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Social Media Marketing
„Sobald es ein finanzielles Interesse gibt, erscheinen auch Fakefluencer“ – HypeAuditor geht mit KI dagegen vor
Top 10 Instagram Follower nach Zahl der qualitativen und Engaged Follower in Deutschland, © HypeAuditor

„Sobald es ein finanzielles Interesse gibt, erscheinen auch Fakefluencer“ – HypeAuditor geht mit KI dagegen vor

Niklas Lewanczik | 16.10.20

Fake Accounts sind im milliardenschweren Influencer-Markt keine Seltenheit. Die Influencer-Datenbank HypeAuditor deckt solchen Betrug auf und CEO Alexander Frolov erklärt uns, wie es dazu kommt und wie du Fakefluencer erkennst.

15 Milliarden US-Dollar – so viel könnte der Markt für Influencer Marketing im Jahr 2022 Schätzungen von Business Insider Intelligence zufolge bereits wert sein. Das dürfte User und Marketer bei den immensen Nutzungszahlen auf Plattformen wie YouTube (zwei Milliarden monatlich aktive User), Instagram (über eine Milliarde monatlich aktive User), Facebook (2,6 Milliarden monatlich aktive User) oder TikTok (allein in Europa über 100 Millionen monatlich aktive User) kaum überraschen. Während derzeit diverse neue Social-Commerce-Lösungen das Interesse der Marken auf sich ziehen, bleibt das Werben über populäre Influencer ein wichtiger Aspekt im Marketing-Mix vieler Unternehmen.

Doch wo viel Geld verdient wird, sind Betrugsversuche nicht weit. Rund 50 Arten von Fake Accounts hat das russische Influencer-Datenbank-Unternehmen HypeAuditor bereits kategorisiert. Doch wie können Außenstehende erkennen, ob Creator auf TikTok für nur 90 Cent 1.000 Likes gekauft haben oder auf Instagram Story Views kaufen oder sogar Comment Pods einsetzen? Wir haben mit Alexander Frolov, dem Mitgründer und CEO von HypeAuditor, gesprochen, um mehr über Fakefluencer zu erfahren und dir Insights vom renommierten Analyseunternehmen zu liefern.

„Es ist möglich, 1.000 gefälschte Follower auf TikTok für drei US-Dollar zu kaufen“

Das erklärt uns Frolov im Interview und weist damit auf eine immense Problematik im Influencer-Markt hin: Fakefluencer und Fake Accounts. Die von ihm geleitete Influencer-Datenbank HypeAuditor umfasst mehr als 19 Millionen Influencerinnen. Erst 2018 gegründet, weist sie schon mehr als 750.000 Nutzende weltweit auf und zählt damit zu den am schnellsten wachsenden Influencer-Datenbanken der Welt. Büros in St. Petersburg, London, New York und Indianapolis sprechen bereits für sich.

Mit HypeAuditor können Marken leicht Influencer herausfiltern, die zu ihrer Strategie passen – und dabei nicht nur jene mit der höchsten Reichweite finden. So setzen inzwischen bekannte und global operierende Brands wie Unilever, Michelin und Philips auf das Unternehmen und dessen Expertise im Influencer Marketing. Ihnen und allen anderen Nutzenden hilft HypeAuditor dabei, Fraud im bereits so riesigen Influencer-Umfeld aufzudecken – mit der Plattform lässt sich auch herausfinden, was in einem Land, einer Region, einer Nische oder einer Zielgruppe gerade angesagt ist.

So sieht beispielsweise der Audience Quality Score bei HypeAuditor aus
So sieht beispielsweise der Audience Quality Score bei HypeAuditor aus, © HypeAuditor

Deutlich wird das Ausmaß von Betrugstaktiken auf der für die meisten Influencerinnen und Marken womöglich relevantesten Social-Plattform, Instagram. Aus HypeAuditors Bericht zum „State of Influencer Marketing in Germany“ geht hervor, dass in Deutschland über 25 Millionen Menschen Instagram nutzen (Stand August 2020). Allerdings weisen fast 25 Prozent aller Influencer hierzulande über 50 Prozent unauthentische Kommentare auf.

Balkendiagramm: Wie viele Influencer haben unauthentische Kommentar in Deutschland?
Wie viele Influencer in Deutschland haben unauthentische Kommentare?, © HypeAuditor

Eine weitere Erkenntnis des Berichts ist, dass die Verwicklung in Fraud-Aktivitäten bei Accounts in Deutschland umso häufiger vorkommt, je größer die Accounts sind. Vor allem Makro-Influencer mit über 100.000 Followern sind betroffen (58,9 Prozent).

