Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Social Media Marketing
Facebook hört nicht heimlich Konversationen mit – oder?

Facebook hört nicht heimlich Konversationen mit – oder?

Niklas Lewanczik | 17.05.19

Viele User meinen, dass Facebook Gespräche mitschneidet, um passende Ads im Feed auszuspielen. Ein CNET-Experiment widerspricht dem. Die Ads seien ohnehin extrem gut personalisiert.

Die Werbung, die Facebook-Nutzern im Feed ausgespielt wird, ist oft stark personalisiert. Mehr noch, sie wirkt mitunter so sehr an aktuellen Interessen oder Themen orientiert, über die man in Anwesenheit des Smartphones spricht, dass die User davon ausgehen, dass Facebook auch Gespräche abhören kann, um darauf basierend Ads zu schalten. Dieser Annahme stellt CNET nun ein Experiment entgegen. Der Publisher nimmt vielmehr an, dass das Soziale Netzwerk so gut targeten kann, dass es den Nutzern vorkommt, als seien sie abgehört worden.

CNET macht den Test

In einer informellen Studie haben Reporter vom US-Publisher CNET versucht, bei Facebook ausdrücklich Werbung basierend auf Konversationen zu erhalten. Die Theorie, dass Gesprächsausschnitte von Facebook aufgenommen und zu Werbezwecken verwendet werden, hält sich, obwohl es dafür bisher keine Beweise gibt. Außerdem hatte Mark Zuckerberg eine solche Praxis in einer gerichtlichen Aussage dementiert.

Acht Reporter von CNET haben nun im Zeitraum von zwei Wochen und immer mit ihren Smartphones anbei über drei spezifische Themen diskutiert: Kettensägen, Skydiving und Matratzen. Das Ergebnis dieses nicht wirklich qualitativen, aber doch höchst interessanten Tests war jedoch wenig schockierend. Den Reportern wurden keine Ads angezeigt, die konkret mit den Diskussionen zu tun hatten. Und wenn eine Werbung für Purple-Matratzen auftauchte, dann war diese Werbung den Reportern auch schon zuvor ausgespielt worden. In einem Fall hatte eine Reporterin vor der Diskussion über Matratzen eine solche Werbung erhalten, danach aber nicht mehr. Der Test von CNET untergräbt also die Theorie, dass Facebook die App auch zum Abhören nutzt. Das Unternehmen selbst hatte 2016 klargestellt:

We only access your microphone if you have given our app permission and if you are actively using a specific feature that requires audio. We do not access the microphone just because the app is opened nor do we use it when you’re not in the app.

Das Abhören wäre mit vielen Hürden verbunden

In einem ausführlichen Bericht zur Thematik rund um das eigene Experiment nennt CNET einige Probleme, die auftreten, wenn man Facebook zum Abhören nutzen wollte. Zunächst mal ist die unglaublich hohe Zahl an Nutzern ein Hindernis, wenn das Unternehmen wirklich personalisierte Werbung für jeden auf Grundlage von Abhörmaterial ausspielen wollte. In dem Fall müssten auch alle Nutzer abgehört werden, was einen extremen technologischen Aufwand bedeuten würde. Zudem bräuchte es eine ausgeklügelte KI, die unbedingt die Speech-to-Text-Komponenten aller Audio-Schnipsel richtig einordnet. Gabriel Weinberg, DuckDuckGos CEO, erklärt hierzu:

Listening to conversations in real time has a bunch of challenges. Getting your voice-to-text correct, extracting all that information, you would need specific AI.

Das wohl stärkste Gegenargument dürfte jedoch sein, dass es absolut illegal wäre, die Gespräche der Nutzer ohne ein klar kommuniziertes Einverständnis aufzuzeichnen.

Die zum Teil überaus personalisierten Ads, die bei Facebook im Feed auftauchen und dann und wann den Eindruck erwecken, als folgten sie auf eine Unterhaltung zu genau diesem Thema, basieren wahrscheinlich eher auf den immensen Datensets, die Facebook etwa über Tracking Pixel bei zahlreichen Websites zusammenstellt. Auch diesbezüglich muss sich die Plattform Kritik stellen, weil den Nutzern oft bei Seiten oder Apps Dritter nicht klar ist, dass dort auch Daten an Facebook weitergegeben werden. Doch durch den Zugriff auf das Nutzungsverhalten im Web und die bei Facebook selbst eingebrachten Merkmale (Likes, Posts, etc.) können extrem granulare Profile erstellt werden. Weinberg ergänzt hierzu, dass allein mit Informationen aus der Suche, der Browserhistorie, Standortdaten und der digitalen Kaufhistorie die relevanteste Werbung ausgespielt werden kann.

With those four things alone, you can find out an amazing amount about somebody. You can get more from the current tracking infrastructure than from listening to your conversations.

Hält die Theorie trotzdem an?

Trotz der Punkte, die CNET gegen eine Abhörpraxis von Facebook anführt, dürften weiterhin viele User davon ausgehen, dass eine solche möglich ist. Gemutmaßt wird außerdem, dass Facebook Audio-Daten von Dritten erhält und für Werbung nutzen könnte. Der rechtliche Rahmen für solche Optionen scheint dabei angesichts immer strengerer Regularien hinsichtlich der Privatsphäre extrem eng gesteckt. Und doch möchte der zynische Teil in uns wissen, ob etwa Facebooks Portal nicht doch Daten aufzeichnet; gerade wird Berichten zufolge auch ein Voice Assistant dafür entwickelt. Dass eine Art Überwachung technisch möglich ist, steht außer Frage. Und dass Facebook zumindest in der Vergangenheit viele Wege gefunden hat, um möglichst umfassende Nutzerdaten zu ermitteln – und diese Wege waren moralisch sicher nicht alle einwandfrei –, ist ebenfalls kein Geheimnis.

Dennoch finden sich keine eindeutigen Hinweise auf eine Korrelation von personalisierten Ads im Facebook Feed und Gesprächen, die in Anwesenheit des Smartphones mit der Facebook App geführt wurden. Und das dürfte dann doch etwas beruhigen. Dass das Advertising bei manchem Werbenetzwerk jedoch so reich an Daten ist, dass die Werbung mitunter den Eindruck erweckt, als gäbe es ein Wissen um aktuelle Gesprächsthemen, bleibt dagegen erschreckend. Für Marketer ist dieser Zustand sicherlich reich an Potential. Für die Nutzer gemahnt der Entwicklungsstand – genauso wie all die möglichen Datensammlungen über Apps und Dienste von Facebook und Co. – an die Relevanz der eigenen Privatsphäre. Die großen Digital Player wissen sehr, sehr viel über die Nutzer. Dieses wertvolle Wissen muss gewissenhaft behandelt werden.

Kommentare aus der Community

hugbunter am 04.01.2020 um 19:22 Uhr

bullshit

Antworten
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*