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Branding
Richtige Kundenansprache: Wir brauchen respektvollere Werbung

Richtige Kundenansprache: Wir brauchen respektvollere Werbung

Ein Gastbeitrag von Ari Lewine | 12.12.19

Werbeanzeigen können aufdringlich für Konsumenten und kostspielig für Marken sein - hier einige Vorschläge, wie man dies ändern, und beide Seiten zufrieden stellen kann.

Internetnutzer, die einen Adblocker installiert haben, fühlen sich schon von Bannern gestört. Statt sich dementsprechend etwas anderes einfallen zu lassen, was dem entgegenwirkt, hat die Branche darauf mit noch größeren und aufdringlicheren Formaten reagiert. Es stellt sich die Frage, warum das so ist. Alternativen gibt es schon heute. Beispielsweise in Form von Native Advertising, wovon User, Advertiser und Publisher gleichermaßen profitieren – aber viele sind noch davon überzeugt, dass aggressive Werbung funktioniert. Warum das eine Fehleinschätzung ist, erläutert Ari Lewine, Co Founder und Chief Strategy Officer bei TripleLift, der weltweit größten In Feed Native Advertising Plattform.

Eye Tracking lieferte überraschende Ergebnisse

Eye Tracking liefert sehr gute Erkenntnisse darüber, wie Werbung wahrgenommen wird. Diese Methode liefert in Echtzeit Informationen darüber, welche Elemente einer Website der Nutzer betrachtet. 69 Prozent der User, die bei einem Video vorab eine „Skippable Pre Roll Ad“ präsentiert bekommen, schauen sofort auf den Skip Button. 

Die Aufmerksamkeit gilt somit weder der Marke noch ihrer Message. Aber nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch Emotionen, die sogenannten „Micro Expressions“, kann man messen. Diese lassen Rückschlüsse darauf zu, wie wir Dinge empfinden. Bei der Anwendung dieses „Emotional Trackings“ auf Skippable Pre Roll Ads haben wir in einer Untersuchung festgestellt, dass User zunächst betrübt beziehungsweise unglücklich waren. Erst nach 3,5 Sekunden schwenkte das Gefühl hin zu Freude, ganz knapp bevor es möglich wurde, die Anzeige zu überspringen. 

Wenn es die Möglichkeit gibt, eine Anzeige zu überspringen, wer würde das nicht tun? Wer schaut freiwillig Werbung? Auf der Suche nach einer möglichen Zielgruppe, haben wir uns demografische Daten näher angesehen. Das Einzige, was wir finden konnten: 57 Prozent aller Menschen, die über 55 Jahre alt sind, sehen sich die Werbung trotz Skip-Möglichkeit an.

Darüber hinaus stehen Video Anzeigen vor einer weiteren Problematik. Beim Eye Tracking ließ sich erkennen, dass sich die Nutzer intensiv mit dem Inhalt einer Website auseinandersetzen, die Video Anzeige inmitten eines Feeds komplett ignorieren und einfach darunter weiterlesen. Das heißt selbst, wenn die Anzeige sich im Mittelpunkt der Seite befindet und eigentlich schwer zu ignorieren ist, wird ihr keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet. Dieses Phänomen nennt sich Banner Blindness

Der Begriff Bannerblindheit ist bereits über 60.000 Mal in der akademischen Forschung aufgetaucht, teilweise auch in Form von umfangreichen Studien. Außerdem hat es 36 Publikationen von Forschungsarbeiten in der akademischen Welt gegeben, in denen Bannerblindheit erwähnt wurde. Als wir Präsentationen von Events in der Ad Tech Industry durchgegangen sind, die diese Thematik vor allem betrifft, konnten wir jedoch nicht eine einzige Erwähnung finden.

Marketing Business im Wandel

Um zu verstehen, welche Auswirkungen diese zunehmende Bannerblindheit mit sich bringt, fassen wir mal das Geschäftsmodell von Online Advertising zusammen: Marken investieren Marketingbudget bei Medien, damit diese Werbung an die Konsumenten ausspielen. Diese werden auf die Brand aufmerksam und kaufen idealerweise die Produkte oder nehmen die Dienstleistungen in Anspruch. 

