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Social Media Marketing
Aus Virals lernen – die neue Art des Video Advertisings

Aus Virals lernen – die neue Art des Video Advertisings

Ein Gastbeitrag von Andreas Groke | 04.03.19

Ein Video, das wie von selbst ein Millionenpublikum begeistert und ganz nebenbei einen Zweck erfüllt: Das wünscht sich das Online Marketing. Doch wie geht sowas?

Clips mit Millionenpublikum und langer Watchtime gehören im Marketing zur Königsdisziplin. Die sogenannten Virals, die sich wie ein Lauffeuer in der Onlinewelt selbst verbreiten und die Zielgruppe mühelos erreichen sollen, gehören zum Traum eines jeden Werbetreibenden und sind nicht selten Bestandteil von Briefings und Aufgabenstellungen, mit welchen sich Kreative konfrontiert sehen. Währenddessen soll eine Markenbotschaft oder Handlungsaufforderung – und am liebsten beides – authentisch und treffsicher mitschwingen, ohne das Vergnügen zu trüben. Doch ist das jenseits nennenswerter Media-Budgets überhaupt möglich? Grokes Antwort: Nein, so einfach ist es nicht.

Social Algorithmen lieben Tastemaker

Um hohe Viewzahlen zu erzielen, muss das Video zunächst von den Social Algorithmen als relevant für die jeweilige Zielgruppe eingestuft werden. Dies gilt es als Advertiser gegenüber den Algorithmen aber erst einmal zu beweisen, indem bei der Zielgruppe gute Benchmarks in Bezug auf Viewrate und Watchtime erzielt werden. Darum sprechen wir auch nicht mehr von einer generischen Audience, sondern von Tastemakern. Aber welche Kriterien muss ein Video erfüllen, um die Zielgruppe glücklich zu machen und zum maximalen Dranbleiben über mehrere Minuten hinweg zu verleiten? Es werden fünf Kategorien von Jobs oder Momenten unterschieden, die gute Marketing Videos erfüllen können. Je mehr Jobs gleichzeitig abgedeckt werden, desto besser die Viewrates und Watchtime.

Die 5 Jobs der Virals

1. Humor
Job Eins scheint auf den ersten Blick am leichtesten erfüllbar: Das Video bringt den Zuschauer zum Lachen, unterhält und macht Spaß. Lustige Videos werden am häufigsten geteilt, denn mit anderen Menschen gemeinsam lachen zu können, ist ein Grundbedürfnis.

2. Let me see me
Job Zwei ist schon anspruchsvoller, denn er führt für einen Moment zur Selbsterkenntnis: „This is so me!“ Gemeint sind Inhalte, die Identität stiften und Empathie transportieren. Der Zuschauer sieht sich selbst in einer Gewohnheit oder Erfahrung gespiegelt, fühlt sich unter Umständen sogar ertappt und identifiziert sich mit der zu transportierenden Idee.

3. This is us!
Job Drei spinnt diesen Gedanken weiter und zielt auf Verbindung ab. Neben der persönlichen Identifikation mit den Inhalten, tritt ein Wir-Gefühl ein, das den Zuschauer in einer Gemeinschaft verortet. Das fühlt sich gut an und gemeinsame Emotionen oder Unterschiede zu anderen werden sichtbar.

4. How to
Job Vier hilft mit Informationen weiter, gibt Anleitung und liefert einen konkreten Nutzen. Das Publikum bleibt im besten Fall mit dem Gefühl zurück, wieder etwas gelernt und die eigene Zeit gut investiert zu haben. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Tutorials.

5. Emotions
Job Fünf ermöglicht es dem Zuschauer, Gefühle auszuleben – egal ob Neugierde, Traurigkeit, oder Hochgefühle. Ein aktivierender Effekt wie „Das muss ich haben“ kann bei diesem Job unmittelbar erzeugt werden: Sowohl nach positiven Gefühlen, um diese zu wiederholen, als auch nach negativen, um diese zu vermeiden.

