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Digitalpolitik
Der EU-Rechtsausschuss stimmt für Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht für Verlage
EU Parlament stimmt für Reform des Urheberrechts, © Europaparlament

Der EU-Rechtsausschuss stimmt für Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht für Verlage

Niklas Lewanczik | 20.06.18

Mit der Abstimmung zugunsten von Artikel 11 und 13 aus der Urheberrechtsrichtlinie der EU könnte sich das Internet grundlegend verändern – kaum zum Guten.

Es ist soweit: der EU-Rechtsausschuss hat sich für eine Reform des Urheberrechts im Internet ausgesprochen und damit auch für die Artikel 11 und 13 der entsprechenden Richtlinie. Damit sind sowohl die umstrittenen Upload-Filter als auch eine mögliche Linksteuer gebilligt worden. Zensur und Gebühren dürften ebenso Einzug im Internet halten wie ein informationelles Ungleichgewicht. Doch noch kann das Gesetz abgewendet werden.

Das Ende des freien Internets?

Die Abstimmung ist durch. Angenommen wurden die Vorschläge für die Reform des Urheberrechts. Tiemo Wölken, Politiker des Parlaments gab per Tweet bekannt:

Schon im Vorfeld der heutigen Abstimmung hatte sich enormer Widerstand geregt; und dieser sollte aufrechterhalten bleiben. Denn das Ergebnis des Parlaments muss im Juli noch durch das Plenum bestätigt werden.

Vor dieser Abstimmung gilt es also, möglichst viele Politiker von der Unsinnigkeit der Richtlinien vor allem in Bezug auf die Artikel 11 und 13 zu überzeugen. Es gibt zahlreiche Petitionen und Informationen zum Thema, darunter jene von Save the Internet.

Was bedeuten die Änderungen für das Internet? Mit Artikel 13 werden kurz gesagt für Plattformen sogenannte Upload-Filter notwendig, die aktiv gewährleisten, dass Urheberrechte Dritter in keiner Weise verletzt werden können. Was sinnvoll klingt, ist jedoch ein Weg zur Zensur. Der Upload jeglicher Inhalte, an denen nicht zweifelsfrei die Rechteinhaberschaft oder Lizenz nachgewiesen werden kann, wird damit geblockt. Darunter fallen prinzipiell auch Memes, Parodien oder Remixe. Ein absoluter Dämpfer für die freie Internetkultur. Dr. Joachim Jobi, Leiter Digitalpolitik und Public Affairs beim BVDW, sprach uns gegenüber von „vorauseilender Selbstzensur“. In unserem Beitrag samt Interview mit dem Experten wird deutlich, wie unverhältnismäßig sich Artikel 13 letztlich für die Infrastruktur des Internets darstellt.

Auch Artikel 11 ist aus demokratischer Sicht fragwürdig

Artikel 11 hingegen stellt ein Leistungsschutzrecht für Verlage in Aussicht – das in Deutschland und Spanien bisher gnadenlos gescheitert ist. In Spanien stellte Google News seinen Betrieb ein, während deutsche Verlage auf der Grundlage solch eines Rechts 30.000 Euro im Jahr erwirtschaften konnten, die allerdings 2,25 Millionen Euro Kosten gegenüberstanden. Das Recht sieht vor, dass für die Anzeigen von Verlagsinhalten ab wenigen beschreibenden Wörtern – der Umfang ist von jedem Mitgliedstaat einzeln zu ermitteln – eine Gebühr vonseiten der Suchmaschinen wie Google oder von Aggregatoren, Social Media etc. erfordern. Da Google aber kaum für die Anzeigen von News zahlen wird, haben in Deutschland viele Verlage eine Gratiseinwilligung an Google gegeben, damit ihre Inhalte überhaupt weiter dort angezeigt werden, berichtet Spiegel Online. Sollte Artikel 11 sich jedoch durchsetzen, ist eine Gebührenpflicht sogar auf Links zu befürchten, da diese mitunter als Wiedergabe des Inhalts qualifiziert werden oder zumindest Wörter zu Orientierung in der URL enthalten.

Welch große Problematik die Reform des Urheberrechts mit sich bringt, haben wir in unserem Beitrag im Zuge der Abstimmung aufgezeigt. Das ist hier ausführlich nachzulesen.

Die Politik schafft sich mehr Probleme als sie löst

Es hat sich schon gezeigt, dass ein Leistungsschutzrecht wenige Gewinner hat. Die Lobby, mit Sicherheit, große Verlage ebenfalls. Kleine Plattformen und Verlage werden aber Probleme bekommen, die durch Upload-Filter noch verstärkt werden. Und für die Nutzer ist diese Reform in der Tat absolut unverständlich und bringt nur Einschränkungen mit sich.

Neben allen Nachteilen, die in zitierten Beiträgen aufgeführt werden, stößt den Nutzern jedoch etwas anderes sauer auf. Die Abstimmung wird medial in den Hintergrund verlagert; das Ergebnis wird nicht von der Tagesschau als wichtige News aufbereitet. Obwohl es doch alle betrifft. Vielmehr ging die ganze Abstimmung und deren Relevanz im Kontext der WM in Russland und der ebenso wichtigen Debatte im Asylstreit unter. Dazu kommt, dass die eindeutigen Bedenken, die dem Parlament vorlagen, von diesem ignoriert wurden. Vielmehr scheint es so, als habe man bei der Entscheidung auf die Lobby gehört. Anders ist das Ergebnis kaum zu erklären. Damit verliert die EU jedoch weiter an Integrität. Denn wenn Experten, Wissenschaftler und dergleichen mehr sich eindeutig gegen die Reform aussprechen, einige Politiker sie aber dennoch für akzeptabel halten, passt das nicht zusammen. Außerdem stellen sich die Nutzer ebenfalls deutlich dagegen – werden aber nicht gehört. Damit kommt für diese der Eindruck auf, dass die EU in solch wichtigen, da zukunftsgewandten Fragen zum Internet als zentraler Informations- und Nachrichtenquelle, willkürlich entscheidet. Eine Volksvertretung scheint kaum gegeben; denn die Entscheidung basiert eindeutig auf dem Willen Weniger, aber Mächtiger.

So machen einige Politiker es den Menschen nicht leicht, an ihre Autorität zu glauben. Man darf gespannt sein, wie es mit dem einst freien Internet weitergeht; vor allem, wenn Ende 2019 möglicherweise die ePrivacy in Kraft tritt. Bis dahin muss sich die Gesellschaft aber fragwürdigen Avancen der Politik erwehren, die das Internet unverhältnismäßig regulieren.

Kommentare aus der Community

Tino Cogin am 21.06.2018 um 09:16 Uhr

Wichtige Info, gut aufbereitet, Danke. – Vor allem aber: endlich ein junger Journalist, der den korrekten Gebrauch des Genetivs zelebriert. Eine Wohltat, guten Content endlich einmal wieder in korrektem Deutsch lesen zu dürfen. Das macht Hoffnung, dass die schreibende Zunft linguistisch nicht völlig abschmiert.

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