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Digitalpolitik
Ende einer Schattenwirtschaft – Transparenz beim Datensammeln wird zum Muss
Facebooks Like-Logo, außerhalb des Luleå Data Centers, © Luleå Data Center, Facebook

Ende einer Schattenwirtschaft – Transparenz beim Datensammeln wird zum Muss

Niklas Lewanczik | 24.01.19

Christian Sauer von Webtrekk erklärt im Interview, warum das Datensammeln Facebooks und Co. transparenter und Behörden sowie Nutzer aktiv werden müssen.

Alt und simpel: so kann man die Praktik beschreiben, die die großen Player, GAFA, aber auch Neflix und Co. anwenden, um zahlreiche Daten von Nutzern zu sammeln. Sie bieten kostenlos oder preisgünstig Dienste an, die die User im Austausch für persönliche Daten wahrnehmen. Die unerhörten Datenmengen in den Walled Gardens wachsen, während Viele sich des Ausmaßes des Datensammelns gar nicht bewusst sind. Der Diskurs über die Regulation insbesondere Facebooks kommt zusehends in Fahrt. Was können wir erwarten, werden Tech-Giganten bei der Datensammlung beschränkt, ist der Gewinn dieser Informationen über Dritte überhaupt DSGVO-konform und was können die Nutzer selbst tun, um sich abzusichern?

Antworten vom Experten Christian Sauer im Interview

Auf all diese Fragen weiß Christian Sauer, Gründer und Board Member der Premium Customer Analytics-Plattform Webtrekk, eindrückliche Antworten zu geben. Das Bundeskartellamt hat angegeben bald eine Entscheidung im Verfahren gegen Facebook zu verkünden. Nach Informationen der BILD ist eine Entscheidung bereits gefallen und die Behörde wird in Deutschland das Datensammeln Facebooks über Dritte einschränken. Dieses Vorgehen hatte zuletzt immer mehr medienwirksame Kritik erfahren. Immerhin war publik geworden, dass das Soziale Netzwerk schon beim Öffnen bestimmter Apps zahlreiche Nutzerdaten erhält; wenn diese mit der Facebook API ausgestattet sind. Dabei werden mitunter gar hochsensible Daten zu Krankheiten, sexuellen Präferenzen oder politischen Einstellungen geteilt.

Diese Entwicklungen beim Bundeskartellamt kommentierte Sauer bereits wie folgt:

Seit den Cambridge Analytica Enthüllungen im vergangenen Jahr steht Facebook im Mittelpunkt einer weitgreifenden Grundsatzdebatte über Datenhandel und -sicherheit. Facebook wird hierbei besonders Machtmissbrauch vorgeworfen. Scheinbar wahllos werden jegliche Vorlieben und Aktivitäten der Nutzer über die eigenen Plattformgrenzen hinweg gesammelt und für Werbezwecke genutzt. Nun verfasste das Bundeskartellamt einen Beschluss, der Facebook künftig bis zu einem gewissen Grad das Sammeln und Verwerten von Daten aus Drittquellen verbieten soll – sofern keine explizite Zustimmung durch den Nutzer eingeholt wurde.

Da aber nicht nur Facebook Teil der Kultur der massiven Datenerhebung ist, haben wir Christian Sauer zu aktuellen Fragen des Datenschutzes befragt und unter anderem erfahren, warum es Änderungen bei den Richtlinien geben muss, dass Europa bei seiner Regulation geschlossen auftreten sollte und welche Gefahren ein Komplex wie GAFAN mit sich bringt.

Das Interview mit Christian Sauer

Vor 15 Jahren gründete Christian Sauer Webtrekk. Die europaweit agierende Customer Analytics-Plattform baut auf einen First Party-Ansatz und möchte Nutzern zu mehr Datentiefe verhelfen. Dabei wird dort besonders auf Datenschutzstandards geachtet, während die Server zur Datenspeicherung in der EU liegen. Sauer hat außerdem 2017 ilovemy.eu gegründet, eine Plattform, die Europa-bejahende Videos unterstützt. Als Experte im Bereich digitalen Datenmanagements und mit einer europäischen Idee für eine auch wirtschaftlich starke Union, wirft Christian Sauer einen differenzierten und ausführlichen Blick auf die Problematik, die beinah alle User im Internet betreffen dürfte.

Dabei ist der Umstand, dass eine Art „Schattenwirtschaft“ beim Datensammeln, wie Sauer es nennt, erst jetzt zum großen Politikum wird, erstaunlich. Wir nehmen es als Anlass für den Dialog im Kontext dieser Datenschutzfragen und wagen einen Ausblick für die Nutzer und die Internetgemeinde.

