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Nostalgie-Marketing: Das Geschäft mit der guten alten Zeit

Nostalgie-Marketing: Das Geschäft mit der guten alten Zeit

Aniko Milz | 16.04.19

Viele bekannte Marken setzen auf Nostalgie-Marketing, um ihre Kunden auf einer emotionalen Ebene anzusprechen und an sich zu binden.

Nike bringt mit Snapchat den Retro-Sneaker Air Jordan heraus, Pokemon GO begeisterte vor einigen Jahren Millionen und im Radio laufen zahllose Songs, die von der guten alten Zeit handeln. Netflix zahlte Ende des vergangenen Jahres 100 Millionen US-Dollar für die Ausstrahlungslizenz der Kultserie „Friends“ und Disney holt für die eigene Streaming-Plattform alle, sonst unter Verschluss liegenden, Klassiker hervor. Es scheint, als wäre die (Online-)Welt von einer Nostalgie-Welle überrollt worden.

Die Nostalgie-Maschine Disney

Besonders Disney fällt derzeit in Social Media mit dem Nostalgie-Trend auf: Miley Cyrus zeigt sich mit Hannah-Montana-esquen blonden Haaren, die Jonas Brothers feiern ein Comeback (und landen direkt auf der Nr. 1 der Billboard Charts) und eine Fortsetzung von High School Musical kündigte sich an. Diese Entwicklungen könnten die Werbetrommel für die eigene Streaming-Plattform rühren sollen. Ende des Jahres ist der Launch von Disney + geplant. Ein großer Vorteil liegt dabei in dem riesigen Filmarchiv, das dem Medienunternehmen zur Verfügung steht. Filme liefern nicht nur die Walt Disney Studios, sondern auch die Pixar Animation Studios, die Marvel Studios, das Star Wars-Imperium und bald auch 21st Century Fox.

 

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Nicht nur Altes aufwärmen

Doch im Gegensatz zur Disney Renaissance der 90er wird heute kein neuer Content produziert, sondern nur in Remakes bereits Bekanntes aufgewärmt. Das lässt für einige Zeit in Erinnerungen schwelgen, aber kann nicht lange halten, so einige Stimmen. Im erfolgreichen Nostalgie-Marketing ginge es immer darum, zu dem Altbekannten noch etwas hinzuzufügen. Pokemon GO nutzte die neueste Technik, um die alte Geschichte aufleben zu lassen. Instagrams erstes Logo erinnerte stark an die beliebten Polaroidkameras und auch die Fotos ließen sich nur im quadratischen Polaroidformat hochladen, doch die Plattform gab den Nutzern die Modernität des digitalen Zeitalters. Ed Sheerans neu erschienenes Album „Divide“ war 2017 in den USA und in Kanada die meist verkaufte Schallplatte.

Disney hat durch seine Markenbekanntschaft und große Fangemeinde ein Sicherheitsnetz, das misslungene Remakes allein durch die Menschen auffängt, die die Neuverfilmung mit dem Klassiker vergleichen wollen. Abgesehen davon hat das Unternehmen in allen anderen Bereichen, wie ihren Themenparks, Disney Stores und Kreuzfahrtschiffen, ein äußerst erfolgreiches Marketing. Doch die meisten Marken können sich nicht so leicht auffangen. Mit welchen Mechanismen also erfolgreiches Nostalgie-Marketing betrieben wird und warum das funktioniert, erklären wir nachfolgend.

Das Geschäft mit der guten alten Zeit

Zunächst einmal: Was ist Nostalgie? Nostalgie beschreibt ein positiv gestimmtes Gefühl der Vergangenheit gegenüber. Ob diese Vergangenheit zehn Jahre, zehn Monate oder zehn Wochen her ist, ist zweitrangig. Denn die Zeitperioden, nach denen wir nostalgisch werden, verkürzen sich zunehmend. Durch den rasant schnellen Wechsel in Trends und Technologie kann es schon mal passieren, dass Erinnerungen an das letzte Handy herausgekramt werden, das vor wenigen Wochen dem neuen weichen musste.

Besonders die Millennials als Zielgruppe gelten als besonders empfänglich für nostalgische Anreize. In Social Media wird konstant an die 90er erinnert, als unbeschwerte Kindheitszeit. Der Hashtag #tbt (ThrowbackThursday) bietet wöchentlich die Möglichkeit, auf allen erdenklichen Plattformen alte Fotos und Beiträge herauszukramen und erneut zu posten. Im Kollektiv funktioniert dies besonders gut. Und die Sehnsucht nach kollektiven Erfahrungen steigt mit dem Wandel durch die digitalen Medien und dem Fokus auf Individualität – so unlogisch das erstmal klingt. Heutzutage hört jeder die eigene Playlist und stellt sich das eigene Fernsehprogramm zusammen. Gemeinsames Erleben in großen Gruppen ist seltener geworden. Außer vielleicht auf großen Konzerten oder bei dem Finale der Fußball WM trifft man selten auf echtes verbindendes Gemeinschaftsgefühl großer Gruppen.

Was hilft es im Marketing?

