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Digitalpolitik
Facebook: Gibt es die Privatsphäre hier überhaupt?
The future is private, © Facebook

Facebook: Gibt es die Privatsphäre hier überhaupt?

Niklas Lewanczik | 03.06.19

Facebook steht wegen Cambridge Analytica vor Gericht und eine Milliardenstrafe droht. Man argumentiert, es gäbe gar keine Privatsphäre auf der Plattform.

Es wirkt beinahe so, als habe man inzwischen mehr oder weniger akzeptiert, dass Facebooks Verfehlungen in Sachen Datenschutz zum Bild des Social Media-Giganten gehören. Zwar hat der Skandal dem Image geschadet, die Nutzer scheinen jedoch wenig beeindruckt. Nun muss sich das Unternehmen erneut vor Gericht verantworten und möchte milliardenschwere Strafzahlungen abwenden. Dazu wird den Nutzern auch unterstellt, eine Privatsphäre gar nicht zu erwarten.

Facebooks jüngste Niederlagen vor Gericht

Derzeit gibt Facebook ein oftmals paradoxes Bild ab. Die letzten Quartalszahlen hätten kaum besser aussehen können, die Nutzerzahlen steigen weiter, Umsätze wachsen kräftig. Dabei gilt die größte Social Media-Plattform überhaupt als krisengeschüttelt im Hinblick auf den Datenschutz und die Privatsphäre. Wegen solcher Krisen, allen voran Cambridge Analytica, steht das Unternehmen auch vor Gericht. Da läuft es aber nicht ganz so gut. Zum einen wies ein Richter Facebooks Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bezüglich einer Klage der US-Hauptstadt Washington ab, die sich auf Irreführung der Nutzer bezieht. Das berichtet der Spiegel. Zum anderen blockte auch der Europäische Gerichtshof einen Versuch Facebooks, eine Anhörung wegen des Transfers von Daten von EU-Bürgern im Juli zu stoppen.

Nun kommt noch dazu, dass ein Gericht in den USA Facebook verordnet hat, Gesellschaftern Einsicht in Dokumente zu gewähren, die den Umgang mit Daten im Kontext von Cambridge Analytica darlegen, wie das Wall Street Journal berichtete. Der Richter in Delaware habe genügend Anhaltspunkte gefunden, die darauf hindeuten, dass Facebooks Führungsebene den Datenschutzpflichten nicht umfassend nachgekommen sei. Dafür gebe es eine „glaubwürdige Grundlage“ heißt es. Nun müssen E-Mails und weitere Dokumente übergeben werden. In diesem konkreten Fall sind noch keine Forderungen hinsichtlich Strafzahlungen gestellt worden, diese könnten jedoch folgen, wenn gerichtlich festgestellt wird, dass Facebook sich nicht seinen Pflichten gemäß verhalten hat.

Die Klage aus Washington bezieht sich auf 340.000 Nutzer und könnte in einer Strafe von mehr als einer Milliarde Euro für Facebook resultieren. Vonseiten der FTC, die gegen Facebook ebenfalls wegen Verstößen gegen Datenschutzvorgaben ermittelt, droht hingegen die Rekorstrafe von 4,5 Milliarden Euro.

Facebook-Anwalt stellt Anspruch auf Privatsphäre bei Facebook infrage

In einem wiederum gesonderten Gerichtsverfahren in San Francisco werden Klagen von Interessenverbänden gegen Facebook gebündelt, von denen einige eine gewichtige Grundlage haben, wie Heise berichtet. Auch diese könnten für Facebook letztlich zum Problem werden, weil sie auf Schadenersatzzahlungen hinauslaufen könnten.

Bei einer Anhörung in diesem Verfahren hat der für Facebook tätige Anwalt Orin Snyder nun gar nicht geleugnet, dass Daten von Nutzern an Dritte gelangt sind – das wäre ohnehin kaum glaubwürdig gewesen. Vielmehr argumentiert der Rechtsanwalt, dass die Nutzer auf Facebook gar keine Privatsphäre erwarten. Demnach könne von einer Verletzung derselben auch keine Rede sein.

Es hat kein Eindringen in die Privatsphäre gegeben, weil es keine Privatsphäre gibt.

Es gebe also keine Erwartung auf Privatheit, die Nutzer seien sich bewusst, dass sie in der Öffentlichkeit stehen und jederzeit beobachtet werden (können). Diese Argumentation schlägt in eine neue Kerbe, die Facebooks etwaige Verfehlungen hintanstellen und zunächst die Beschaffenheit des Raums Social Media und Facebooks im Besonderen in den Vordergrund rücken. Die Frage danach ist relevant, als Verteidigung Facebooks jedoch überaus gewagt. Immerhin hatte Mark Zuckerberg erst kürzlich bei der F8 erklärt:

The future is private. Over time, I believe that a private social platform will be even more important to our lives than our digital town squares. So today, we’re going to start talking about what this could look like as a product, what it means to have your social experience be more intimate, and how we need to change the way we run this company in order to build this.

Die Ironie des Arguments

Zu behaupten, dass es keine Erwartung an eine Privatsphäre bei Facebook gebe, ist dabei fast ironisch. Denn nach Cambridge Analytica und weiteren Skandalen dürften die meisten Nutzer, ob zynisch oder einfach realistisch betrachtet, davon ausgehen, dass eine Privatsphäre bei Facebook kaum umfassend gewährleistet werden kann. Das gilt allerdings für sehr viele Plattformen und digitale Räume. Jedoch war die Erwartung gerade vor Cambridge Analytica sicher eine andere.

Ob das Gericht in San Francisco der Argumentation folgt, bleibt zu bezweifeln. Sicher ist aber, dass das Gros der Nutzer eine uneingeschränkte Privatsphäre bei sozialen Netzwerken wie Facebook heute kaum mehr erwarten wird. Aber heißt das auch, dass sie ihnen nicht zusteht? Und bedeutet das, dass sie sich eine solche nicht wünschen? Die Debatte um gerechtfertigte Ansprüche an Datensicherheit und Privatsphäre in digitalen Räumen und insbesondere Social Media wird den digitalrechlichten und -ethischen Diskurs auch in den kommenden Jahren bestimmen.

Den Anspruch auf Privatsphäre einfach zu negieren ist aber zu einfach gedacht. Und dieser Ansatz könnte weitreichende Folgen haben.

Kommentare aus der Community

U. Kummer am 03.06.2019 um 16:30 Uhr

Wir haben früher für rd €3.000,00 p.a. Werbung bei Facebook geschaltet. Seit die Zensoren von IM Viktoria der Antonio-Amadeus-Stiftung dort tätig sind €0,00. Unser Kunden- und Freundeskreis hat sich größtenteils von Facebook zurückgezogen, somit ist das Interesse daran gegen null. Ergo keine Daten bei Facebook – keine Sorge um die Privatsphäre. Das Märchen von den stetig steigenden Nutzerzahlen ist doch nur für die Aktionäre. In der Realität steigen diese Zahlen möglicherweise in der 3. und 4. Welt, ansonsten ist der Zenit für Facebook längst überschritten.

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