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Human Resources
Quiet Quitting – und warum das völlig in Ordnung ist

Quiet Quitting – und warum das völlig in Ordnung ist

Hauke Eilers-Buchta | 27.10.22

Wenn der Job an sich Spaß macht, aber man sein Lebensglück dennoch aus anderen Dingen zieht, ist das nicht unbedingt negativ. Denn nicht jede:r Mitarbeiter:in muss Überstunden machen oder immer für die Firma da sein. Warum sogenanntes Quiet Quitting durchaus in Ordnung ist, wird hier zum Thema.

Wer in Deutschland keine Überstunden macht und mehr arbeitet, als das eigentliche Muss, wird vielfach schief angesehen. Dabei muss das gar nicht sein, wie nicht nur in Schweden in vielen Unternehmen deutlich wird. Wer nur (noch) das leistet, was er:sie muss, ist somit nicht automatisch ein:e schlechte:r Mitarbeiter:in. Oftmals bezeichnet man ein solches Verhalten als Quiet Quitting, etwas irreführend übersetzt oft als ‚stille Kündigung‘. Es bezeichnet also den Umstand, dass man pünktlich Feierabend und keine Überstunden macht, nur noch das absolute Minimum leistet und Grenzen zwischen Job und Privatleben zieht. Mit einer Kündigung im eigentlichen Sinne hat Quiet Quitting hingegen nichts zu tun.

Wer nicht länger arbeiten möchte, als er:sie muss, hat dafür sicherlich Gründe. Diese können ganz unterschiedlich sein. Mal ist es der Fakt, dass man bereits effizient arbeitet, mal möchte man sich gut erholen können und andere Mitarbeiter:innen legen Wert auf die Ausübung eines Hobbys und verbringen gerne Zeit mit ihren Kindern und allgemein der Familie. Ebenso kann auch die notwendige Betreuung und Pflege von Angehörigen ein Grund sein, weshalb man im Job pünktlich Feierabend macht und auf Überstunden und Co. lieber verzichtet. Ein:e schlechte:r Arbeitnehmer:in ist man aufgrund dessen nicht automatisch.

Wie zentral muss und darf Arbeit im Leben sein?

Wer sich als Arbeitnehmer:in für Quiet Quitting entscheidet, setzt sich selber Grenzen und hinterfragt oft auch, wie präsent und zentral der Job im Leben sein muss und darf. Macht man Überstunden ansonsten vielleicht nur, um die Vorgesetzten zu beeindrucken und geht dabei über Grenzen hinweg, die für die eigene Gesundheit riskant sein könnten? Sich selber solche Grenzen zu setzen ist aufgrund des häufig herrschenden Leistungsdrucks alles andere als leicht.

Viele Arbeitgeber:innen setzen Überstunden und verstärkten Einsatz auch heute noch voraus – und setzen dies mit einem hohen Engagement gleich. Allerdings kann man Arbeitsengagement als positive Einstellung gegenüber der Arbeit definieren. Ein Umstand, der aber – zumindest theoretisch – auch während der regulären Arbeitszeit erfüllt werden kann. Überstunden und Mehrarbeit braucht es dafür nicht.

Doch wie kann man sich klar machen, ob man zusätzliche Leistung erbringen will oder nach Feierabend lieber wirklich die arbeitsfreie Zeit genießen möchte? Es gibt einige Ansätze, die Arbeitnehmer:innen hier verfolgen können – und einige Fragen, die man sich in diesem Zusammenhang stellen (und auch beantworten) sollte.

Quiet Quitting: Worauf kommt es Arbeitnehmer:innen an?

Zunächst einmal sollte man sich als Arbeitnehmer:in klarmachen, weshalb man weniger Arbeitseinsatz leisten möchte. Liegt es daran, dass die Arbeitszeit oder die Arbeitslast in der regulären Zeit zu viel werden? Oder eher darum, dass die Arbeit keine Freude mehr bringt? Oder wurde man gar vom Unternehmen enttäuscht und will sich daher mehr herausziehen? Sollten es die beiden letzteren Gründe sein, ist es eventuell sinnvoll, aus dem Quiet Quitting ein richtiges Quitting zu machen und zu kündigen. Ein Arbeitsplatzwechsel kann dann für neuen Elan sorgen und wieder zusätzliche Ressourcen freimachen.

