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Unternehmenskultur
Mehr Produktivität durch Mindestlohn

Mehr Produktivität durch Mindestlohn

Selina Beck | 08.08.22

Als der Mindestlohn eingeführt wurde, gab es viele Befürchtungen seitens der Wirtschaft. Nun zeigt sich: Sie waren umsonst.

8,50 Euro brutto in der Stunde – so begann die Geschichte des Mindestlohns bei der Einführung 2015. Viele Ökonom:innen befürchteten damals negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit von Firmen in Deutschland. Eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt nun, dass der Mindestlohn die Produktivität sogar gesteigert hat.

Kaum Marktaustritte von Unternehmen

Die Einführung des Mindestlohns 2015 und dessen erste Erhöhung 2017 haben laut der Studie kaum zu Marktaustritten von Unternehmen geführt. Die Forscher:innen sehen stattdessen sogar in manchen Branchen eine Steigerung der Produktivität und damit einhergehend eine Förderung des Wettbewerbs insgesamt. In der Untersuchung wurden primär die Lohnkostenerhöhungen untersucht, die durch den Mindestlohn verursacht werden und letztlich die Wettbewerbsbedingungen von Unternehmen beeinflussen.

Das Ergebnis: Die Wettbewerbsintensität für Unternehmen hat sich durch den Mindestlohn in Deutschland nicht wesentlich verändert. Zwar verließen einige Kleinstunternehmen, die ihre:n Arbeitnehmer:innen vorher weniger Lohn bezahlten, den Markt. Doch kam dies vor allem in den ehemaligen ostdeutschen Bundesländern vor, wo das Gehalt deutlich niedriger als im Westen liegt.

Moritz Lubczyk, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ am ZEW und Co-Autor der Studie, sieht das jedoch aus wirtschaftspolitischer Sicht nicht als problematisch an:

Oft sind es die unproduktiveren Unternehmen, die den Markt verlassen. Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit konnte jedoch nicht beobachtet werden. Solange die Arbeitsnachfrage hoch ist, finden die betroffenen Arbeitnehmer/innen bei anderen Unternehmen eine Folgebeschäftigung.

Effizienteres Arbeiten durch Mindestlohn

Die Studie zeigt außerdem, dass die Arbeitsproduktivität in Branchen, die besonders von der Einführung des Mindestlohns betroffen waren (etwa die Werbebranche oder das Verlagswesen), angestiegen ist. Dafür gibt es mehrere Erklärungen, sagt Lubczyk:

Zum einen kann das damit zusammenhängen, dass Unternehmen verstärkt in Kapital, also Maschinen oder Technologien, investieren und somit ihre Arbeitskräfte produktiver einsetzen; andererseits ist denkbar, dass Unternehmen statt auf geringfügige mehr auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse setzen und auch somit die Produktivität der Arbeitnehmer/innen steigt.

Ein weiterer Grund liegt darin, dass die durchschnittliche Produktivität der gesamten Branche steigt, wenn weniger produktive Unternehmen aus dem Markt austreten. Die Daten in der Studie aus dem Mannheimer Unternehmenspanel, der Verdienststrukturerhebung sowie der integrierten Erwerbsbiografien für Branchen und Regionen wurden im Erhebungszeitraum 2010 bis 2018 miteinander verglichen.

Erhöhung des Mindestlohns wird kontrovers diskutiert

Der Mindestlohn liegt aktuell bei 10,45 Euro brutto pro Stunde. Die Mindestlohnkommission aus Vertreter:innen von Arbeitgeber:innen, Gewerkschaften und Wissenschaftler:innen passt den Betrag stetig an. Zudem begutachtet sie die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Schutz der Arbeitnehmer:innen, den Wettbewerb, die Beschäftigung und Produktivität. In mehreren Branchen wie der Pflege gibt es zudem tarifliche Mindestlöhne.

Ab 1. Oktober wird der Mindestlohn außerplanmäßig auf Wunsch der Politik auf 12 Euro pro Stunde erhöht. Dies erscheint vor dem Hintergrund der steigenden Inflation dringend notwendig, wird jedoch von einigen Ökonom:innen kritisiert. So sagte der Ökonom Christoph Schröder im Interview mit der ZEIT, dass ein Mindestlohn von 12 Euro „für effektive Armutsbekämpfung quasi nur Homöopathie“ sei. Viele Arbeitgeber:innen könnten dieses Gehalt nicht zahlen und würden den Mindestlohn deshalb unterlaufen oder Kündigungen aussprechen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Erhöhung hingegen als „wichtigen und überfälligen Schritt“. Für viele Beschäftigte ist die Anhebung des Mindestlohns eine erhebliche Lohnerhöhung – vor allem für Frauen und Ostdeutsche, sagt der Makroökonom Prof. Tom Krebs im Interview mit dem DGB. Zudem könne ein höherer Mindestlohn auch die Wachstumspotenziale stärken, da dadurch die Beschäftigung von Niedriglohnarbeit hin zu Jobs mit höherer Produktivität verschoben würde.

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