OnlineMarketing.deDas Bundeskartellamt prüft seit Jahren, ob Facebooks Geschäftspraktiken in Deutschland wettbewerbskonform sind. Nun steht eine Entscheidung an. Wird es Ihrer Einschätzung nach zur Einschränkung des stark kritisierten Datensammelns über Dritte kommen?

Christian Sauer von Webtrekk, © Webtrekk
Christian Sauer von Webtrekk, © Webtrekk

Christian Sauer: Ja, für das Jahr 2019 erwarte ich weitere gerichtliche Urteile, die die Nutzung von Third Party-Daten nach Inkrafttreten der DSGVO weiter eingrenzen. Neben der Facebook-Causa wird beispielsweise sicherlich diskutiert, ob das Opt-in, welches Google einholt, weiterhin übergreifend für alle Plattform-Produkte gelten darf oder ob bald ein Einverständnis für jedes einzelne abgefragt werden muss. Im Third Party-Umfeld rechne ich diesbezüglich mit Rückschlägen für Technologien, die bisher keine Opt-ins aufweisen können.

Dass bei der Nutzung zahlreicher Apps Daten an Facebook weitergeleitet werden, sollte die Nutzer nicht mehr überraschen. Aber halten Sie die Generierung von Daten in dieser Konstellation für unweigerlich DSGVO-konform? Ist die in Artikel 5, Abs.1 geforderte Transparenz hierbei tatsächlich gewährleistet?

Christian Sauer: Wir befinden uns hier in einer Grauzone. App-Betreiber, die Daten weiterleiten oder verkaufen, argumentieren natürlich, dass sie durch das gegebene Opt-in DSGVO-konform agieren. Doch zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass Nutzer oft nicht wissen, was sie da eigentlich bestätigen, wenn sie ihr Einverständnis vergeben. Ein transparentes Internet sieht anders aus. Ich gehe konform zu Apples CEO Tim Cook, der letztens in seinem Gastbeitrag für das Time Magazine betonte, dass das Problem der digitalen Welt vor allem darin liegt, dass der Handel mit Daten bisher in einer Art Schattenwirtschaft stattfindet. Es existiert ein internationaler Sekundärmarkt auf dem Unternehmen meist komplett unreguliert mit Informationen von Nutzern Geschäfte betreiben können. Weder Verbraucher noch Regulierungsbehörden oder Gesetzesgeber können einschreiten. Die DSGVO war ein erster Schritt, diesen Wirtschaftszweig in der EU transparenter zu gestalten, doch es müssen noch weitere Maßnahmen folgen, um langfristig eine gesicherte Privatsphäre für Internet-User gewährleisten zu können.

Sollte es dazu kommen, dass Facebooks Datensammlung über Dritte in Deutschland eingeschränkt wird, werden Nutzer dann mehr Kontrolle über die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten erlangen?

Christian Sauer: Analog zum brandaktuellen Google-Urteil aus Frankreich geht es bei Facebook um Transparenz und Information. Datenschutzhinweise müssen einfach auffindbar sein. Hinweise in puncto Datenverarbeitung dürfen nicht über mehrere Dokumente verteilt werden. Zugleich sind die veröffentlichten Informationen nicht immer klar und ausführlich. Häufig sind die Angaben sehr allgemein und ungenau gehalten. Bei Facebook, deren Geschäftsmodell auf dem Sammeln von Daten basiert, ist es unerlässlich, komplette Hinweise zur Nutzung und Weiterverarbeitung von Daten zu geben sowie eine klare und übersichtliche Sprache zu verwenden.

Kann solch ein Urteil als Präzedenzfall gelten?

Christian Sauer: Ja, das ist durchaus möglich. Sollte es im Falle Facebook zu einem Urteil kommen, ist zu hoffen, dass das Kartellamt mit seinem Beschluss weitreichende Konsequenzen durchsetzen und die Beschränkungen zeitnah auf weitere US-Konzerne ausweiten kann.

Für Facebooks werbebasiertes Geschäftsmodell wäre das ein Rückschlag. Drohen Deutschland und die EU mit ihren strikten Richtlinien nicht, sich im internationalen Vergleich zum digitalen Marketing unattraktiver zu machen?

Christian Sauer: Im rechtlichen Bereich operieren die USA und EU im Online Marketing seit jeher auf einer unterschiedlichen Grundlage. Durch die DSGVO hat sich dieses Delta weiter vergrößert. Die Entscheidung des Bundeskartellamts ist nur ein weiterer Mosaikstein im Rahmen dieser Entwicklung. Aus meiner Sicht muss die EU in der Umsetzung solcher Rahmenbedingungen zu einer deutlich harmonischeren Auslegung kommen. Zugleich ist es essentiell, dass eine geeinte EU sich gegenüber den USA stärker Gehör verschafft.

