Human Resources
Mindestlohn reicht nicht: 70 Prozent der Arbeitsuchenden fühlen sich unterbezahlt

Mindestlohn reicht nicht: 70 Prozent der Arbeitsuchenden fühlen sich unterbezahlt

Marié Detlefsen | 01.10.25

Trotz jüngster Erhöhung sehen die meisten Arbeitnehmer:innen im Mindestlohn keine Entlastung. Erfahre, welche Entlohnung sich Beschäftigte wünschen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können.

Seit Jahresbeginn 2025 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde. Dieser soll im nächsten Jahr auf 13,90 Euro und ab 2027 auf 14,60 Euro angehoben werden. Doch wie ordnen Arbeitnehmer:innen und Jobsuchende diesen Lohn im Alltag und reicht dieser aus ihrer Sicht für das Mindeste zum Leben aus? Eine aktuelle Umfrage der Jobplattform Jooble gibt Einblicke und zeichnet ein eher ernüchterndes Bild. Wir stellen dir die Ergebnisse vor.

Unzufriedenheit mit aktuellem Mindestlohn

Die Studie wurde im Zeitraum vom 19. Juni bis 25. August 2025 durchgeführt und befragte insgesamt 1.195 Personen Die Ergebnisse zeichnen dabei ein deutliches Meinungsbild ab: Sieben von zehn Befragten halten den derzeitigen Mindestlohn für nicht ausreichend, um ein Leben in Deutschland zu finanzieren. Nur rund 17 Prozent sehen den Satz als mehr oder weniger angemessen an, während sich knapp sechs Prozent einer Einschätzung entzogen.

Sieben von zehn Befragten halten den derzeitigen Mindestlohn für nicht ausreichend, © Jooble
Sieben von zehn Befragten halten den derzeitigen Mindestlohn für nicht ausreichend, © Jooble

Besonders deutlich wird die Diskrepanz, wenn nach dem „fairen“ Mindestlohn gefragt wird: Über die Hälfte (53,8 Prozent) der Befragten wünscht sich eine Bezahlung von mehr als 15 Euro pro Stunde. Fast ein Drittel (29,9 Prozent) hält einen Wert zwischen 14 und 15 Euro für angemessen. Damit liegt die Erwartungshaltung spürbar über dem aktuellen Satz von 12,82 Euro und teilweise auch über den geplanten Anpassungen in den kommenden Jahren.

Über die Hälfte (53,8 Prozent) der Befragten wünscht sich eine Bezahlung von mehr als 15 Euro pro Stunde, © Jooble
Über die Hälfte (53,8 Prozent) der Befragten wünscht sich eine Bezahlung von mehr als 15 Euro pro Stunde, © Jooble

Erwartete Wirkung der Mindestlohnerhöhung

Interessant ist auch die Frage, wie stark die Anhebung des Mindestlohns die finanzielle Lage der Menschen tatsächlich verändert. Knapp 23 Prozent glauben, dass die Anpassung ihre Grundausgaben deckt, weitere 24 Prozent erhoffen sich zumindest eine leichte Entlastung. Doch eine Mehrheit von fast 40 Prozent sieht keinerlei Verbesserung. Für viele bleibt die Sorge: Höhere Preise könnten mögliche Lohnsteigerungen direkt wieder aufzehren.

So ist auch die Idee einer automatischen Kopplung des Mindestlohns an die Inflation immer wieder als Gesprächsthema auf dem Tisch. Laut der Umfrage findet eine solche jährliche Indexierung bei über 60 Prozent Zustimmung (davon stimmen 42,3 Prozent voll und 18,7 Prozent teilweise zu). Allerdings lehnen auch 20,5 Prozent dieses Konzept ab. Die restlichen Befragten konnten sich nicht festlegen.


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So groß ist die Einkommenslücke in Europa

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© Nicola Barts – Pexels


Nicht nur der Mindestlohn spielt eine Rolle

Die Einführung des neuen Mindestlohns hat die Jobsuche für viele dennoch nicht erleichtert. Rund 24 Prozent gaben an, dass die Stellensuche schwieriger geworden sei, während nur elf Prozent von mehr offenen Positionen berichten. Für etwa ein Drittel blieb alles unverändert. Auch beim Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich ein gemischtes Bild: Knapp zwölf Prozent erleben diesen stärker, die Hälfte sieht jedoch keine Veränderung.

Für die individuelle Motivation scheint der Mindestlohn ebenfalls nur begrenzt ein Hebel zu sein: Lediglich 13,6 Prozent sind bereit, durch zusätzliche Schichten ihr Einkommen aufzubessern. Die große Mehrheit (fast 60 Prozent) lehnt dies ab, meist mit dem Hinweis, ohnehin bereits Vollzeit zu arbeiten.

Neben der Höhe des Gehalts spielen für Bewerber:innen vor allem die Arbeitsbedingungen im Unternehmen eine große Rolle, © Jooble
Neben der Höhe des Gehalts spielen für Bewerber:innen vor allem die Arbeitsbedingungen im Unternehmen eine große Rolle, © Jooble

Neben der Höhe des Gehalts spielen für Arbeitsuchende auch andere Faktoren eine zentrale Rolle. So nennen 72 Prozent die Arbeitsbedingungen als wichtigstes Kriterium, dicht gefolgt von sozialen Zusatzleistungen, dem Arbeitsort und der Zuverlässigkeit der Arbeitgeber:innen. Aspekte wie Weiterbildungsmöglichkeiten und Führungsstil runden die Liste ab.

Mehr Arbeit gleich mehr Geld?

Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich: Der gesetzliche Mindestlohn von 12,82 Euro wird von einer klaren Mehrheit der Befragten als unzureichend empfunden. Auch die geplanten Erhöhungen in den kommenden Jahren dürften nach Ansicht vieler kaum reichen, um steigende Lebenshaltungskosten abzufangen. Um dies vorzubeugen lässt Hamburg zum Beispiel demnächst mit einem Volksentscheid über ein Grundeinkommen als Experiment abstimmen, welches als Projekt eine Alternative zum Geringeinkommen darstellen könnte.

Natürlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei den Ergebnissen um eine reine Meinungsstudie handelt und diese nicht belegt, dass der Mindestlohn für viele nicht zum Leben ausreicht. Dennoch zeigt sich immer wieder, dass viele Menschen um eine Erhöhung des Lohnsatzes kämpfen oder dass vor allem junge Leute häufig mehrere Jobs gleichzeitig ausüben, um irgendwie über die Runden zu kommen. Mehr dazu erfährst du im folgenden Artikel:


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