut Zuckerberg kein „Schiedsrichter der Wahrheit“ sein. Die anstehenden Wahlen rufen aber Sorgen hervor, dass es auf der Plattform zu geballten Desinformationen und Hate Speech kommen könnte. Zudem hat Facebook mit der öffentlichen Anschauung zu kämpfen, bei den vergangenen US-Wahlen im Jahr 2016 als Plattform für manipulative Social-Media-Strategien gedient zu haben. Daher bereitet sich das Unternehmen schon seit geraumer Zeit darauf vor, den Content zu den US-Wahlen 2020 transparent zu machen und Desinformationen möglichst einzudämmen. Gegenüber dem Wall Street Journal erklärt Facebook-Sprecher Andy Stone:

We’ve spent years building for safer, more secure elections. We’ve applied lessons from previous elections, hired experts, and built new teams with experience across different areas to prepare for various scenarios.

Facebook, das monatlich 2,6 Milliarden aktive User aufweist – davon deutlich über 200 Millionen in den USA –, wird ein großer Einfluss auf politische Entwicklungen attestiert. Bei den Ausschreitungen gegen Muslime in Sri Lanka 2018 oder bei der Verfolgung der Rohingya in Myanmar spielte die Plattform eine Rolle als Vermittler und Beschleuniger von Hate Speech und politisch oder religiös motivierter Gewalt. Der Verantwortung, die Facebook aufgrund seiner immensen Macht hat, dürfte sich das Unternehmen bewusst sein. Daher werden die Tools zur Content-Regulierung kurz vor den US-Präsidentschaftswahlen nun auf Standby gestellt; und Facebook muss sich eingestehen, dass einige Inhalte schlichtweg entfernt oder eingedämmt werden müssen. Andernfalls setzt sich die Plattform der Gefahr aus, als Brandbeschleuniger bei etwaigen politischen Unruhen, die sich in sozialen Medien widerspiegeln, zu fungieren. Allerdings bleibt zu hoffen, dass Facebook die genannten Tools gar nicht einsetzen muss; dass das Unternehmen die USA im Kontext der Wahlen aber implizit als „At risk“ einstuft, ist bezeichnend für die nervöse Erwartungshaltung im Vorwege dieser Wahlen.

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