Positive – teils auch verklärte – Gefühle der Vergangenheit aufleben zu lassen, wirkt sich bestmöglich auf die Sicht der Kunden auf die Marke aus. Erfolgreiches Brand Marketing ist, Kunden auf einem sentimentalen, emotionalen Level zu erreichen. Als ultimatives Ziel im Marketing kann es gesehen werden, Kindheitserinnerungen wach werden zu lassen für ein freudiges „Oooh, weißt du noch..?“, das – von einem Knuff in die Seite der Freunde begleitet – ausgerufen wird. Menschen erinnern sich gern gemeinsam; eine nostalgische Onlinekampagne wird so häufiger mit Freunden geteilt werden und ein größeres Publikum erreichen. Ein Publikum, das durch die Nähe zu dem bereits erreichten Publikum höchstwahrscheinlich eine passende Audience für die eigene Markenbotschaft ist.

An den erfolgreichen Beispielen haben wir gesehen, dass es nicht ausreicht, nur nostalgisch zu werden und alte Kamellen aufleben zu lassen (ein Blick auf die Kommentare unter dem Trailer des Remakes von Kim Possible bestätigen, dass die Audience sehr ungnädig aufgewärmtem Material gegenüber werden kann). Schließlich hatten die Neuerungen immer einen Grund. Eine Marke könnte verstaubt und irrelevant wirken, wenn sie auf ausgedienten Konzepten beharrt. Ein Beispiel: Es wäre nicht empfehlenswert, die Website von vor zehn Jahre aufleben zu lassen. Diese ist nach heutigen Maßstäben sicher unmodern und nicht besonders benutzerfreundlich. Je nach Website könnte es aber sympathisch wirken, beispielsweise ein altes Bild als Header einzubauen oder ein antiquiertes Feature erneut hervorzuholen. Die Kunden an die eigene Geschichte zu erinnern, kann das Vertrauen stärken. Dass die Marke schon seit dieser langen Zeitspanne existiert, deutet auf Stabilität und Qualität hin.

Microsofts Internet Explorer brachte 2013 eine Werbung mit dem Titel „Child of the 90s“ heraus, in dem klassische Erinnerungsstücke der 90er Jahre hervorgeholt wurden. Die Reaktionen auf Social Media waren gemischt: Das Video konnte über 50 Millionen Aufrufe auf YouTube generieren und wurde fleißig geteilt. Jedoch änderte sich die Meinung über den Internet Explorer an sich nicht oder nur wenig. So und so ähnlich sahen die Kommentare zu dem Video aus:

Daraus lässt sich erkennen, was über Millennials hinlänglich bekannt ist: Authentizität ist wichtig. Anscheinend hat der Internet Explorer hier eine Werbung gemacht, die die Menschen zwar angesprochen hat, aber in deren Meinung so gar nicht zu dem Produkt passte.

So kann Nostalgie-Marketing begonnen werden

Wer eine erfolgreiche Nostalgie-Kampagne starten möchte, sollte seine Zielgruppe, bzw. deren Kindheit, genau kennen. Oft hilft es, die bereits erwähnten Beiträge unter dem Hashtag #tbt zu beobachten und zu identifizieren, welche Trends sich abzeichnen und diese dann für die eigene Kampagne zu nutzen.

2015 hörte Mars auf die zahlreichen Kundenwünsche und brachte die beliebte Sorte M&M’S Crispy zurück. Im Nostalgie-Fieber überschlugen sich die Fans unter der Ankündigung auf Twitter, verlinkten Freunde und Familie und ließen so die Vorfreude steigen.

  1. Wer klein anfangen möchte, kann ganz praktisch damit starten, etwas im Retro-Look einzubauen oder zu designen.
  2. Die eigene Geschichte aufzubereiten, stärkt das Vertrauen der Kunden. Die Entstehungsgeschichte der Marke könnte eine eigene Unterseite auf der Website bekommen, mit sorgfältig ausgewählten Fotos beispielsweise des Gebäudes oder der Mitarbeiter. So werden diese auch gleich mit eingebunden und erinnern sich an die Anfänge zurück. Es kann sich anbieten, die Geschichte des Unternehmens neben einige bekannte Ereignisse zu stellen à la „Was war gerade los in der Welt?“.
  3. Im Falle von Startups, die noch auf keine lange Geschichte zurückblicken, können Kunden gebunden werden, indem auf die gemeinsame Kindheit angespielt wird, die sich je nach Zielgruppe im ähnlichen Zeitrahmen abgespielt hat. Abgesehen davon gibt es ein Phänomen namens „historische Nostalgie“, das dafür sorgt, dass z.B. Millennials auch den 70ern und 80ern gegenüber positive Gefühle hegen, allein durch die Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern.

Nostalgie-Marketing ist definitiv keine leichte Aufgabe. Schnell wirkt es gewollt und aufgesetzt oder in der Zeit stehengeblieben. Doch wenn es erfolgreich umgesetzt wird, ist der Marke die nachhaltige Kundenbindung und positive Sicht auf die Marke sicher.

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