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Digitalpolitik
Google und YouTube zeigen drastische Folgen der EU-Urheberrechtsreform auf
YouTubes Ausblick auf die EU-Urheberrechtsreform, © YouTube

Google und YouTube zeigen drastische Folgen der EU-Urheberrechtsreform auf

Niklas Lewanczik | 18.01.19

Mit der EU-Urheberrechtsreform könnten Uploadfilter und Linksteuern ein zensiertes Netz bedingen. YouTube und Google zeigen, wie extrem das aussehen kann.

Im September hat das EU-Parlament für die umstrittene digitale Urheberrechtsreform in der EU gestimmt. Vor allem die Artikel 11 und 13 sorgen für Unmut, weil sie für ein weit weniger diverses Internet sorgen könnten, als wir es bisher kennen. Jetzt demonstrieren Google und YouTube, die das Nutzerverhalten der meisten digitalen User mitbestimmen, wie sich das Internet verändern könnte – nicht unbedingt zum Besseren.

Die EU-Urheberrechtsreform hat viele Schwächen, wurde aber angenommen

2018 war ein Jahr, das für die digitale Szene zahlreiche bahnbrechende Entwicklungen bereithielt. Die DSGVO trat inkraft, Cambridge Analytica startete Facebooks medialen Spießrutenlauf und das EU-Parlament lehnte zunächst einen Vorschlag zur Urheberrechtsreform ab, ehe es diesen wenige Monate später dann doch annahm. Dass die Reform trotz ihres Bestrebens Kreative und Urheber besser zu schützen große Probleme mit sich bringt, hatten zahlreiche Experten schon im Vorfeld der ersten Abstimmung des Parlaments im Frühjahr 2018 erkannt. Inbesondere die Artikel 11 und 13 wurden harscher Kritik unterzogen. Die in Artikel 13 thematisierten Uploadfilter bezeichnete der damalige Leiter Digitalpolitik und Public Affairs beim BVDW, Dr. Joachim Jacobi, uns gegenüber im Interview als „vorauseilende Selbstzensur“.

Sollte die Betreiberhaftung in dieser Form ausgeweitet werden, werden klare Anreize gesetzt, um auch solche Inhalte zu blockieren, die rechtmäßig eingestellt wurden (Overblocking). Positive Effekte in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen sind zunächst Spekulation. Die Thematik muss auf andere Art und Weise gelöst werden, ohne Vorabzensur.

Die fraglichen Artikel im Überblick

Artikel 13 sagt aus:

Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen Werke und sonstigen Schutzgegenstände in Absprache mit den Rechteinhabern speichern oder öffentlich zugänglich machen, ergreifen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die mit den Rechteinhabern geschlossenen Vereinbarungen, die die Nutzung ihrer Werke oder sonstigen Schutzgegenstände regeln, oder die die Zugänglichkeit der von den Rechteinhabern genannten Werke oder Schutzgegenstände über ihre Dienste untersagen, eingehalten werden. Diese Maßnahmen wie beispielsweise wirksame Inhaltserkennungstechniken [Hervorhebung d. Red.] müssen geeignet und angemessen sein. Die Diensteanbieter müssen gegenüber den Rechteinhabern in angemessener Weise darlegen, wie die Maßnahmen funktionieren und eingesetzt werden und ihnen gegebenenfalls über die Erkennung und Nutzung ihrer Werke und sonstigen Schutzgegenstände Bericht erstatten.

Wie genau das von jedem Publisher, Aggregator, jeder Website geleistet werden kann und soll, ist jedoch nicht völlig klar. Artikel 11 hingegen ist eine Art Linksteuer. Dieser Artikel bedeutet, dass Verlage ihre Inhalte bei Suchmaschinen oder Aggregatoren gewerblich zugänglich machen, so dass diese für weiterführende Informationen eine Gebühr zahlen müssten. Dass Google dazu nicht bereit ist, hatte ein Beispiel aus Spanien gezeigt, wo ähnliche Regelungen zum Ende von Google News geführt hatten. Während einige große Verlage von Deals profitieren könnten, dürften kleinere Publisher Probleme bekommen, was die Diversität des News-Angebots einschränken würde. Daher hat sich inzwischen auch Google deutlich gegen die EU-Urheberrechtsreform in dieser Form ausgesprochen.