Schlechte Werbung verkürzt die Session-Länge und erhöht damit den CPM

Werden wenige Jobs schlecht erledigt, steigen die Kosten für Ads exponentiell. Bei der Beurteilung des Rankings sprechen Google und Facebook meist von Watchtime, tatsächlich wird aber auch die Session-Länge in die Beurteilung mit einbezogen. Sorgt ein Video also dafür, dass Nutzer länger verweilen und weitere Videos ansehen, wird es hochgestuft. Werbevideos führen hingegen meist zum Abbruch oder einer Verkürzung der Sessions und Werbetreibende müssen infolgedessen mehr bezahlen, um sichtbar zu bleiben – der Tausend-Kontakt-Preis (CPM) steigt also an. Facebook misst diesen Faktor mit dem Relevance Score. Ist der Wert der Watchtime hoch, steigen die Chancen, durch Mediaoptimierung einen hohen Relevance Score zu erreichen und der CPM sinkt. Was der Relevance Score bei Facebook ist, ist bei YouTube die Viewrate: Diese gibt an, wie viele Nutzer die Werbung tatsächlich gesehen, also nicht übersprungen haben. Je höher die Viewrate, desto niedriger der CPV, denn hier greift der gleiche Mechanismus. Die durchschnittliche Viewrate von Preroll Ads liegt beispielweise zwischen 20 und 30 Prozent. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Preis von vier bis sechs Cent pro View. Wenn die Viewrate schlechter ist, steigt der CPV. Das bedeutet: Wenn zwei Marken auf die gleiche Zielgruppe bieten, bekommt die Marke mit der besseren Viewrate unter Umständen schon bei zwei Cent den Zuschlag, während die Konkurrenz sechs Cent zahlen muss.

Der Algorithmus sucht nach Beweisen für das Interesse der Tastemaker

Der Algorithmus braucht einen Proof of Concept und möchte zunächst sehen, ob ein Video für die Tastemaker von Interesse ist. Ein Beispiel ist das bekannte Viral „Charly bit my finger“ – eines der erfolgreichsten Virals der Welt. Nach einer zunächst geringen Aufmerksamkeit im familiären Rahmen, gewann das Video erst dann deutlich an Fahrt, nachdem es durch das Onlinemagazin „College Humor“ geteilt wurde und mehr als die fünf Views aus dem Familienkreis eine gute Watchtime erzielten. Das Interesse dieser Tastemaker veranlasste den Algorithmus, das Ranking anzuheben – sogar Monate nachdem das Video bei YouTube online gestellt wurde. Bei 417 Millionen Views wurde das lustige Baby-Video durch die New York Times aufgegriffen und erhielt neuen Schub. Ohne dem Algorithmus durch eine kritische Masse zu beweisen, dass die Zielgruppe den Content liebt, wird also weder das Ranking angehoben, noch der CPV gesenkt.

Spitze Zielgruppen statt breite Masse

Virals sind Videos, die einen – oder besser noch bis zu fünf gute Jobs machen. Und das für eine große Masse an Menschen. Wer sich den Grad der Herausforderung vergegenwärtigt, begreift sofort: Die Aufgabe ist komplex und nicht selten auch eine Frage des Timings. Wie im echten Leben ist es einfacher und zielführender, eine kleine Gruppe zufriedenzustellen, als alle auf einmal. Vor diesem Hintergrund ist es oftmals sinnvoll, die Zielgruppen herunter zu brechen und Inhalte für jeden einzelnen Teilbereich separat zuzuschneiden. Sogenannte modulare Storylines vermitteln die gleiche Botschaft beispielweise in unterschiedlichen Ansprachen und mit unterschiedlichen Protagonisten. Ein gutes Beispiel dafür, dass es viel zielführender ist einen kleinen Teil von Menschen zufriedenzustellen und zu begeistern, zeigt die sehr erfolgreiche Preroll-Kampagne von Sennheiser, die in einer Interviewreihe bekannte Musikproduzenten portraitierte. Getargetet wurden professionelle Musiker, Produzenten und Soundtechniker, die ihr Interesse mit einer überdurchschnittlichen Viewrate von 87 Prozent bewiesen. Damit war die Sennheiser Kampagne eine der erfolgreichsten bei YouTube und der CPV extrem niedrig.

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