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Social Media Marketing
Oh du Sexistische: Weihnachtsspot für Heimtrainer wird zum Gespött auf Twitter
Der Gesichtsausdruck der Beschenkten spricht Bände - glaubt man zumindest auf Twitter. Quelle: Screenshot

Oh du Sexistische: Weihnachtsspot für Heimtrainer wird zum Gespött auf Twitter

Michelle Winner | 09.12.19

Ein Gerät zur Gewichtsabnahme ist nicht das sensibelste Weihnachtsgeschenk, das ein Ehemann machen kann. Erneut zeigt sich der starke Einfluss von Social Media Shitstorms.

Weihnachtswerbung gehört genauso zur festlichen Jahreszeit wie Lebkuchen, Lichterketten und Co. Einige Unternehmen haben in diesem Segment genau das richtige Gespür und schaffen es, uns mir ihren Spots emotional zu berühren. Andere sollten jedoch lieber die Finger davon lassen. Bestes Beispiel dafür ist der US-amerikanische Fitnessgerätehersteller Peloton. Sein Weihnachtsspot löste einen Shitstorm auf Twitter aus – und bot herrliches Meme-Material.

Was war passiert?

Im Mittelpunkt dieses Werbefauxpas steht ein 30-sekündiger Clip von Peloton. Ein Ehemann schenkt seiner Frau zu Weihnachten einen Heimtrainer in Form eines Fahrrads. Seiner äußerst schlanken, attraktiven Frau. Diese startet sogleich mit dem täglichen Training und hält ihre Fortschritte in Selfie-Videos fest. Ihr Blick dabei wirkt so, als würde hinter der Kamera jemand mit gezückter Pistole stehen. Ein Jahr später, an Weihnachten, schaut sie sich gemeinsam mit ihrem Mann einen Zusammenschnitt der Videos an und feiert, wie sehr das Training sie verändert hat. Bevor wir weiter ins Detail gehen, hier der Clip für alle Neugierigen:

Was hat Peloton falsch gemacht?

Diese Frage sollten die Beschreibung und der Werbespot selbst bereits beantworten: So ziemlich alles. Der Clip reiht sich ein in eine Liste von Werbungen (vor allem an Frauen gerichtete), die nichts mit dem realen Leben zu tun haben. Rasierer, die bereits glatte Beine rasieren, menstruierende Frauen, die freudig auf ihrem Bett herumspringen, und nun ein Heimtrainer, der die Erfolge einer bereits schlanken Kundin anpreist. Genau hier liegt der erste Kritikpunkt:

Problem Nr. 1: Die unrealistische Umwandlung

Pelotons Werbung wirkt einfach unecht. An dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass natürlich auch schlanke Personen Training betreiben, um sich fit zu halten. Jedoch stellt der Spot es so dar, dass die Ehefrau eine riesige Veränderung á la Biggest Loser durchgemacht hätte. Dem ist aber nicht so. Es stellt sich also die Frage, wieso Peloton nicht die Chance nutzte, um die Verwandlung einer echten Kundin zu zeigen, die sich nicht wohl in ihrer eigenen Haut fühlte und deshalb mit dem Training begann. Damit hätten definitiv positive Emotionen hervorgerufen und gleichzeitig die Motivation potentieller Neukunden geweckt werden können. Eine Twitter-Userin verteidigt den Spot jedoch mit einem validen Argument:

Damit hat sie nicht ganz unrecht. Und hätte der Spot thematisiert, dass die Frau mit Hilfe des Sports einen Weg aus ihren psychischen Leiden findet, hätte er die richtige Wirkung erzielen können. Doch da diese Problematik nicht thematisiert wird, liegt der Abnehm-Gedanke näher. So oder so hätte Peloton seine Message eindeutiger machen sollen – gerade bei einem sensiblen Thema wie dem eigenen Körper.

Problem Nr. 2: Fat-Shaming und Sexismus

Bei diesem Punkt gehen die Meinungen auseinander, doch ein Großteil der Online Community und auch viele News-Portale sehen sexistische Züge in der Werbung. Es geht darum, dass der Ehemann seiner Frau ein Fitnessgerät schenkt – was ein Hinweis daraus sein kann, dass er sie zu dick findet und will, dass sie für ihn abnimmt. Nicht, weil sie sich selbst in ihrem Körper unwohl fühlt. Dass sie zum Training gezwungen ist, wird durch ihren Gesichtsausdruck unterstrichen, wie dieser Vergleich mit einem Charakter aus dem Horrorfilm „Get Out“ zeigt:

Gleichzeitig ist es auch verständlich, dass andere Menschen sich online über die Kritik aufregen. Es gibt tatsächlich viele Frauen, die sich einen Heimtrainer zu Weihnachten wünschen – einfach weil die Teile verdammt teuer sind und nicht jeder sich die Anschaffung unter dem Jahr leisten kann. Daran ist auch überhaupt nichts verkehrt. Jedoch ist ein Heimtrainer, ebenso wie Deos, Putzutensilien und Küchengeräte, ein eher umstrittenes Geschenk, das falsch verstanden werden kann. Die einen freuen sich, die anderen sind beleidigt.

Hinzu kommt, dass der Werbespot einfach ein Klischee aufgreift: Frauen sind sehr bedacht auf ihr Gewicht und müssen trainieren, um sozialen Normen und ihrem Ehemann zu entsprechen. Wieso hätte Peloton zum Beispiel nicht einen Mann zum Trainierenden machen können? Vermutlich weil die Vorstellung „unwahrscheinlich“ ist, dass er einen Heimtrainer benutzt. Wieso unwahrscheinlich? Weil in unserer Gesellschaft – vor allen in den Medien – Frauen als ständig bedacht auf ihr Gewicht und Äußeres dargestellt werden, besonders im Vergleich zu Männern. Dass das Quatsch ist, sollte jedem klar sein – spätestens nachdem man fünf Minuten lang die Muskelprotze im McFit beim Posen für Instagram beobachtet hat. Der Spot hat viele User dazu veranlasst, eine eigene, ehrliche Version davon zu drehen. Hier eines der Highlights:

Die Macht von Twitter und Co.

Was Peloton ebenfalls nicht bedacht hat, war, dass ihr Werbespot viral gehen würde. Teilweise kann so ein Shitstorm dafür sorgen, dass es zwar Kritik hagelt, die Verkaufszahlen aber trotzdem in die Höhe schießen. Doch diesmal ging die Rechnung nicht auf. Nicht nur auf Social Media sondern auch auf vielen News-Plattformen wurde über die fragwürdige Werbung berichtet – was zur Folge hatte, dass der Aktienwert von Peloton um 10 Prozent fiel. Stattdessen konnte nun aber eine andere Marke von dem medialen Skandal profitieren: Ryan Reynolds Aviation Gin. Das Unternehmen hat sich die Schauspielerin aus dem Peloton-Spot geschnappt und eine ehrliche Fortsetzung des Ganzen gedreht:

Dieser Fall zeigt erneut, wie stark die Online Community ist und was ein Shitstorm für Unternehmen bedeuten kann. Ob Peloton vielleicht sogar darauf spekuliert hat, wissen wir nicht. Fakt ist jedoch, dass man gerade in der umsatzstarken Vorweihnachtszeit aufpassen sollte, wie man wirbt. Das echte Leben und echte Emotionen punkten bei den Kunden meist besser, als ein übertriebenes Idealbild. Und in diesem Sinne soll dieser Artikel mit der ehrlichsten Frage enden, die man in Bezug auf einen Heimtrainer haben kann:

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