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Technologie
Abmahnungen für WhatsApp User? Warum du diese Angst nicht teilen musst

Abmahnungen für WhatsApp User? Warum du diese Angst nicht teilen musst

Niklas Lewanczik | 28.06.17

Obwohl vielfach berichtet, macht sich nicht jeder WhatsApp User per se strafbar und hat Abmahnungen zu befürchten. Auch wenn der Datenschutz bei der App verzwickt ist.

Ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld sieht in der Datenweitergabe von WhatsApp ein unzulässiges Verhalten des Users. Nach dem Einzelurteil kursiert in diversen Medien die Auffassung, mit der WhatsApp-Nutzung mache man sich strafbar und man habe kostenpflichtige Abmahnungen zu befürchten. Diese Angst ist jedoch aufgebauscht.

Ein Gerichtsurteil: Muss nun jeder WhatsApp User Abmahnungen befürchten?

Nachdem das Amtsgericht Bad Hersfeld im Mai ein Urteil zum vermeintlich widerrechtlichen Verhalten eines WhatsApp Users gefällt hatte, wurde dieses unlängst zur Grundlage teils übersteigerter Schlussfolgerungen. Das Urteil kommt zu diversen Schlüssen. Dabei heißt es auch, dass

jeder Nutzer […] bei der Nutzung dieser App jeweils und fortwährend eine tatbestandliche Rechtsverletzung im Sinne einer deliktischen Handlung nach geltendem deutschen Recht

begehe, da allgemein das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unterwandert werde. Dieses leitet das Gericht aus Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ab. In der Folge basiert der Richtspruch auf den Paragraphen 823 und 1004 des BGB, die die Schadenersatzpflicht und einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch behandeln. Demnach könne jeder WhatsApp User von einem seiner Kontakte, der die Weitergabe seiner Daten an WhatasApp für rechtswidrig hält, auf Unterlassung verklagt und kostenpflichtig abgemahnt werden.

Diese Einschätzung des Amtsgerichts nahmen einige Publisher zum Anlass, um reißerisch die Angst der User zu schüren. „Wer WhatApp nutzt, macht sich strafbar! Schon das Nutzen des Messengers könnte böse Folgen haben …“ titelte OK!. Dabei sprangen viele Medien auf den Zug auf und warnten vor den möglichen Folgen dieses Datenschutzproblems. Interessant ist dabei die Beobachtung, dass Publisher genau diesen Aspekt auf klickstarke Weise nutzen, um selbst Traffic zu bekommen; und damit Informationen, wie der Hinweis auf die Nutzung von Cookies verrät.

OK! Screenshot mit Hinweis auf Cookie-Nutzung (mit einem Klick aufs Bild gelangt ihr zur größeren Ansicht), © OK!

Dabei ist das Gerichtsurteil mit seinen Auswirkungen weit weniger bedeutsam als so manche Website es verlautbaren ließ. So berichtete etwa Die Welt weitaus reflektierter über den Fall. Dort wird logisch argumentiert, dass – wenn jeder WhatsApp User das Gesetz durch die Nutzung breche – eigentlich die Bedingungen des Dienstes WhatsApp anzugehen seien. Zudem heißt es im Bericht, dass „die Einzelentscheidung eines Amtsgerichts […] keine grundlegende Linie“ vorgebe.

Bin ich nun als WhatsApp User Strafen ausgesetzt oder nicht?

Die große Frage ist, ob nun der Nutzer der App eine Straftat begeht, wenn er qua Richtlinien von WhatsApp die Daten seines Telefons an den Messenger Dienst übermittelt. Davon geht das Amtsgericht Bad Hersfeld aus. Auf seiner Website Recht 2.0 fragt der Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht sich jedoch auch, ob die privaten Nutzer von WhatsApp rechtlich für die Weitergabe und Verarbeitung zur Verantwortung gezogen werden können und ob von Seiten der Kontakte Abmahnungen aufgrund eines Eingriffs in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung zulässig sind.

Bevor eine Beleuchtung dieser Fragestellung aus rechtlicher Sicht folgt, sollte angeführt werden, dass die WhatsApp Nutzer sich selbst den Datenschutzrichtlinien der App aussetzen und sich über diese auch im Klaren sein sollten. Bei den Nutzungsbedingungen heißt es zum Thema Adressbuch:

Du stellst uns regelmäßig die Telefonnummern von WhatsApp-Nutzern und deinen sonstigen Kontakten in deinem Mobiltelefon-Adressbuch zur Verfügung. Du bestätigst, dass du autorisiert bist, uns solche Telefonnummern zur Verfügung zu stellen [Hervorhebung d. Red.], damit wir unsere Dienste anbieten können.

Die Frage nach der Autorität des Users bildet wohl den Knackpunkt in dieser Frage. Denn auch Kontakte in deinem Adressbuch, die nicht die App WhatsApp nutzen, werden an diesen Dienst weitergegeben. Bist du dazu wirklich autorisiert? Man kann an dieser Stelle nachvollziehen, wenn ein solcher Kontakt (vielmehr die Person dahinter) sich in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingeschränkt sieht.