Balkendiagramm: Wie viele Influencer sind in Deutschland in Fraud involviert?
Wie viele Influencer sind in Deutschland in Fraud involviert?,© HypeAuditor

Die Betrugstaktik rund um Comment Pods – Blogger-Gruppen auf sozialen Plattformen, die dort das Kommentieren von Posts vereinbaren – wird hingegen eher von kleinen Accounts mit Follower-Zahlen zwischen 1.000 und 5.000 angewandt. Diese Pods sind schwer bei Content auszumachen, denn Nick Baklanov von HypeAuditor erklärt:

A blogger from such pod would make a post and throw a link to the chat with some comment: ‘likes, comments (3 words and more), saved.‘ And then he/she would go up the chat to see the last 10 tasks from other bloggers and carry them out. This method is definitely hard to see with eyes only as there are real people with real accounts and high-quality content, and they would write extended comments.

Balkendiagramm: Wie viele Influencer in Deutschland benutzen Comment Pods?
Wie viele Influencer in Deutschland benutzen Comment Pods?, © HypeAuditor

Um mehr Einblick in die Welt der Fakefluencer zu gewinnen und Tipps zu erhalten, wie man diese erkennt und sich bei etwaigen eigenen Kampagnen gegen sie schützt, haben wir HypeAuditors CEO Alexander Frolov eine Reihe von Fragen gestellt. Hier kommen die Insights und Tipps des Experten.

Das Interview mit Alexander Frolov, Mitgründer und CEO von HypeAuditor

OnlineMarketing.de: Wie umgehen Fakefluencer die Sicherheitsrichtlinien von Instagram? Mit welchen Systemen arbeiten sie, damit ihr Account nicht gesperrt oder die Reichweite eingeschränkt wird?

Alexander Frolov: Der Schutzmechanismus von Instagram basiert grundsätzlich auf Grenzwerten für bestimmte Aktionen. Wenn ein Influencer zum Beispiel in kurzer Zeit sehr viele neue Accounts abonniert und dabei den Grenzwert überschreitet, dann wird diese Aktion für ihn gesperrt. Dadurch kann der Influencer für mehrere Tage keine neuen Accounts mehr abonnieren. Die Automatisierungsdienste testen diese Grenzen regelmäßig aus, um herauszufinden, wie viele Likes oder Kommentare sie abgeben können, bevor die Aktion für sie gesperrt wird.

Alexander Frolov, © HypeAuditor

Instagram aktualisiert dabei laufend die Anti-Spam- und Betrugsmechanismen. Wenn ein Fakefluencer heute einen fragwürdigen Automatisierungsdienst nutzt (zum Beispiel Follow/Unfollow oder Mass Story Viewing), dann kann der Account morgen möglicherweise dafür gesperrt werden.

Kennst du dich mit „Brand Ambassador“-Anfragen aus, bei denen kleinere Unternehmen über merkwürdige Dritt-Accounts kleine Accounts auf Instagram anschreiben und fragen, ob diese Brand Ambassador werden wollen, wobei die Rolle dieser „Botschafter“ womöglich eher dem günstigen Branding dient?

Seriöse Unternehmen, die mit einem Influencer zusammenarbeiten wollen, schreiben fast immer eine E-Mail. Eine DM (Direct Message innerhalb der Plattform) ist dabei eher die Ausnahme, kann jedoch vorkommen, wenn der Influencer zum Beispiel keine E-Mail-Adresse in seinem Profil angibt. Grundsätzlich kontaktieren Unternehmen immer Influencer zuerst und bitten sie nie in einem Kommentar oder in einer DM darum, kontaktiert zu werden.

Bots hingegen versenden DMs an möglichst viele Personen und geben möglichst viele Kommentare ab. So finden Betrüger immer wieder Nutzer, die auf ihre Masche reinfallen, was leider noch viel zu häufig vorkommt. Betrüger müssen dabei dauernd neue gefälschte Accounts erstellen, da diese oft von Instagram geschlossen werden. Sie würden nie ihren „echten“ Account dafür verwenden, da dieser ebenfalls geschlossen werden könnte.

Wenn eine Marke den Wert einer Zusammenarbeit erkannt hat und sich an ein Influencer wendet, dann würde die Marke ihm eine Bezahlung oder mindestens ein kostenloses Produkt anbieten. Im Gegensatz hierzu versuchen Betrüger ihren „Markenbotschaftern“, ihre Produkte zu verkaufen und versprechen ihnen gleichzeitig eine bezahlte Zusammenarbeit in der Zukunft.

