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Social Media Marketing
Hat Facebook seinen Zenit überschritten? – Interview mit Sven Schmidt
Sven Schmidt auf dem OMR Festival 2018 © T. Bauer | OnlineMarketing.de

Hat Facebook seinen Zenit überschritten? – Interview mit Sven Schmidt

Tina Bauer | 27.11.18

Facebook hat ein Jahr voller Skandale und Negativ-PR hinter sich. Wie ist es um die Zukunft des Ur-Social Networks bestellt? Venture Capital-Experte Sven Schmidt gibt eine Einschätzung ab.

2018 dürfte Facebook auf ewig in Erinnerung bleiben. War das Soziale Netzwerk seit 2004 unangefochtener Platzhirsch im Social-Kosmos, bröckelt die Vorherrschaft allmählich. Ein Skandal folgt dem nächsten, die EU hat ein Auge auf die Plattform geworfen und das wirkt sich unweigerlich auf das Wachstum aus. Ist das der Anfang vom Ende einer der größten Werbeplattformen unserer Zeit? Als VC-Experte hat Sven Schmidt schon viele Unternehmen kommen und gehen sehen. Deshalb haben wir mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der ICS Internet Consumer Services und dem Geschäftsführer von Maschinensucher.de, über die Zukunft Facebooks gesprochen. Auch wenn dem Netzwerk wohl keine rosigen Zeiten bevorstehen, hat das Zuckerberg-Imperium gut vorgesorgt.

Facebook hat ein gutes Real Estate auf den Devices der Nutzer geschaffen 

OnlineMarketing.de: 2018 war für Facebook nicht das beste Jahr. Ein Skandal folgt dem nächsten und das Wachstum der Plattform blieb hinter den Erwartungen zurück. Wie lange gibst du dem sozialen Netzwerk Facebook noch?

Sven Schmidt: Als Folge der Skandale stehen für Facebook drei Gefahren im Raum: Erstens kann es zu einer stärkeren Regulierung oder auch Zerschlagung kommen, zweitens ist es möglich, dass Nutzer sich abwenden. Und drittens können Marketeers ihre Budgets anderweitig allozieren. Für letztere ist es jedoch ausschlaggebend, dass die Budgets da ausgegeben werden, wo sie einen Return bringen. Geld wird da ausgegeben, wo ich skalieren kann, also Google, Facebook oder Amazon. An Facebook führt für Marketeers also noch lange kein Weg vorbei. Dass Nutzer sich abwenden und auch Kampagnen gegen bestimmte Netzwerke starten, hat es schon häufiger gegeben, der Impact war bisher allerdings nicht sehr groß. Die bisherigen Skandale haben nicht viel an der Nutzung Facebooks geändert. Die größte Gefahr für die Plattform sehe ich in einer Regulierung oder Zerschlagung. Und wenn der Datenschutz heftiger wird, profitieren Google und Facebook. Denn die können sich die Anwälte leisten, um die Regularien zu umgehen. Datenschutz führt unweigerlich zu einer Bevorteilung der Big Player, während kleinere Unternehmen schauen müssen, wo sie bleiben.

Facebook verliert in Europa Millionen von Nutzern und auch im wichtigsten Markt, den USA, wird das Netzwerk für jüngere Zielgruppen zunehmend irrelevanter. Müssen Marketer sich auf ein Leben nach Facebook einstellen?

Sven Schmidt: Ja. Und das Leben heißt WhatsApp und Instagram. Zwar verliert Facebook junge Nutzer, aber die wandern zu Instagram ab. Im Grunde kann es Facebook daher egal sein, Hauptsache die Plattformen, zu denen die Nutzer wandern, gehören dem Zuckerberg-Konzern. Und da hat man mit den Übernahmen bisher sehr gute Arbeit geleistet. Die Monetarisierung ist auf Facebook zwar am ausgereiftesten, es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis Instagram nachzieht.

Welche Alternativen bieten sich Marketeers zur Zeit?

Sven Schmidt: Wenige. Klar, Google. Und immer stärker Amazon für Händler und Marken. Facebook hingegen ist sehr breit aufgestellt. Die jungen Nutzer wandern nicht zu Snapchat ab, sondern zu Instagram. Die Snap-Aktie ist in die Knie gegangen, während der Facebook-Konzern besser dasteht.