Wie kann die Balance zwischen der Forderung nach Privatsphäre und zugleich personalisierten Inhalten heute gewährleistet werden?

Christian Sauer: Zwar geben viele Verbraucher an, nur noch ein Minimum an persönlichen Daten online preisgeben zu wollen, doch sind sie als Endverbraucher gleichzeitig daran gewöhnt, Online-Angebote präsentiert zu bekommen, die sehr gut auf ihre Interessen abgestimmt sind. Um beiden Forderungen gerecht werden zu können, empfiehlt sich die Anonymisierung der User-Aktivitäten. Dies ist etwa möglich, indem IP-Adressen einmalig verarbeitet und anschließend gelöscht werden. Für eine noch weitergehende Anonymisierung besteht zudem die Möglichkeit, die IP-Adressen der User bereits vor der Verarbeitung zu anonymisieren.

Neben Facebook setzten im digitalen Raum insbesondere Google, aber auch Amazon auf ihre je monopolistische Marktmacht. Muss diese auf lange Sicht von außen reguliert werden? Und ist das im Kontext der Finanz- und damit auch Lobby-Macht überhaupt durchzusetzen?

Christian Sauer: Als Unternehmer bin ich für das freie Spiel der Marktkräfte. Allerdings bin ich der Meinung, dass die EU im Internet-Bereich die Gelegenheit hätte, die bekannten US-Schwergewichte nicht unbegrenzt weiter wachsen zu lassen. So wäre Facebook ohne WhatsApp und Instagram ein anderes Unternehmen. Dies gilt gleichermaßen für Google ohne YouTube oder Amazon ohne die Cloud-Sparte AWS. Eine solche Entflechtung würde helfen, die aktuellen Oligopole abzubauen und den Wettbewerb zu befeuern. Die Folge wäre eine deutlich stärkere Ausdifferenzierung der gesamten Online-Branche.

Wie gefährlich kann Ihrer Meinung nach eine stark zentrierte Datensammlung – sei es bei Facebook, Amazon oder Google – für das freiheitlich-demokratische Gefüge im digitalen Raum und womöglich auch darüber hinaus sein?

Christian Sauer: Facebook, Google und Co. beschränken ganz massiv die Datennutzung außerhalb ihres eigenes Ökosystems. Durch die Bündelung der User-Daten erhalten diese Walled Gardens umfangreiche Targeting-Profile und ermöglichen somit eine gezielte Ansprache – allerdings nur innerhalb der Plattform. Dies wird bereits für US-Anbieter wie Twitter, Vice oder BuzzFeed zur Herausforderung. Das hat Scott Galloway auf der diesjährigen DLD ein weiteres Mal betont. Wenn bereits solche Schwergewichte durch GAFA in Bedrängnis geraten, ist dies auch kein gutes Zeichen für die liberale Demokratie. Deshalb geht es darum, lückenlose Transparenz durch die Walled Gardens einzufordern. Gemäß einer neuen Studie der Marktforscher von Pew Internet wissen ganze 74 Prozent aller User (US-User, Anm. d. Red.) nicht, dass Facebook über persönliche Interessen und Merkmale verfügt und diese nutzt. Zugleich ist bekannt, dass Facebook zwischen mehr als 50.000 Merkmalen unterscheiden kann.

Beim Stichwort Datenschutz sind in erster Linie die Nutzer gefragt. Was ist ihnen zu raten, ein verstärkter Rückgriff auf alternative Angebote – DuckDuckGo statt Google, Signal statt WhatsApp – oder ein größerer Fokus auf die Einstellungen und Richtlinien?

Christian Sauer: Natürlich sollte das übergeordnete Ziel sein, dass Datenschutz eben nicht alleinig die Verantwortung der Nutzer ist, sondern Gesetze geschaffen werden, die das Verhalten von Online-Plattformen und Werbetreibenden hinsichtlich der Datensammlung und -nutzung nachhaltig regulieren. Ich rate Verbrauchern trotzdem dazu, sowohl die Benutzung von alternativen Diensten in Betracht zu ziehen, als auch ihre Einstellungen bei den großen Plattformen zu überprüfen. Es ist beispielsweise ein Anfang alternative Chat-Dienste zu WhatsApp vorzuziehen, doch realistisch gesehen, kann sich heute kaum ein User den Schwergewichten wie Facebook oder Google komplett entziehen. Daher ist die bewusste Anpassung der Privatsphäre-Einstellungen umso wichtiger, um die großen Plattformen zumindest im Kleinen daran zu hindern ihr Datenmonopol auszubauen.

Wir bedanken uns herzlich für das Interview und die interessanten Einsichten zu diesem wichtigen Diskurs.

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