Kommt man ohne Bots überhaupt gegen die Profile an, die Bots nutzen?

Auf lange Sicht wird ein ehrlicher Influencer, der regelmäßig Inhalte veröffentlicht und mit seinem Publikum kommuniziert, viel mehr Erfolg haben als ein Betrüger, der Follower kauft und auf dubiose Methoden setzt. Es besteht natürlich dennoch die Möglichkeit, dass Fakefluencer von Zeit zu Zeit mit Marken zusammenarbeiten, allerdings endet das meist nicht in einer langfristigen Zusammenarbeit, da die Fakefluencer keine guten Ergebnisse liefern. Wenn ein Influencer ehrlich arbeitet, dann investiert er in seine Zukunft und entwickelt langfristigen Einfluss. Das hilft ihm beim nachhaltigen Aufbau von profitablen Partnerschaften mit Marken.

Wäre mehr Fokus auf die Verifizierung auch kleinerer Accounts sinnvoll? Sträuben sich die großen Plattformen noch dagegen?

Wir haben kürzlich 6,5 Millionen Instagram-Accounts mit über 1.000 Followern zufällig ausgewählt und überprüft. Nur 3,26 Prozent haben einen blauen Haken, davon befinden sich 32 Prozent der Accounts in der USA. Die meisten verifizierten Konten haben zwischen 20.000 und 100.000 Follower.

Der blaue Haken vereinfacht das Auffinden von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Prominenten oder Marken. Eine Verifizierung ist definitiv nützlich und macht die Kommunikation authentischer. Wir denken jedoch, dass die Verifikation kleinerer Accounts keine große Rolle bei der Bekämpfung von Betrügern spielt, da der blaue Haken Manipulationen grundsätzlich nicht eindämmt. Es gibt sogar den Verdacht, dass verifizierte Konten höhere Limits haben und sie längere Zeit Automatisierungsdienste nutzen können (zum Beispiel für Mass Story Viewing), ohne von Instagram gesperrt zu werden.

Gleichzeitig würden wir allerdings nicht sagen, dass sich Plattformen gegen die Verifizierung kleinerer Accounts sträuben, denn quantitativ gesehen gibt es bei Instagram fast ebenso viele Nano-Influencer (10.979) mit blauem Haken wie Mega-Influencer (14.491). Der freiberufliche Journalist Peter Yeung hat beispielsweise nur 1.016 Follower und ist verifiziert.

Die wenigsten authentischen Influencer finden sich laut HypeAuditor in Deutschland, sehr viele in Japan. Wie kommt es zu solchen Differenzen? Sind sie kulturell oder wirtschaftlich zu erklären?

Wir haben uns mit dieser Frage nicht tiefgreifend beschäftigt, der Grund hierfür könnte aber kulturell bedingt sein. Wir haben in Japan zwei interessante Aspekte beobachtet: Japan steht an zweiter Stelle unter den Ländern mit der höchsten Engagement Rate (die durchschnittliche Engagement Rate lag 2019 in Japan bei 4,93 Prozent, in Deutschland bei 4,29 Prozent). Insgesamt haben wir sechs Länder beobachtet, bei denen Instagram die Anzahl der Likes ausgeblendet hat. Und Japan ist das einzige Land davon, bei dem die Zahl der Likes nicht gesunken, sondern sogar gestiegen ist.

Es gibt rund 50 Arten von Fake Accounts, kann ich als Laie überhaupt mehr als zehn davon identifizieren?

Üblicherweise lassen sich Fake Accounts bei Instagram anhand dieser Merkmale aufdecken:

  • Keine Follower
  • Maximal zehn Beiträge, meistens sogar gar keine
  • Kein Profilbild
  • Großes Missverhältnis zwischen Anzahl der Follower und Accounts, denen sie folgen
  • Keine Beiträge in den letzten 30 Tagen
  • Benutzername enthält zufällige Buchstaben und Zahlen

Ist die Zahl der Fakefluencer bei jüngeren Plattformen wie TikTok tendenziell geringer? Und wie schnell könnte sich das angleichen, falls dem so ist?

Aus unserer Sicht hat das Alter der Plattform keinen Einfluss auf die Anzahl der Fakefluencer. Sobald es ein finanzielles Interesse gibt, erscheinen auch Fakefluencer. Aktuell ist es möglich, 1.000 gefälschte Follower auf TikTok für drei US-Dollar oder 1.000 Likes für 90 Cent zu kaufen.


Wir bedanken uns herzlich bei Alexander Frolov und HypeAuditor für das Interview und all die Daten und Insights, die mit uns geteilt wurden.

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