Facebook investiert merklich in die Monetarisierung seiner anderen Plattformen, wie der Messenger App oder Instagram. Kannibalisiert der Konzern damit sein eigenes Zugpferd?

Sven Schmidt: Mark Zuckerberg ist emotionslos, manche bezeichnen ihn als Roboter. Daher dürfte ihm ein potentieller Niedergang Facebooks egal sein – er hat ja gut eingekauft und damit vorgesorgt. Jüngst wurde nun der Messenger von der Facebook App getrennt, das heißt, er hat jetzt vier einzelne Apps und damit ein relativ ausgeprägtes Real Estate auf den Smartphones der Menschen. Auch wenn Facebook sein ursprüngliches Baby ist, geht es ihm am Ende darum, wie er in der Summe positioniert ist.

Social Media hat sich von der Verbindung von Freunden zu einem komplexen, milliardenschweren Medium evolutioniert. Der Markt ist nahezu übersättigt, was haben wir in den kommenden Jahren zu erwarten? Hat Social Media in der Form, wie wir es kennen, ausgedient?

Sven Schmidt: Nein. Der Markt ist noch lange nicht übersättigt und wird weiterwachsen. Die jetzigen Generationen sind mit Instagram und Co. aufgewachsen. Die Nutzung sozialer Medien ist für sie selbstverständlich, sie nutzen Social Media stärker und anders als die älteren. Während die älteren sich beim Teilen von Inhalten noch stark zurückhalten, teilen Jugendliche heute fast alles aus ihrem Leben. Für sie ist eine in unseren Augen enthemmte Nutzung völlig normal.

Welche Marketing Trends werden Facebook in 2019 dominieren?

Sven Schmidt: Wir haben eine stärkere Monetarisierung von WhatsApp und Instagram zu erwarten. In der Folge wird die Reichweite auf Instagram kostenintensiver für Werbetreibende. Dass Influencer Geld am Facebook-Konzern vorbei verdienen, wird Zuckerberg selbstverständlich auch stören und es wird daher sicherlich bereits an Lösungen gearbeitet. Während Plattformen wie Instagram oder Facebook auf One-to-Many-Kommunikation basieren, verhält es sich bei WhatsApp anders: Hier haben wir es mit einer One-to-One-Kommunikation zu tun und auch hier wird es erste Gehversuche mit Werbung geben, erst auf bewährten Testmärkten wie Kanada oder Australien. Das wird in der Form passieren, dass der Content ausgelesen wird, um darauf basierend Werbung zu schalten. Hier kommen aber wieder die Themen Datenschutz und Privatsphäre ins Spiel. Facebook wird sein Targeting weiter ausfeilen und in diesem Zusammenhang auch daran arbeiten, es weiterhin in DSGVO-Grauzonen zu ermöglichen. Steckt das Netzwerk weitere Investitionen in das Targeting, steigt der TKP für Werbetreibende. Ansonsten wird es im kommenden Jahr nicht viel Neues von der Facebook-Front geben.

Mit welchen Regulierungen ist in naher Zukunft seitens der EU nicht nur gegenüber Facebook sondern ganz GAFA betreffend zu rechnen?

Sven Schmidt: Die EU wird hoffentlich allen Vieren verstärkt auf die Finger schauen. Facebook jedenfalls wird Schwierigkeiten haben, weitere Übernahmen zu tätigen. Der Kauf von WhatsApp würde beispielsweise aktuell nicht genehmigt werden. Dass eine stärkere Regulierung kommt, steht fest. Daher wird Facebook für Themen wie Lobbyismus in Zukunft auch mehr Geld ausgeben. Ein Beispiel für eine solche Arbeit liefert der Konzern ja mit der von der New York Times aufgedeckten Kooperation mit Definers Public Affairs (Anm. d. Red.: Die Agentur ist dafür bekannt Kritiker und Konkurrenz zu diskreditieren, um das Image des Kunden aufzupolieren).

Zusammenfassend kann man also sagen, dass in den nächsten zwei Jahren eine stärkere Regulierung seitens der EU zu erwarten sein, es keine weiteren Übernahmen seitens Facebook geben und die Monetarisierung Instagrams stärker im Fokus stehen wird.

Danke dir für das Interview!

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