Wenn es hingegen darum geht, die Arbeitszeit nicht zu stark überzustrapazieren und man die eigene Grundleistung lieber während der regulären Arbeitszeiten erbringen möchte, kommt es vielfach auf die folgenden drei Aspekte an:

  • Erwartungen klar machen und transparent sein: Um sich zu beweisen, braucht es Überstunden? Nicht zwingend. Doch die Diskussion darüber kann wichtig werden. Wichtig ist dabei vor allem, dass man keine Scham verpürt. Denn dann zieht man sich eher zurück. Stattdessen sollte man transparent bleiben und verdeutlichen, welche Erwartungen man selber hat. So kann auch verhindert werden, dass Quantität mit Qualität gleichgesetzt oder verwechselt wird.
  • Den eigenen Wert bestimmen: Den eigenen Wert kann man natürlich über Extraarbeit und Co. definieren. Aber es ist immer eine individuelle Entscheidung, ob man dies zulässt und will. Man kann den eigenen Wert auch ohne diese Zusatzleistung bestimmen. Somit liegt es an einem selber, ob man sich bei nicht geleisteter Mehrarbeit schlecht fühlt oder weiterhin erhobenen Hauptes seiner Arbeit nachgeht.
  • Die Bedeutung von Kolleg:innen kennen: Kommen Kolleg:innen auf einen zu und bitten um Hilfe, sollte dieser Moment vielleicht nicht genutzt werden, um auf die fehlende Bereitschaft zu Mehrarbeit hinzuweisen. Denn das kollegiale Verhältnis ist für die Harmonie bei der Arbeit durchaus wichtig. Ebenso wenig sollten Kolleg:innen nicht zusätzlich arbeiten müssen, weil man selber pünktlich Feierabend machen möchte. Eine gewisse Flexibilität braucht es also schon, damit Quiet Quitting funktionieren kann (wenngleich der:die Arbeitgeberin in diesem Modell dafür verantwortlich ist, dass genügend Ressourcen für alle Aufgaben zur Verfügung stehen).

Was innerhalb von Unternehmen zu Quiet Quitting führen kann

In vielen Fällen zeigt sich, dass Qualität und Quantität vermischt werden und dass Quiet Quitting vielfach eben doch mit einem geringeren Engagement im Job einhergeht. Dabei sind Mitarbeitende zwar nicht konkret unengagiert, allerdings auch nicht sonderlich engagiert. Trifft dies zu, liegt es allerdings vor allem an den Arbeitgeber:innen, sich Gedanken zu machen und etwas an der Situationen zu verändern. Immerhin gibt es einige firmeninterne Umstände, die Quiet Quitting begünstigen können oder dieses Phänomen sogar auslösen. Unternehmen sollten sich daher im Idealfall mit folgenden Fragen befassen:

  1. Die Frage nach dem Sinn: „Warum mache ich das hier eigentlich?“ – Eine Frage, die bereits eine mangelnde Motivation ausdrückt und verdeutlicht, dass Mitarbeiter:innen gedanklich vielleicht schon ganz woanders sind. In diesem Zusammenhang kann es helfen, den Mitarbeitenden zu verdeutlichen, welchen Sinn ihre Arbeit hat und wofür sie diese erledigen. Vor allem in großen Unternehmen sind die Aufgaben oftmals in kleine Bestandteile unterteilt, sodass das große Ganze für einzelne Mitarbeiter:innen gar nicht unbedingt deutlich ist. Seitens des Managements ist es daher relevant, diesen Sinn immer wieder deutlich zu machen und darzustellen, dass die geleistete Arbeit von Bedeutung ist und am Ende einen Mehrwert schaffen kann.
  2. Die Frage des Wachstums: Unternehmen haben vielfach Angst, in das Wachstum ihres Personals zu investieren – auch aufgrund von Umständen wie Quiet Quitting oder einer wachsenden Fluktuation. Die neu erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen können scheidende Mitarbeiter:innen immerhin dann auch anderswo nutzen, nachdem sie das Unternehmen verlassen haben. Allerdings ist Lernen für viele Menschen ein sehr wichtiger Faktor. Immerhin bekommt das Leben dadurch für viele einen Mehrwert und mehr Sinn. Gerade in Anbetracht von Quiet Quitting sollten Unternehmen daher eher mehr in die Weiterbildung ihres Personals investieren.
  3. Die Frage nach der Begleitung: Es braucht sozialen Austausch für eine funktionierende Beziehung zwischen Angestellten und dem Unternehmen. Dabei brauchen Mitarbeitende vor allem das Gefühl, dass man sich seitens des Unternehmens richtig um sie kümmert und dabei ehrlich zu ihnen ist. Ein Vorgehen, das in vielen Unternehmen (noch) nicht vollständig gelebt wird. Wertschätzung, Respekt und eine professionelle Begleitung von Mitarbeiter:innen gehören dazu. Merken Mitarbeiter:innen das, zahlen sie es mit ihrer Leistung häufig gerne zurück.

Es gibt viele Momente, die Quiet Quitting hervorrufen können, darunter auch zu schlechte Bezahlung und zu wenig Personal für die Aufgaben. Hinter diesem Phänomen steckt ein Trend, der in den USA, wo auch die Great Resignation zum Problem für viele Unternehmen wurde, bereits spürbar ist. Laut Gallup sind rund 50 Prozent der Arbeitnehmer:innen im Land im Quiet Quitting begriffen.

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