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Digitalpolitik
Chinesische App spioniert Touristen bei Grenzübertritt aus

Chinesische App spioniert Touristen bei Grenzübertritt aus

Niklas Lewanczik | 03.07.19

Chinas Regierung prüft mit einer App die Daten von Menschen beim Grenzübertritt in Westchina, um unerlaubte Inhalte zu finden. Die Prüfung ist Pflicht.

Andere Länder, andere Sitten: das gilt auch für den Umgang mit digitaler Privatsphäre und dem Datenschutz. Eine außergewöhnliche Investigativgeschichte lässt derzeit aufhorchen. In China werden beim Grenzübertritt in der Provinz Xinjiang Menschen mit einer App namens „Feng Cai“ ausgespäht. Diese App überträgt Inhalte des Smartphones an die Grenzpolizei, die nach unerlaubten Inhalten, vor allem islamistisch-terroristischen Materialien sucht.

Die App „sammelnde Honigbienen“

Eine Kollaboration von NDR, Süddeutscher Zeitung, des Londoner Guardian, der New York Times und des Publishers Vice Motherboard hat über die Handlungen in China berichtet, nachdem Touristen von der Überprüfung erzählt hatten. In der Provinz Xinjiang lebt das muslimische Turkvolk der Uiguren. Chinas Regierung wird schon lange vorgeworfen, diese Menschen systematisch zu unterdrücken und zu schikanieren. Auch die Bewohner der Provinz müssen Überwachungssoftware auf ihren Geräten akzeptieren.

Bei der App „Feng Cai“ – übersetzt als „sammelnde Honigbienen“ – werden die Handys von Touristen oder Einreisenden auf dem Landweg in diesem Gebiet auch ohne Anfangsverdacht auf unerlaubte Inhalte hin überprüft. Laut Tagesschau hat ein Tourist berichtet, der Grenzpolizist habe ihm erklärt, man suche nach „Waffen, Terrorismus, Islamismus und Pornographie“. Tatsächlich scannt die App, die vor Ort von der Polizei bei Android-Geräten installiert wird, zentrale Inhalte der Nutzer. iPhones hingegen können von der App nicht geprüft werden und werden an ein Gerät angeschlossen, wobei der Vorgang nicht näher bekannt ist. „Feng Cai“ aber sucht nach einer Liste von 73.315 Inhalten. Das konnten die Journalisten mithilfe von IT-Experten der Ruhr-Universität Bochum herausfinden, die die App entschlüsselt haben. Das Opentech Fund, ein staatlich finanziertes US-Forschungsprogramm, und das Citizen Lab, ein Institut der Universität Toronto, prüften die Ergebnisse und ergänzten sie. 

Die App scannt nun die Daten der Nutzer und sucht nach Dateien, die zumeist mit islamistischem Terror in Verbindung stehen, aber auch Texte zum Dalai Lama oder Taiwan, Koranverse, arabische Lexika, bestimmte Musikstücke wie „Taiwan – Another China“ von Unholy Grave stehen auf der Liste. Findet die App so ein Dokument beim Abgleich, wird der Grenzpolizist per Warnton informiert, wobei das Ganze in einem separaten Raum stattfindet.


 

 

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Überwachung in großem Stil

Die App ist einfach konstruiert, sodass ihre Bedienung für jeden Grenzpolizisiten schnell und simpel bleibt. Auf dem Bildschirm wirkt sie harmlos, sieht dem Android-Symbol zum Verwechseln ähnlich.

Die Späh-App auf einem Smartphone, Quelle: Vice

Allerdings kopiert sie Dateien der überwachten Nutzer, darunter Adressbücher, Nachrichten und Nutzerkennungen für chinesische Social Media. Die Übertragung läuft über ein eigens an der Grenze eingerichtetes W-Lan-Netzwerk.

Bei der Tagesschau wird die China-Expertin Maya Wang zitiert, die sagt, dieses Vorgehen sei „ein weiterer Beleg dafür, wie allgegenwärtig die Massenüberwachung in Xinjiang durchgeführt wird“. Die Überwachung auf Grundlage der technologischen Geräte ist in China weit fortgeschritten und geht Hand in Hand mit einer strengen Zensur. In der Provinz Xinjiang sind insbesondere die muslimischen Bewohner einer solch rigorosen Überwachung ausgesetzt, nun jedoch auch Touristen. Das Beispiel zeigt, wie Apps für die Kontrolle von Inhalten und letztlich sogar Lebensweisen genutzt werden können, um anti-demokratische und totalitäre Muster zu spiegeln und durchzusetzen.

Bei der App-Prüfung ist allerdings unklar, was geschieht, wenn die verbotenen Inhalte entdeckt werden – vermutlich wird eine Einreise verwehrt. Es ist auch nicht klar, was mit den Daten geschieht, die die chinesische Regierung auf diese Weise sammelt. Weder diese noch das Unternehmen Nanjing Fiberhome Starrysky Communication Development, welches das Programm nach Angaben im Quellcode entwickelt hat, äußerten sich bislang. Ob womöglich sogar ein Tracking der Nutzer über die installierte App möglich ist, bleibt ebenfalls offen.

Bei allen Möglichkeiten, die Apps bieten, um Nutzerdaten zu sammeln, was für Marketer so relevant ist wie für die App-Betreiber, muss man sich im Kontext dieser Nutzung vor Augen führen, dass die Technologie auch eine große Gefahr für die Menschenrechte bedeuten kann, wenn sie in Systemen zum Tragen kommt, die solche Werte hintanstellt. Daher ist es umso wichtiger, solch orwellschen Entwicklungen auch in Deutschland, den USA oder wo immer man betroffen ist, kritisch zu begegnen. Denn die Folgen von systematischer Ausspähung sind noch nicht abzuschätzen und womöglich weitaus schwerwiegender als der akute Fall des Einbruchs in die Privatsphäre.

Der ausführliche Bericht findet sich bei der Süddeutschen Zeitung und den anderen kooperierenden Publishern.

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