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Digitalpolitik
Ab heute ist die Digitalbranche endlich erwachsen – dank DSGVO?
Ralf Scharnhorst bei der Online Marketing Klinik auf der d3con University. © Sven Jakobsen

Ab heute ist die Digitalbranche endlich erwachsen – dank DSGVO?

Ralf Scharnhorst | 25.05.18

Gastautor Ralf Scharnhorst meint: der Gesetzgeber macht die Online Marketing-Branche jetzt erwachsen.

Was bedeutet „erwachsen werden“ und ab wann ist man es – als ganze Branche? Gilt der achtzehnte Geburtstag oder der einundzwanzigste? Wenn wir die (Banner-) Werbung im Internet nehmen, wurde sie am 27. Oktober 2017 bereits 23 Jahre alt.

Lassen wir den Gesetzgeber entscheiden. Er erklärt digitale Werbung zum 28.5.2018 für erwachsen und definiert ihre Verantwortung für ihr Tun oder Unterlassen gründlich neu.

Damit ist die Zeit pubertärer Firmen-Mottos vorbei: Facebook wird sich trennen müssen von „Move fast and break things“. Auch „done is better than perfect“ gilt nicht, wenn man Gesetze einhalten muss. Google muss darüber nachdenken, was „do no evil“ wirklich bedeutet, wenn man Monopolist ist. Und damit beginnt, Menschen zu simulieren – zunächst als Anruf-Assistenten.

Aber es ist zu leicht, mit dem Finger auf die Großen zu zeigen. Was sollte jeder von uns tun? Was hilft uns, damit wir von anderen Branchen und von den Konsumenten als erwachsen betrachtet werden?

1. Kein Bullshit-Bingo mehr

Online-Werbung, die das Kaufverhalten jedes Users vorhersagen und beeinflussen kann“? Die Konsumenten glauben es und haben Angst. Wer in dieser Branche arbeitet, glaubt es ohnehin nicht. Bisher war diese „Bullshit-Schere“ nur lächerlich. Eine echte Gefahr für unsere Branche wird sie, sobald die Gesetzeshüter darauf hereinfallen.

2. Markt, Wettbewerb und Medien erhalten 

Stellen wir klar: Marketing ist unentbehrlich für Marktwirtschaft und schafft freie Medien. Damit die Medien frei sind, braucht es aber auch eine klare Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt. Fördern wir also keine Schleichwerbung.

Übrigens: Was ist das Gegenteil von Schleichen? Selbstbewusstes Auftreten.

3. Datenverarbeitung statt Stalking  

Facebook teilt seine User auf in solche, die eher Demokraten wählen und solche, die wahrscheinlicher Republikaner wählen. Der Werbekunde hat die Wahl, der User bekommt nicht einmal zu sehen, in welche Schublade er gesteckt wurde. Google zeigt den Usern schon transparenter, was es über sie weiß und denkt und ermöglicht es, einzelne Punkte zu löschen.
Daran müssen wir arbeiten. Denn der User hasst nicht Datenverarbeitung, sondern Stalking.

Bei zu viel Tracking könnte der Vulkan ausbrechen (c) Ralf Scharnhorst
Bei zu viel Tracking könnte der Vulkan ausbrechen © Ralf Scharnhorst

4. Mehr Sensibilität

Wie oft hört man bei Präsentationen: „Wenn ich von dem User weiß, dass…“. So funktionieren keine Kampagnen. Sie sind immer „wenn ich von einer größeren Gruppe von Usern weiß, dass…“ – sagen wir es auch so!

Wie sollte mit sensiblen Themen wie beispielsweise Krankheiten oder Alkohol umgegangen werden? Der Deutsche Werberat hat dazu Verhaltensregeln – auch wir Onliner sollten sie kennen.

5. Wer mag schon Werbung?

„Der User will relevantere Werbung“? Machen wir uns nichts vor: Der User will gar keine Werbung. Er erträgt sie. In seltenen Fällen unterhält sie ihn. Inspiriert oder bestätigt. Gibt einen interessanten Konsumtipp. Ganz selten. Dennoch: Sponsoren werden geschätzt, Werbung oft geblockt. Online-Werbung muss sich daher mehr als Sponsor der Inhalte darstellen.

Moral und Haltung sind aktueller denn je

Um so mehr wir darüber nachdenken, um so mehr werden wir feststellen, wie einfach es ist. Denn jeder von uns ist nicht nur Sender, sondern auch User. Daher sollte es leicht fallen, die Powerpoint-Präsentation und die Kampagne kurz zu hinterfragen: Wie finde ich das als User?

Wenn wir als Erwachsene an den Verhandlungstisch in Brüssel treten, können wir das Beste daraus machen. Denn unsere Branche ist – je nachdem, wie man zählt – inzwischen größer als die Automobilindustrie. Wir brauchen diese Stärke, denn die DSGVO bevorzugt Großkonzerne und lässt viel Interpretationsspielraum, der sich erst in Musterprozessen klären wird. Und die ePrivacy-Richtline kommt ja erst noch.

Daher: Kopf hoch, Rücken gerade und auf an die Arbeit – wir sind jetzt erwachsen!

Kommentare aus der Community

Oliver am 27.05.2018 um 14:32 Uhr

Hallo,

ich sehe es ähnlich wie der Autor und finde die Schreibweise auch sehr ansprechend. Die DSGVO sehe ich aber vor allem für kleinere Unternehmen, die sich in der digitalen Branche befinden, problematisch. Hier herrscht meiner Meinung nach zu viel Bürokratie. Ich habe sogar Internetseiten gesehen, die aufgrund der DSGVO nicht mehr existieren und teilweise zugemacht haben – sowas finde ich wiederum schade.

Beste Grüße
Oliver von Firmenpartnerschaft

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