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Welchen Beitrag leisten Data Management Platforms für ein zukunftsorientiertes Marketing?
Dr. Jürgen Galler,1plusX, Dino Bongartz, The ADEX , und Hendrik Kempfert, Adform

Welchen Beitrag leisten Data Management Platforms für ein zukunftsorientiertes Marketing?

Ein Gastbeitrag von Daniel Skoda | 12.06.17

Mit diesen Fragestellungen sollten sich Werbetreibende auseinandersetzen, um ihre Zielgruppenansprache anhand von Kundendaten passgenau auszurichten.

Über eine Data Management Platform (DMP) können werbetreibende Unternehmen ihre Marketing-Kommunikation für Kunden attraktiver machen und die Effizienz ihrer Kampagnen optimieren. Mit der Deutschen Bahn, Media-Saturn und TUI gibt es prominente Beispiele für die Adaption von DMP-Lösungen. Die Einbeziehung verschiedenster Kontaktpunkte ermöglicht es, den Mediaeinkauf und die Ansprache der Kundensegmente mit Programmatic Advertising passgenau auszurichten.

Damit das funktioniert, stellen sich dem Unternehmen unterschiedliche Herausforderungen auf strategischer und operativer Ebene. Auch an das technische Setup gibt es Anforderungen: so dient die DMP der Sammlung, Aufbereitung und Aktivierung von Kunden- und Interessentendaten, ist für Umsetzung in die Kundenkommunikation aber auf weitere Komponenten wie eine Demand Side Platform (DSP) angewiesen, über die der Mediaeinkauf gebotsbasiert gesteuert wird.

Im Zuge der rasanten Verbreitung von Programmatic Marketing verwischen sich die Grenzen in der Systemlandschaft. Anbieter von DMPs bieten den Mediaeinkauf über ihre eigenen DSPs mit an und umgekehrt bringen Einkaufsplattformen das Daten-Management als Lösungsbestandteil mit. Für Werbetreibende ist es kritisch, den Überblick über die Landschaft zu behalten und sicherzustellen, dass sowohl die Daten- wie auch die Systemhoheit gewahrt bleiben. Auf der einen Seite geht es darum, Wettbewerbsvorteile nicht zu verpassen, während auf der anderen Seite Risiken und Lernkosten für das Unternehmen minimiert werden sollen.

Dieser Experten-Beitrag beleuchtet das durchaus komplexe Themengebiet für Werbetreibende im Dialog mit etablierten Lösungsanbietern. Hier sind mit Blick auf die kommende EU-Datenschutz-Grundverordnung insbesondere die europäischen Plattformen gefragt. Dr. Jürgen Galler, CEO und Co-Founder von 1plusX, Hendrik Kempfert, Managing Director DACH bei Adform und Dino Bongartz, CEO von The ADEX, haben sich den Fragen gestellt.

Interview mit Dr. Jürgen Galler,1plusX, Hendrik Kempfert, Adform, und Dino Bongartz, The ADEX 

Daniel Skoda: Wie schätzt ihr den Markt ein – wie viele der großen Advertiser in der DACH-Region setzen bereits auf DMPs? Wer ist aus eurer Sicht für die Nutzung prädestiniert?

Hendrik Kempfert, Adform: Wir schätzen den derzeitigen Anteil vorsichtig auf etwa 35 Prozent. Viele Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema, sind aber noch nicht im operativen Modus angekommen. Prädestiniert sind alle Unternehmen, in denen beispielsweise das Performance-Marketing schon ein sehr hohes Niveau erreicht hat und man nach weiteren Stellschrauben zur Optimierung der Mediabudgets sucht.

Hendrik Kempfert, Adform

Dino Bongartz, The ADEX: Ende 2017 dürften es bereits mehr als die Hälfte der Werbetreibenden sein. Insbesondere Unternehmen aus den Bereichen FMCG, Handel, Telekommunikation und auch Automotive bereiten den Einsatz vor. Sinn macht es für alle Advertiser, die Kundendaten haben – für einen Rückversicherer beispielsweise eher weniger.

Für das Datenmanagement im Marketing drängen verschiedenste Anbieter in den Markt, Customer Data Platforms (CDPs) und Marketing Clouds sind aktuell häufig erwähnte Kategorien. Wie positionieren sich die DMPs?

Jürgen Galler, 1plusX: Der Bereich ist tatsächlich recht „crowded“. CDPs halten meist die eigentlichen Kundendaten vor; in den DMPs geht es im Regelfall um anonyme Nutzerdaten, also noch keine Kunden. Wir sehen einen Mehrwert in Predictive Marketing Platforms, die Predictive Analytics-Methoden im Marketing-Umfeld zur Anwendung bringen. Die häufig erwähnten Marketing Clouds sind Plattformen, die verschiedene Daten-, Werbeinventar- und Predictive Services-Angebote zusammenbringen.

Welche besonderen Kompetenzen brauchen Werbetreibende eurer Erfahrung nach, um erfolgreich datengetriebene Marketing-Strategien umzusetzen?

