Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Programmatic Advertising
Wie sich findige Agenturen wertvolle Zielgruppendaten von Premium Publishern erschleichen

Wie sich findige Agenturen wertvolle Zielgruppendaten von Premium Publishern erschleichen

Anton Priebe | 22.01.18

Die Unwissenheit von Seitenbetreibern führt dazu, dass sich Werbetreibende an ihrem Datenschatz bedienen können, ohne sie angemessen zu bezahlen.

Advertiser bedienen sich an den wertvollen Daten der großen Publisher ohne sie zu bezahlen. Möglich machen dies der komplexe Handel mit Daten in Zeiten programmatischer Vermarktung und das unzureichende Verständnis aufseiten der Seitenbetreiber.

Advertiser kreieren eigene Zielgruppen auf der Basis von Premium Publisher-Daten

Digiday spricht im Rahmen der Confessions-Serie regelmäßig mit Marktteilnehmern, um anonymisiert heikle Themen der Digitalbranche zu diskutieren. Das neueste Interview mit dem Programmatic Buyer einer US-Werbeagentur zeigt, wie unbeholfen Publisher mit ihren Zielgruppendaten umgehen. So erhalten Werbetreibende über angeschlossene AdTech-Partner Einsicht in die relevanten Daten, um ihre Kampagnen auszusteuern, ohne dass sich der Publisher dessen überhaupt bewusst ist – geschweige denn anständig dafür bezahlt wird. Dabei geht es insbesondere um demographische Informationen und Verhaltensdaten.

Das funktioniert folgendermaßen: Der Advertiser kauft ein paar Impressions auf der Website des Premium Publishers seiner Wahl. Die angesprochene Zielgruppe wird analysiert und mit Drittanbieterdaten etwa von Acxiom oder Oracle verglichen, um Lookalikes zu erstellen. Diese Lookalikes können dann wiederum auf anderen Websites wieder getargetet werden – oder gar auf der gleichen, falls der Publisher die Vermarktung seines Inventars nicht unter Kontrolle hat. Somit bauen sich die Advertiser also auf der Basis der Nutzer eines Premium-Portals ihre eigene Zielgruppe, für die sie normalerweise hohe Preise bezahlen müssten.

Aus einem 30 Dollar TKP wird leicht ein 10 Dollar TKP

Das betrifft insbesondere Publisher, die ihre Daten nicht intelligent genug segmentieren, bevor sie diese an Ad Exchanges weiterleiten. Ein B2C-orientiertes Online-Magazin wie Sports Illustrated beispielsweise spricht mit bestimmten Artikeln auch Leser an, die für B2B-Unternehmen sehr interessant sind. Doch dieses Potential wird nicht erkannt und daher auch nicht separiert für Einkäufer zugänglich gemacht. Die Daten gehen als Paket raus.

Die Kunden der Agentur, von der Digidays Quelle spricht, sind bereit einen TKP von 30 US-Dollar für das Umwerben einer solchen Zielgruppe zu bezahlen. Der anonyme Advertiser zapft dann die Daten von den Ad Exchanges an, baut sich seine Lookalikes und kauft Inventar zum Preis für 10 US-Dollar TKP ein.

Datenpakete bei Acxiom, Quelle: acxiom.com

Zwei Dinge sprechen auf den ersten Blick allerdings gegen dieses Vorgehen. Zum einen geschieht die Ansprache von Lookalikes auf anderen Websites nunmal nicht im Premium-Umfeld. Das mindert den Wert einer solchen Impression erheblich. Auf der anderen Seite haben andere Websites sicherlich deutlich mehr mit Fraud zu kämpfen als die Premium Publisher. Dies könnte den billigeren TKP schon wieder wettmachen.

Doch auch wenn es nicht immer perfekt funktioniert, kommen die meisten Kampagnen laut Digiday auf einen anständigen ROI. Kleine Tests durch alle Segmente prüfen vorab, ob die Lookalikes tatsächlich passen und wie gewünscht performen.

Das fehlende Technologieverständnis kostet Seitenbetreiber mehr als sie ahnen

Die meisten Publisher arbeiten mit einer Vielzahl unterschiedlicher AdTech-Partner zusammen, die sich deren Besucherdaten ziehen und aufschlüsseln. Die Seitenbetreiber bieten sie jedoch nur gesammelt an, obwohl sie schlau aufgeteilt sehr viel mehr damit verdienen könnten. Ihnen fehlt die Übersicht, über welchen Schatz sie überhaupt verfügen und wohin die Daten rausgehen. Eigene DMPs könnten dabei helfen das Problem zu beheben, so der Interviewte. Doch Personal, das sich tatsächlich damit auskennt, Daten geschickt zu vermarkten, ist teuer. Und das Geld fehle oftmals, weil an anderen Ecken traditionell zuviel ausgegeben werde.

Ein Trend, der dieses Abschöpfen von wertvollen Zielgruppendaten zusätzlich antreibt, ist Header Bidding. Dank eines Gebots erhalten die Werbetreibenden Einsicht in die Daten der Publisher, dazu müssen sie nichtmal gewinnen. Digidays Quelle fasst zusammen:

Publishers see that their CPMs go up when they adopt header bidding, but the benefit goes to the buyers because we’re able to get publishers’ audience data at virtually no cost.

Funktioniert der Trick auch in Deutschland?

Das beschriebene Vorgehen der Advertiser ist in Deutschland grundsätzlich ebenso möglich und wird auch so durchgeführt, wie Robert Scharni, freiberuflicher Berater und Manager von PITCH V, verrät:

Das ist bei vielen ‚datengestützen‘ Kampagnen schon seit langer Zeit ein probates Mittel, um bei den speziell im deutschsprachigen Raum wenig verfügbaren Publisherdaten in ausreichender Qualität und Skalierung an Zielgruppeninformationen zu kommen. Dagegen kann man mit Floors, auch dynamischen Aufschlägen auf Umfelder, User oder Kontakte arbeiten oder seine Daten in Allianzen in größerer Menge strukturiert separat monetisieren. Allgemein wird hier wieder ein inhärentes Problem von digitalen Daten sichtbar: Sie sind frei vervielfältigbar, nachdem man einmal Zugang dazu hatte ohne Kontrolle des Datengebers. Daher ist es umso wichtiger, dass Premium Publisher bei aller Automatisierung einen Prozess haben, um permanent das Einkaufverhalten auf ihrer Seite nach Brands und Einkäufern zu bewerten und Werkzeuge einsetzen dieses zu beeinflussen.

Das gleiche Prinzip wird hierzulande übrigens auch schon seit Jahren gerne für Retargeting-Kampagnen genutzt. Mit einem Frequency-Capping werden User von Premium Publishern wie SPIEGEL ONLINE einmalig markiert, um sie später mit Retargeting deutlich billiger und effizienter wieder anzusprechen.

Kommentare aus der Community

Torsten am 22.01.2018 um 11:26 Uhr

Externe Veredeler vs. interne Dienstleistung. Wenn’s manchen Firmen eben den Aufwand nicht wert ist…

Dürfte man doch auch von „Agentur vs. Inhouse“ kennen.^^

Antworten
Renato am 22.01.2018 um 07:11 Uhr

Schöne Bild-Text-Schere, oder was hat das alles mit DJ Marshmellow zu tun?

Antworten
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*