Mehr zur Gesetzeslage

Doch die Auslegung der Gesetze lässt sich, wie meist, unterschiedlich an. Denn zum einen schließt das auch vom Gericht erwähnte Bundesdatenschutzgesetz seine Geltung und seinen Anwendungsbereich aus, sofern es um rein familiäre oder persönliche Tätigkeiten geht. Das geht aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 sowie § 27 Abs. 1 Satz 2 hervor. Diesen Einwand bringt auch Dr. Ulbricht vor, wobei er ebenso auf den Kommentar zu Artikel 2 des Grundgesetzes nach Maunz und Dürig verweist, wo es heißt:

Sofern Daten durch Private erhoben, gespeichert und verwendet werden, gelten andere Grundsätze. Insbesondere benötigt der Private keine gesetzliche Ermächtigungsnorm als unbedingte Voraussetzung legitimen Handelns. […] Andererseits: Sofern und solange der Gesetzgeber keine einschränkende Regelung trifft, steht jedermann das Recht zu, sich personenbezogene Informationen zu verschaffen und diese zu verarbeiten.

Zudem kann man anführen, dass fraglich ist, ob jedem privaten WhatsApp User per se unterstellt werden kann, dass er „mindestens fahrlässig“, wie es im Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld heißt, handelt oder gar vorsätzlich. Denn Vorsatz ist eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des vom Gericht anzitierten Paragraphen 823 des BGB, wo es in Absatz 1 heißt:

(1) Wer vorsätzlich [Hervorhebung d. Red.] oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Warum die Nutzer der App keine Abmahnwelle fürchten müssen und für wen dennoch ein Risiko besteht

Wie schon Die Welt prognostiziert, meint auch Dr. Carsten Ulbricht auf seiner Website, dass das mindestens diskutable Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld nicht zu einer Reihe von Abmahnungen gegen private WhatsApp User führen wird. Daher sind viele Überschriften, die zur Zeit bei manchen Onlinemedien auftauchen, eher eine Reaktion auf eine Eventualität. Also keine Angst, du bist kein „WhatsApp-Gangster“, wie OK! so munter schreibt, wenn du die App nutzt.

Dennoch sind die Überlegungen und Fragen in Bezug auf den Datenschutz bei WhatsApp nicht unbegründet. Denn es stellen sich weiterhin grundlegende Fragen. Zum einen, inwieweit der Dienst WhatsApp Haftung für datenschutzwidrige Handlungen übernehmen müsste oder ob tatsächlich der Nutzer zur Rechenschaft gezogen werden kann. Obwohl die komplexe Frage von juristischem Fachpersonal behandelt werden muss, lohnt es sich in diesem Zusammenhang nochmals in die Haftungsauschlüsse in den AGBs WhatsApps zu schauen:

WIR SIND NICHT DAFÜR VERANTWORTLICH, DIE HANDLUNGEN BZW. INFORMATIONEN (EINSCHLIESSLICH DER INHALTE) UNSERER NUTZER BZW. SONSTIGER DRITTER ZU KONTROLLIEREN, UND WIR SIND AUCH NICHT ZU EINER SOLCHEN KONTROLLE VERPFLICHTET. DU STELLST UNS, UNSERE TOCHTERGESELLSCHAFTEN, VERBUNDENEN UNTERNEHMEN SOWIE UNSERE UND DEREN DIREKTOREN, LEITENDEN ANGESTELLTEN, MITARBEITER, PARTNER UND BEAUFTRAGTEN (ZUSAMMEN DIE „WHATSAPP- PARTEIEN“) FREI VON JEDWEDEN BEKANNTEN UND UNBEKANNTEN ANSPRÜCHEN, BESCHWERDEN, KLAGEGRÜNDEN, RECHTSPROZESSEN BZW. -STREITIGKEITEN (ZUSAMMEN DER „ANSPRUCH“) UND SCHADENERSATZANSPRÜCHEN, DIE IN BEZUG ZU IRGENDEINEM DERARTIGEN ANSPRUCH DEINERSEITS GEGENÜBER IRGENDEINEM DRITTEN STEHEN, SICH AUS EINEM SOLCHEN ERGEBEN BZW. IN IRGENDEINER WEISE MIT DIESEM VERBUNDEN SIND.

Man verpflichtet sich als User sogar, WhatsApp-Parteien schad- und klaglos zu halten und „zu verteidigen“.

Aus diesen Beobachtungen lässt sich der Schluss ziehen, dass wir als User einer solchen App die AGBs stets genau im Auge behalten sollten. Dazu sollte auch immer eine kritische Reflexion erfolgen, wie wir derlei Dienste verwenden. Genau an dieser Stelle kommt dann das doch vorhandene Risiko der Nutzung von WhatsApp ins Spiel.

Bei einer geschäftsmäßigen Nutzung nämlich ist die Perspektive auf die Datennutzung Dritter durch WhatsApp User durchaus eine andere. Dabei müsste man § 28 des Bundesdatenschutzgesetzes beachten; und hierbei fällt auf, dass die WhatsApp-Datenweitergabe nicht unbedingt rechtlich abzusichern ist. Wer also WhatsApp auch für die Arbeit nutzt, und eventuell gar sensible Kundendaten übermittelt, sollte sich der präkeren Bedingungen bewusst sein. Private Nutzer hingegen werden kaum in großer Menge von ihnen bekannten Kontakten Abmahnungen zu befürchten haben.

Genauere Erläuterungen bietet zum einen Dr. Ulbricht bei Recht 2.0. Zudem lohnt sich in derartigen Streitfällen immer ein Blick in die entsprechenden Gesetzbücher und natürlich die AGBs. Die – auch juristische – Auseinandersetzung mit Datenschutzbestimmungen usw. von Messenger Diensten wie WhatsApp wird jedoch künftig wohl noch häufiger Thema sein. Auch dann ist ein genauerer Blick ratsam.

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