Hendrik: Die Werbetreibenden brauchen eine Datenstrategie. Es muss klar sein, welche Daten dem Unternehmen zur Verfügung stehen, welche Daten sie operativ einsetzen wollen und was sie sich vom Einsatz dieser Daten versprechen. Wichtig ist, in klar abgegrenzten Use-Cases zu denken und dann schrittweise die Umsetzung zu starten. Die meisten Unternehmen werden dafür Spezialisten einstellen oder auf qualifizierte Dienstleister zurückgreifen müssen. Im Hinblick auf die kommende Datenschutzgrundverordnung wird es für die Werbetreibenden noch wichtiger, einen genauen Überblick über alle gesammelten Daten zu haben; dazu brauchen sie zusätzlich eigene, mit der Digitalisierung betraute Datenschutzbeauftragte.

 Jürgen: Unternehmen benötigen ein gutes Verständnis der eigenen Daten – was ist in welchen Mengen und welcher Qualität wo und wie häufig verfügbar? Darüber hinaus ein grundsätzliches funktionales und technisches Verständnis, um abschätzen zu können, welche Komponenten (CRM, DMP, DSP etc.) welche Funktionen übernehmen müssen und Use-Cases in System-Anforderungen zu übersetzen. Zudem sind eindeutige interne Zuständigkeiten für die DMP und angrenzende Systeme, sowie die damit verbundenen operativen Tätigkeiten anhand klarer Zielvorgaben erforderlich.

Welche operativen Marketing-Aufgaben sollte die DMP aus eurer Sicht übernehmen?

Dino: Die Trennung der Kundendaten von Neukundenpotenzialen – zur jeweils separaten Ansprache – ist eine Standardfunktion in den DMPs, allerdings muss sie auch richtig genutzt werden. Die Gewinnung von Learnings für die Kreation wird ebenfalls häufig gefordert, dazu bieten wir z.B. einen Export zur Business Intelligence des Werbetreibenden an. Weitere Aufgaben wie die Kontrolle von Werbeformat, Kontaktfrequenz oder Mediakosten müssen in der DSP oder über den Adserver erfolgen.

Dino Bongartz, The ADEX

Jürgen: Sicherlich ist die Steuerung der Zielgruppen ein wesentliches Feature. In einer „intelligenten“ DMP sollte man auf Grundlage der bestehenden Kundendaten derart lernen, dass man optimale Zielsegmente für die Neukundenansprache entwickelt und auch die Berechnung von Kaufwahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Was häufig vergessen wird, ist die einfache und transparente Nutzbarkeit einer DMP. Viele Systeme sind komplex und benötigen Spezialisten (wie Data-Analysten) für eine erfolgreiche Nutzung. Mit dem Fortschritt im Datenschutz müssen auch DMPs entsprechende Funktionen anbieten, z.B. Nutzerprofile und die damit verbundenen Daten bei Bedarf nachvollziehbar löschen oder die Datenherkunft nachweisbar darstellen.

Was ist mit der Anreicherung der in der DMP vorliegenden Kundendaten durch einzukaufende Drittanbieter-Daten (3rd Party Data, wie z.B. Kaufabsichtsdaten)?

Hendrik: In vielen Fällen reicht es sicher, diese Daten in der DSP einzukaufen, die entsprechende Funktionen dafür vorsieht. Wir glauben allerdings, dass die DMP das zentrale Bindeglied für alle digitalen Kontaktpunkte und außerdem die Schnittstelle zu Offline darstellen sollte. Insbesondere die Zunahme der „Walled Gardens“ spricht dafür, eine DMP als zentrale Datenhaltung und -schnittstelle zu nutzen, um flexibel DSPs wechseln und auch mehrere DSPs parallel nutzen zu können, um komplexe Marketing-Aufgabenstellungen zu erfüllen.

Wie sieht es mit dem „Onboarding“ der Offline-Daten zwecks deren Aktivierung im digitalen Marketing aus?

Hendrik: Die Offline- bzw. CRM-Daten sind tatsächlich sehr wertige Daten, die jeder Werbetreibende unbedingt digital aktivieren sollte. Dabei muss jedem Datensatz eine eigene sogenannte Matching-ID zugeordnet werden, sinnvollerweise über alle Geräte (Tablet, Smartphone, Desktop), mit denen ein User sich in seinen Kunden-Account einloggt. Denkbar sind auch Ansätze, die die Kundenkarte oder Loyalty-Programme einbinden. Diese Einbindung gestaltet sich allerdings meist etwas kniffliger und verlangt eine projektbezogene Anpassung an die bestehenden Systeme. Um den Kunden einen Anreiz zur Mithilfe bei der Datenzusammenführung zu geben, können z.B. Rabattcodes ausgegeben werden, die per Smartphone-App gescannt werden, so dass eine unaufwändige Identifizierung zustande kommt.

