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Social Media Marketing
Jetzt auch ein Gender Problem? Facebook sieht sich neuen Vorwürfen ausgesetzt
Facebook Women and Man, Screenshot YouTube, © Facebook

Jetzt auch ein Gender Problem? Facebook sieht sich neuen Vorwürfen ausgesetzt

Niklas Lewanczik | 03.05.17

Spekulationen um Gender Vorurteile stellen Facebooks Praktiken im Zuge jüngster Erkenntnisse – auch zum fragwürdigen Marketing – in ein schlechtes Licht.

Facebook könnte ein Problem mit Vorurteilen im Gender Bereich haben, schenkt man aktuellen Spekulationen und einer fragwürdigen Quelle Glauben. Während dieser Vorwurf vom Unternehmen klar zurückgewiesen wird, stärkt er doch die jüngste Kritik an Facebooks Verfahrensweisen in verschiedenen Bereichen.

Gender Vorurteile bei Facebook? Die Begründung überzeugt nicht

Ein ehemaliger Facebook Techniker sammelte Daten, die belegen sollen, dass von Frauen geschriebene Programme bei Facebook deutlich häufiger abgelehnt werden als solche, die von Männern geschrieben wurden. Das berichtet das Wall Street Journal. Demnach würden Frauen diesbezüglich 35 Prozent mehr Ablehnungen erfahren. Zudem würden sie 8,2 Prozent mehr Fragen und Kommentare zu ihren Programmen bekommen, während sie insgesamt zu 3,9 Prozent länger auf das „Go“ für ihre Programm warteten.

Allerdings können diese Daten kaum Gewehr beanspruchen. Denn zum einen gibt das Wall Street Journal selbst an, die Ergebnisse nicht unabhängig verifizieren zu können, zum anderen verweist Tech Crunch auf die Aussage eines Facebook Sprechers, der zufolge die Daten ungenau und nicht vollständig seien. Dieser Aussage nach seien derlei Diskrepanzen nicht auf das Geschlecht, sondern auf den Rang der Technikerin oder des Technikers zurückzuführen. Das habe auch eine eigene Studie, die Facebook diesbezüglich durchgeführt hatte, ergeben. Jay Parikh, Facebooks Head of Infrastructure, bestätigte die Erklärung des Unternehmens. Dennoch verweist auch diese Begründung auf ein Problem, das Facebook sich selbst eingesteht. Es gibt zu wenig Frauen in den technischen Führungsebenen des Unternehmens. So gab Facebook Tech Crunch gegenüber Auskunft:

In fact, the discrepancy simply reaffirms a challenge we have previously highlighted – the current representation of senior female engineers both at Facebook and across the industry is nowhere near where it needs to be.

Also hat Facebook zwar durchaus Nachholbedarf, wenn es darum geht, Technikerinnen in höheren Positionen zu beschäftigen. Eine Bevorzugung der Männer bei der Implementierung von Programmen scheint jedoch Spekulation zu bleiben. Denn die Grundlage dieses Vorwurfs, vorgelegt von einem Ex-Mitarbeiter, entbehrt einer Stichhaltigkeit.

Doch die Kritik an Facebook reißt nicht ab

Wenngleich der Vorwurf von Gender Vorurteilen bei Facebook scheinbar haltlos ist, kann er doch einen Zweifel an Facebooks Integrität nähren. Denn unlängst wurden Vorbehalte gegen Marketing Praktiken in Australien laut, die auf Facebooks Studien zu den emotionalen Zuständen seiner User beruhen. The Australian berichtete, Facebook habe spezielle Algorithmen eingesetzt, um Advertisern zu erlauben, jugendliche Nutzer in expliziten Gefühlslagen anzusprechen. Auch wenn die jungen User sich unsicher oder wertlos fühlen, könnten sie von Advertisern getargeted werden, heißt es im Beitrag, der sich auf ein Facebook-Dokument stützt. Die folgende Entschuldigung Facebooks – sowie eine eingeleitete Untersuchung – scheinen die Praktiken zu bestätigen. Auch wenn diese Herangehensweise falsch sei, so Facebook.

Das Dokument gibt Aufschluss darüber, wie detailliert Facebook die Gefühle der Nutzer einfängt. So heißt es darin etwa:

Anticipatory emotions are more likely to be expressed early in the week, while reflective emotions increase on the weekend […] Monday-Thursday is about building confidence; the weekend is for broadcasting achievements.

Dieses fragwürdige Targeting könnte mit Hinblick auf eine minderjährige Zielgruppe als äußerst manipulativ eingestuft werden. Uns gegenüber gab Facebook jedoch an, dass „mehrere Schlussfolgerungen und Aussagen des Artikels im Australian irreführend sind – die nur in Australien und Neuseeland anonym erhobenen Forschungsdaten wurden nicht zur Vermarktung oder zum Targeting von Werbung verwendet“. Zudem biete Facebook „keine Möglichkeiten zur gezielten Ansprache von Nutzern auf Basis ihrer emotionalen Verfassung an“. Ein Statement des Unternehmens bestätigt dies, gibt aber auch an, dass die Leitlinien für ein Research-Projekt in diesem Fall nicht eingehalten worden seien.

Allerdings scheint es für Facebook vonnöten zu sein, explizite Zustände der User genau zu ermitteln, um Advertisern konkreter Ads ausspielen zu lassen. Schon 2014 stand Facebook in der Kritik, weil eine psychologische Studie der User von Seiten des Unternehmens 2012 durchgeführt worden war. Diese gab Einblicke in das emotionale Verhalten der User und deren emotionale Reaktionen auf Anzeigen im News Feed. Das berichtete die BBC. Dabei war die Studie auch deshalb so negativ rezipiert worden, weil User nicht wussten, dass sie teilnahmen.

Kritik ist nützlich – muss aber mit Vorsicht genossen werden

Ein großes Unternehmen wie Facebook muss wohl oder übel stetig mit Kritik kämpfen. Dass dabei viele Anschuldigungen auch heiße Luft sein können, ist nur natürlich. Dennoch treten solche, ebenso wie Dokumente, die Facebook Praktiken enthüllen, einen Diskurs zur Integrität und den Verhaltensweisen des Unternehmens los. Und ein solcher wiederum scheint in Verbindung mit einem so mächtigen Unternehmen wie Facebook, das auch die Online Marketing Branche mitbestimmt, stets angebracht. Dabei sollte die Autorität der Vorwürfe oder Fragen Facebook gegenüber geprüft werden. Ein In-Frage-Stellen von umfassenden Praktiken, sowohl das Unternehmen mit seinen Strukturen (etwa im Hinblick auf Gender Gleichheit) betreffend, als auch bezüglich seiner Strategien im Umgang mit Usern auf dem Werbemarkt, ist durchaus wichtig und mitunter bewirkt es auch etwas.

Ob Facebook letztlich ein Gender „Problem“ im Technik Bereich hat, mag im Auge des Betrachters liegen. Eine Marketing Macht wie Facebook zu hinterfragen, ist dennoch für das Unternehmen selbst und letztlich auch die User von großem Interesse.

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