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Social Media Marketing
Viel Gezwitscher um nichts? Kritik an Twitter hält sich hartnäckig

Viel Gezwitscher um nichts? Kritik an Twitter hält sich hartnäckig

Stefan Rosentraeger | 18.12.14

Die Kritik an Twitter reißt seit dem Börsengang nicht ab. Bietet das Netzwerk nicht mehr als ein bisschen Gezwitscher? Die Zeichen für das blaue Vögelchen stehen nicht sonderlich gut.

„Flieg nicht so hoch mein kleiner Freund“, warnte Schlagersängerin Nicole in den 80ern. Twitter ist seit dem Börsengang 2013 hoch geflogen und hätte mal lieber auf die Warnung gehört: Das Netzwerk hat sich dabei die Flügel versengt und einige Federn gelassen. Die Erwartungen der Anleger wurden alles andere als erfüllt.

Gerupftes Huhn, lahme Ente – die Wortspiele für den Misserfolg des sozialen Netzwerks sind ebenso vielfältig wie die Lobeshymnen. Aktuell berichtet die W&V im Dezember, dass Agenturen Twitter entdecken und beruft sich auf eine Analyse von Brandwatch. Die Social Media Analysten haben anhand der Auswertung von Retweets und Mentions ermittelt, dass deutsche Agenturen sich – lange nach ihren englischsprachigen Kollegen – intensiver mit dem blauen Vögelchen beschäftigen als früher. Sehr spät, bedenkt man, dass Twitter seit 2009 im Netz unterwegs und nun schon einige Zeit an der Börse ist. Aber was sagt das digitale Gezwitscher überhaupt aus? So ganz kann Twitter bis heute den Ruf nicht abschütteln, extrem überbewertet zu sein.

Nutzer beklagen Wirkung Twitters: nur „eine Böe im Blätterwald“

„Die vielen Mentions und Retweets deuten nur auf eines hin: Friends & Family. Mitarbeiter sind angehalten fleißig den Erfolg der Aktivitäten zu befördern, was ja ok ist. Nur sollte man sich als Analyst dann mit den Interpretationen m.e. etwas zurückhalten – oder einfach genauer hinschauen“. Ahnlich kritisch wie Stephan Junghanns zum oben genannten W&V-Artikel  äußern sich Experten bereits seit einiger Zeit zum viel beschworenen Erfolg Twitters.

Der Nutzer „Pro¡ektor“ schildert in einem Forenbeitrag von November 2013 auf heise.de seine Erfahrung mit dem digitalen Gezwitscher:

Ich habe mal über ein Jahr intensiv Twitter genutzt. Das ist alles ganz lustig, und die meisten ver wenden es wie einen Chat, mehr aber auch nicht. Twitter-Trends sind irrelevant[…] Selbst der bislang  größte Twitterhype hierzulande, der sogenannte #Aufschrei existierte nur in den Twitter-vernarrten (Online-)Medien wie Spiegel-Online und Co. Da half der zusammengeschusterte Gimme-Preis auch nicht –  gesellschaftlich lässt sich die Relevanz mit einer Böe im Blätterwald  vergleichen. Allerdings muss man der Vollständigkeit halber sagen, dass sich eine  gewisse Relevanz für Firmen ergibt, die über Twitter ihre Pressemitteilungen anteasern, weil eben die Presse Twitter verfolgt.

Knapp fünf Jahre nach dem Start ist Twitter in Deutschland also immer noch nicht mehr als ein verlängerter Arm der Presse- und Marketingabteilung? Social Media Experten hören und lesen das überhaupt nicht gern und betonen, dass es auf Twitter primär um den laufenden Kontakt zu Stakeholdern und die Stärkung der eigenen Reputation beziehungsweise der Marken-Reputation geht.

Aktive Nutzerzahlen sind Twitters Achillesferse

Das stimmt, aber die Börse genauso wie die meisten Unternehmen bewerten nach harten Kennzahlen wie Umsatzsteigerungen oder gewonnen Leads oder abgeschlossenen Verträgen. Daher überzeugt der langfristige positive Nutzen Twitters bis heute viele Entscheider nicht.

Haupt-Achillesferse des Kurznachrichtendienstes sind die aktiven Nutzer. Wenn der Großteil davon Karteileichen oder anonyme Accounts sind, die nur dazu dienen, die Followerzahlen einzelner Mitglieder in die Höhe zu treiben, dann verpuffen die Statistiken, die einen vermeintlichen Erfolg Twitters beschwören.