Dino: Idealerweise hat der Werbetreibende eigene Kunden-Touchpoints und Logins und stellt die Anonymisierung (Hashing) sowie erforderliche Nutzer-Optins sicher. Da die meisten Unternehmen wenige regelmäßige Kunden-Logins auf den eigenen Websites haben, gibt es auch die Möglichkeit auf externe Matching-Partner zurückzugreifen, die sogenannte Public Hashes zur datenschutzkonformen Identifizierung der Kunden zur Verfügung stellen.

Was sind darüber hinaus besondere Data Management-Funktionalitäten, die ihr Marketern über eure jeweiligen Lösungen anbietet?

Jürgen: Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz aus zunächst eingeschränkten Daten erzeugen wir eine größere (eben vorhergesagte) Datenmenge. So können Unternehmen mit monatlich 5 Mio. Nutzern, von denen sie allerdings nur 200.000 aufgrund von Login-Daten kennen, im Marketing die gewünschten Attribute wie Geschlecht, Alter, etc. für alle ihre Nutzer ansprechen. Über sogenannte Item-Profile ist es z.B. auch möglich, alle Nutzer zu adressieren, die mit bestimmten Artikeln oder Inhalten in Kontakt gekommen sind.

Jürgen Galler, 1plusX

Hendrik: Im Kern geht es um die Möglichkeit, alle digitalen Kontaktpunkte mit einer DMP zu organisieren und so dafür zu sorgen, dass die Daten effizient genutzt werden können. Daher ermöglichen wir die Integration in unseren Fullstack bestehend aus einer eigenen DSP und einem eigenen Adserver. Das Risiko eines Datenverlusts wird so verschwindend gering, da der Cookie-Sync zwischen den Systemen in gleichen Rechenzentren in kürzester Zeit abläuft und innerhalb von Sekunden die Aktualisierung von Segmenten ermöglicht – was für Performance-Kunden etwa aus dem Bereich Telekommunikation extrem wichtig ist.

Dino: Marketing Clouds oder DSPs mit DMP-Funktionen sind eher die Allgemein-Mediziner, aber wenn ich wirklich bestimmte „Pain-Points“ habe, sollte ich mit dem Spezialisten sprechen. Wir wollen im Bereich Daten und deren Nutzung die Probleme lösen – wenn ein Unternehmen seine Offline-Daten nutzbar machen möchte, seine Daten auf verschiedenen DSPs, SSPs etc. einsetzen möchte, große Datenmengen in Real-Time von a nach z bringen oder monetarisieren möchte.

Welche Fehler gilt es bei der DMP-Auswahl und -Implementierung aus eurer Sicht unbedingt zu vermeiden, um sich als Unternehmen für die Zukunft richtig aufzustellen?

Dino: Begrenzte Lösungen auszuwählen erweist sich meistens als Fehler; die Unternehmen pitchen oftmals ein, zwei Jahre später erneut und verlieren wertvolle Zeit. Einen Anbieter zu wählen, der neben einem guten Produkt auch gute Beratungs- und Support-Kompetenz mitbringt, zahlt sich immer aus. Die Frage sollte nicht sein – brauche ich eine DMP? Die Frage sollte sein – welche DMP nehme ich, um Potenziale und Synergien zu hebeln? Sonst werden europäische Unternehmen auf Sicht Probleme in der Konkurrenzfähigkeit gegenüber US-Unternehmen bekommen.

Jürgen: Zunächst sollte man sich nicht nur auf deterministische oder probabilistische Daten fokussieren, sondern den bestmöglichen Mix aus Reichweite und Qualität finden. Als Werbetreibender sollte man sich nicht für eine kurzfristige Lösung entscheiden. Bei manchen Unternehmen stehen kurzfristige Budget-Ziele im Mittelpunkt; darunter leiden häufig die Qualität und die innovative Funktionalität einer DMP, die aber für ein zukunftsfähiges Marketing entscheidend ist.

Data Management wird künftig vermehrt unternehmensübergreifend erfolgen, so dass Werbetreibende z.B. von Medienunternehmen in Echtzeit erfahren können, welche Nutzer mit dem höchsten Kundengewinnungspotenzial gerade wo und zu welchen Themen unterwegs sind. Allianzen wie jene von Axel Springer, Daimler, Deutsche Bank etc. sind ein erster Hinweis darauf.

Hendrik: Wir erleben immer wieder, dass Entscheider blind auf die Technik vertrauen und glauben, mit der Beauftragung einer DMP oder DSP sind ihre bisher nicht gemachten Hausaufgaben automatisch erledigt. Grundsätzlich sollte keine Entscheidung zum Einsatz einer Data Management Platform gefällt werden, ohne vorher eine entsprechende Datenstrategie erarbeitet zu haben. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Anschaffung einer DMP automatisiere den Großteil von selbst. Der Markt steht bei der optimalen Nutzung von Daten noch ganz am Anfang. Wir werden in den nächsten Jahren eine weitere Explosion der datengetriebenen Dienstleistungen und damit den Möglichkeiten zum Einsatz einer DMP beobachten können. Leider mangelt es im deutschsprachigen Raum an Fachkräften; die Zahl der Experten mit ausreichend Erfahrung im Einsatz von DMPs ist noch stark begrenzt.

Vielen dank für das Interview!

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