Copyright rules give news publishers rights over how their work is used. Europe is updating these rules for this digital age, and that’s a move Google supports. But the European Parliament’s version of a new copyright directive—specifically Article 11 and its recital 32—will have unintended consequences for smaller news publishers, limit innovation in journalism and reduce choice for European consumers. We urgently call on policymakers to fix this in the final text of the directive.

Ergänzt wird die Forderung Googles mit einem Hinweis auf die Nutzer:

We believe the information we show should be based on quality, not on payment. And we believe it’s not in the interest of European citizens to change that.

Wie die beiden Artikel im Detail für eine Zensur im Netz sorgen könnten, zeigt euch unser ausführlicher Beitrag zum Thema.

Jetzt gehen YouTube und Google ganz offen gegen die Reform vor

Zum Umdenken konnten die Politiker trotz der Gegenstimmen der Experten und der offensichtlichen Mängel des Vorschlags bislang kaum bewegt werden. Hinter ihrem Entschluss ließ sich ohnehin Lobbyarbeit vermuten, anders ist der deutliche Umschwung bei den verschiedenen Abstimmungen des Parlaments 2018 kaum zu erklären. Doch jetzt setzt eine viel größere Wirtschaftskomponente ein. Google und YouTube, die direkt von der Reform betroffen wären, machen Nutzern deutlich, was diese für den EU-Raum bedeuten würde. Und das mit drastischen Mitteln.

YouTube verlinkt auf die Change.org-Seite mit einer Petition, die gegen die genannten Artikel vorgeht. Bisher sind über 4,4 Millionen Unterschriften zusammengekommen. Im Vorwege der Abstimmung der Politiker hatte eine solche Petition jedoch wenig Wirkung gezeigt.

Das Bild YouTubes, eine eigens erstellte Collage, zeigt, dass nur ein Bruchteil der derzeit verfügbaren Videos auf der Plattform in Zukunft zum View bereitstünden. Auch Google hat ein solches Szenario veröffentlicht, das vielen Nutzern, aber auch Publishern Unbehagen bereiten dürfte. The Verge gab einige Screenshots wieder.

Googles Top Stories ohne Beschreibung oder Bild, Quelle: The Verge

Bei diesem Szenario würden Nutzer, wenn sie „Latest News“ googlen, statt Neuigkeiten lediglich Links zu Publishern erhalten. Ohne Bilder, ohne Beschreibung oder konkreten Titel und bloß mit einem dann irrelevanten Zeitzusatz versehen.

Noch ist der Kampf für ein freies und diverses Internet nicht verloren

Während das Bestreben, Urhebern von Inhalten mehr Sicherheit zu gewährleisten, keineswegs geschmälert werden sollte, gilt es doch, sich gegen unsinnig erscheinende Reformen zu wehren. Noch sind der EU-Rat und die Kommission in Verhandlungen. Der finale Text des Vorschlags soll im Frühjahr folgen; ebenso wie eine weitere Abstimmung. Dabei könnte die Stimmung noch einmal kippen. Gerade wenn die mächtigsten Player im Internet vermitteln, wie düster die Aussichten im Falle einer Durchsetzung dieser Artikel sind.

Vom 23. bis zum 26. Mai 2019 findet in Europa zudem die Europawahl statt. Hier sollten die Bürger und Nutzer dann auf Parteien setzen, die eine fortschrittliche Digitalpolitik vertreten, wenn sie weiterhin Freiheiten und Demokratie im Internet genießen wollen. Dazu bedarf es durchaus auch der Regulation, jedoch keiner selbst auferlegten Zensur.

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