2011 fragte Business Insider in seinem Chart of the Day „How Many Users Does Twitter REALLY Have?“ Und lieferte ein ernüchternes Ergebnis: Zum einen weigerte sich Twitter damals wie heute, seine aktiven Nutzerzahlen konkret offen zu legen. Zum anderen bestätigen die Fakten, dass weit weniger Mitglieder aktiv zwitschern. Business Insider Nicholas Carlson machte dazu eine Rechnung auf:

There were 119 million Twitter accounts following one or more other accounts. There were 85 million accounts with one or more followers. With these figures, and Twitter’s claim of 175 million accounts, a little subtraction shows us that there are 56 million Twitter accounts following zero other accounts, and 90 million Twitter accounts with zero followers.Those are some interesting figures, because they show us Twitter is much smaller than the „175 million!“ number might lead us to believe.

Auch für 2014 hat Business Insider einen Blick auf Twitter geworden – und kommt zu keinem besseren Ergebnis: „Twitter Is Having A Hard Time Attracting New Users“. Das klingt nicht nach einem sozialen Netzwerk, das sich zu einem erfolgreichen börsennotierten Unternehmen gemausert hat.

Aktive Nutzer auf Twitter. (Grafik: Business Insider)
Aktive Nutzer auf Twitter. (Grafik: Business Insider)

Deutsche Börsen-Experten wittern „Warnsignale“

Deutsche Börsen-Experten sehen ebenfalls einige negative Signale, die der Microblogging-Dienst am Aktienmarkt aussendet. Das Portal Stock World spricht im Beitrag „Twitter immer noch völligst überbewertet“ vom 10. Dezember 2014 von „Warnsignalen“:

Der Kurznachrichtendienst hat bereits Ende Oktober seinen mittelfristigen Aufwärtstrend verlassen. […] Laut Medienberichten hat trotz der Kursrückgänge der vergangenen Wochen der Twitter–Mitgründer Evan Williams erstmals Aktien verkauft. Ein Vertrauensbeweis ist das nicht, vor allem in so schwierigen Zeiten. Das Unternehmen tut sich schon seit Gründung schwer, seine Dienstleistung zu monetarisieren. Zuletzt hat sich nun auch noch das Nutzerwachstum abgeschwächt.

Twitter lässt Konkurrenten wie Instagram an sich vorbeiziehen

Unterdessen lässt Twitter seine Konkurrenten wie Instagram an sich vorbeiziehen. Auf die Frage, wie ernst er den großen Zuspruch für Instagram im Gegensatz zu Twitter nehme, antwortete Mit-Gründer Evan Williams: „Twitter’s impact on the world is far more significant than Instagram where people come to see just pretty pictures“.

Dabei lässt Williams außer Acht, dass Twitter es den meisten Usern einfacher macht, mit anderen Nutzern zu sprechen und mit Content zu interagieren. Und am Ende des Tages geht es darum, die Zielgruppen dazu bringen, Content nicht nur wahrzunehmen, sondern auch mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten, um ein erfolgreiches Geschäft zu machen. Business Insider bringt es auf den Punkt:

„One of the criticisms of Twitter, and an area the company itself has admitted it needs to improve on, is that there is a lengthy onboarding process when a user first joins Twitter. […] Instagram, on the other hand, is fairly straightforward: Click the heart to like, the speech bubble to comment. Simple.[…] Ev Williams might not ‚give a shit if Instagram has more people looking at pretty pictures,‘ but he might sit up and take notice when brands start moving their Twitter dollars over to the photo sharing app.

Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Und so schnell, wie Twitter nach oben geflogen ist, kommt der Absturz. Daher würden die Gründer gut daran tun, die kritischen Stimmen auf Experten- und Nutzerseite ernst zu nehmen.

Wie bewertet Ihr die Diskussion um Twitter? Kommt der Kurznachrichtendienst aus der anhaltenden Krise?

Kommentare aus der Community

Ralph am 06.01.2015 um 22:17 Uhr

Die Entwicklung von Twitter seit seinem Börsengang beobachte ich ebenfalls. Sie ist meiner Meinung alles andere als erfreulich. Persönlich bin ich sehr auf die Entwicklung von Twitter in 2015 gespannt.

Beste Grüße

Ralph

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