Dieses Geschäftsmodell befindet sich im Wandel. Klassisches Display und Video Advertising ist nicht mehr erfolgreich genug – es wird nicht genug Aufmerksamkeit generiert, die Klick Raten und die Sichtbarkeit sind zu niedrig, die Verweildauer ist nicht hoch genug. Publisher versuchen das Problem zu lösen, indem sie auf noch größere Anzeigenformate setzen, die die Klicks nach oben treiben und die Aufmerksamkeit des Nutzers auf sich ziehen sollen. 

Aber diese aufdringlichen Werbeanzeigen gehen auf Kosten sowohl des Publishers, als auch des Konsumenten. Es ist an der Zeit für ein völlig neues Geschäftsmodell. Anstatt die Marke in den Vordergrund zu stellen, was sich im ersten Moment vielleicht richtig anfühlt, da sie ja für die Werbung bezahlt, sollte der Mensch im Fokus stehen. Und ja, wir meinen Menschen, nicht Konsumenten, weil das implizieren würde, dass wir alle “herumlaufende Goldesel” sind, ohne Gefühle und Bedürfnisse. Der Anspruch sollte sein, respektvolle Werbung für den Menschen zu gestalten.

In der Regel mögen Menschen keine Werbeanzeigen. Doch wenn ihnen nahegebracht wird, dass dies der Preis ist, den wir dafür zahlen, das Internet nutzen zu können ohne für jeden Websiteinhalt einzeln zu bezahlen, ist dieses Geben und Nehmen nachvollziehbar. 

Wie sollte Werbung sein?

Bei der Frage, wie Werbeanzeigen gestaltet werden sollen, damit sie ansprechender sind, hört man Antworten wie: leicht überspringbar, elegant, nicht aufdringlich und harmonisch eingebettet. Respektvolle Werbeanzeigen passen sich ihrer Umgebung optisch an und stören Nutzer nicht beim Konsumieren des Website-Inhaltes. Idealerweise befindet sich hinter der Anzeige keine plumpe Kaufaufforderung, sondern im Kontext thematisch passender, hochwertiger Content, der gleichzeitig relevant ist, zum Beispiel in Form eines informativen Artikels. 

Solche Anzeigen werden letztlich mit höherem Engagement belohnt, da sie an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst sind. Daraus entsteht ein neuer Kreislauf. Im Idealfall widmet der User der Anzeige mehr Aufmerksamkeit und die Marke investiert mehr beim Publisher. Der wiederum erklärt sich bereit, auf aufdringliche Anzeigen zu verzichten und stattdessen “Respectful Ads” auszuspielen. Bei diesem Modell gewinnt jeder. 

Kommentare aus der Community

Stefan Litwin am 13.12.2019 um 08:50 Uhr

Das hört sich in der Theorie gut an. Funktioniert in der Praxis aber für viele Marken überhaupt nicht. Es gibt einfach viel zu viele Low Interest Produkte, mit denen wir uns nur beschäftigen, weil wir es müssen. Nicht, weil wir es wollen. Toilettenpapier, Banken, Putzmittel, Einlegesohlen etc. Und die müssen sich mit Werbung bekannt machen. Bannerblindness hin, Werbemüdigkeit her. Wenn es letztlich zur Kaufentscheidung kommt, greifen wir zu den Produkten, die wir kennen, die uns vertraut sind. Und vertraut ist uns nur das, was wir schon mal gesehen haben. Niemand schaut gerne Werbung. Aber jeder nimmt Markenerscheinungsbilder auf. Wenn auch nur im Vorbeisehen. Und wer im Content Marketing auf Markensignale verzichtet, verliert diesen entscheidenden Aspekt. Doof aber leider wahr. Fazit: auch in Zukunft werden wir auf Markenwerbung nicht verzichten können. Und auch in Zukunft werden wir uns als Konsumenten von ihr nerven lassen. Denn sie nervt, aber sie wirkt. Im Gegensatz zu vielen Content Marketing Strategien.

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