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Früher war alles besser – Über die Bedeutung von Nostalgie für Werbetreibende
Das Jo-Jo im "Child of the 90s" Spot von Microsoft, © YouTube

Früher war alles besser – Über die Bedeutung von Nostalgie für Werbetreibende

Ein Gastbeitrag von Martin Dräger | 27.04.15

Die Generation Y schwelgt in Erinnerungen und bietet enormes Konsumpotential. Zeit für Marken und Werbetreibende zu reagieren.

Der Schweizer Arzt Johannes Hofer prägte im 17. Jahrhundert erstmals den Begriff „Nostalgie“. Gemeint war die Diagnose einer neurologischen Erkrankung unter zahllosen Schweizer Söldnern, ausgelöst durch Heimweh.

Heute hat sich die Wahrnehmung dieses Zustandes verändert, der Nostalgie-Gedanke trifft in der Gesellschaft auf breite Zustimmung. Besonders Relikte der Generation Y tauchen überall um uns herum auf, egal ob in Form von Instagram-Filtern im Polaroid-Stil, oder der Hollywood-Remake eines 80er Jahre-Klassikers, z.B. „Ghostbusters“. Die Vergangenheit mag für viele weit weg sein, aber das bedeutet nicht, dass die Menschen aufgehört haben, sich mit ihr zu beschäftigen.

Markenverantwortliche haben dies auch verstanden. BuzzFeed sentimentalisiert die Jugendkultur der 1980er und 1990er-Jahre in Listenform und die weltweit größten Unternehmen bedienen die blühende Sehnsucht des Verbrauchers nach Nostalgie.

Besonders erfolgreich setzte dies Microsoft mit seinem Spot ‚Child of the ’90s‘ um, indem es dem Nutzer den Internet Explorer als eine Art Lebensbegleiter für all seine Kindheits- und Jugendträume – von Furbies bis hin zu aufpumpbaren Reebok-Schuhen – an die Seite stellte. Nach dem Unruly Viral Video Chart erzielte das Video bisher über 49 Millionen Views und 717.723 Shares.

Getragen durch die massive Resonanz der Generation Y erleben wir eine dauerhafte Rückorientierung der Online-Werbung in die Jugendzeit

Die Erinnerung des Menschen an die „guten alten Zeiten“ ist kein neues Phänomen, doch scheint die Generation Y dieser Art des Denkens besonders zugeneigt zu sein.

Für Marken ist wichtig zu wissen, warum dies so ist. Denn schon 2015 wird die Generation Y einen Anteil von 30 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung Deutschland haben, mit steigender Tendenz und entsprechendem Konsumpotential.

Akademische Studien zu Nostalgie-basiertem Marketing zeigen: die Wehmut für die Vergangenheit rückt das Gefühl sozialer Verbundenheit in den Vordergrund, senkt die Priorität des Verbrauchers sein Geld zu sparen und erleichtert Konsumausgaben. Der Brand Power-Index der amerikanischen Fachzeitschrift Adweek, der Marken nach ihrem Social Media-Buzz und Online-Suchanfragen listet, hat dabei Korrelationen zwischen einem nostalgischen Markenbranding und einem Anstieg des Interesses in der Online-Welt erkannt. Beispielsweise erlebte Jack Daniels mit seiner ‚Legend‘-Kampagne einen beeindrucken 27-prozentigen Zuwachs im Brand Power Index.

Der Aspekt der sozialen Verbundenheit spielt auch im Umgang mit der heutigen Medienwelt eine wichtige Rolle. Die aufwachsende Generation Y orientiert sich an BuzzFeed, Streaming-Inhalten und ganz besonders an sozialen Medien, die eine überaus hohe Selbstwahrnehmung hervorrufen. Obwohl alle Generationen ihre Jugend romantisieren, haben Millennials weitaus leistungsfähigere Werkzeuge an die Hand bekommen, um ihre Nostalgie-Gedanken zu äußern und zu teilen. Die großen Marken reagieren darauf. Also belebt Disney sein Star Wars-Franchise, schickte die Pixies wieder auf Tour und holt Popstars vergangener Tage zurück auf den Bildschirm.

Eher politischer Natur ist das Argument, dass die Generation Y in einer Zeit des wirtschaftlichen Wohlstands aufwuchs, nur um im Erwachsenenalter mitten in einer globalen Rezession in die Arbeitswelt einzutauchen. Die symbolische Wärme, die mit der Kultur der 1990er-Jahre verbunden wird, beinhaltet also auch ein ökonomisches Element.

Die Einsamkeit der Nostalgie

Während die gesellschaftliche Nostalgie mit Comic-Conventions und anderen gemeinsamen Leidenschaften verbunden wird, ist die private Nostalgie eine sehr einsame Angelegenheit. Studien zeigen, dass die Menschen zumeist in traurigen Zeiten nostalgisch werden, als eine Art von natürlichem Abwehrmechanismus für aufkommenden Seelen-Blues. Werden wir mit düsteren Zeiten konfrontiert, denken wir lieber an bessere Zeiten zurück und lassen die positive Erinnerungen als Selbstheilungskräfte wirken. Dieser Prozess ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis des Wertes von Nostalgie in der Werbung, die im effektivsten Fall, eine sehr mundgerechte Version dieses Gefühl erzeugt und Inhalte mit hohen Share-Potential produziert.

Unruly’s Studie „Science of Sharing“ betont die Bedeutung des emotionalen Engagement in der Online-Werbung, vor allem in Zeiten, in denen Clickthrough-Raten und Impressions zu schwammigen Metriken gebündelt werden. Diese Emotionen können schockierend, überraschend, widerwärtig oder herzerwärmend sein. In der Regel gilt aber: Werbespots, die positive Gefühle beim Betrachter hervorrufen, werden deutlich häufiger geteilt, als Werbespots die negative Gefühle auslösen.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf wird die Bedeutung der Nostalgie als Marketing-Tool ersichtlich. Videos wie „Child of the 90s“ haben dies erfolgreich bewiesen, indem sie warme oder sentimentale Gefühle beim Zuschauer erzeugen, die einen übergeordnete Sinn für eine Gemeinschaft implizieren, die das Gleiche erlebt hat. Was die Werbung betrifft, so umfasst Nostalgie also weit mehr als Referenzen zu Insider-Witzen oder der Glorifizierung bestimmter Zeitalter.

Vielmehr geht es um die Erinnerung an gute Zeiten und, noch wichtiger, den Austausch dieser Erfahrungen mit anderen. Und das ist von unschätzbarem Wert.

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