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Unternehmenskultur
Arbeiten nach Biorhythmus: Effizienter – vor allem aber gesünder

Arbeiten nach Biorhythmus: Effizienter – vor allem aber gesünder

Michelle Winner | 05.06.19

Unsere innere Uhr sorgt für Hochs und Tiefs im Tagesablauf. Richten wir uns nach diesen, gehen wir produktiver an die Arbeit. Selbst in der Schichtarbeit kann man profitieren.

Gehörst du zu den Personen, die bereits um 6 Uhr morgens problemlos aus den Bett springen und dafür abends pünktlich um 10 Uhr schlafen gehen? Oder bist du eher von der Sorte morgens zig mal auf Snooze drücken und bis spät in die Nacht wach bleiben? Egal zu welcher der beiden Gruppen du gehörst, abhängig ist das von deiner inneren Uhr. Die Chronobiologie fasziniert Wissenschaftler. Und so ist es nicht verwunderlich, dass eben diese raten: Arbeitet nach eurer inneren Uhr. Dies soll sowohl Vorteile für die Produktivität als auch für das eigene Wohlbefinden mit sich bringen. Wir haben einen genaueren Blick auf das Arbeiten nach der inneren Uhr geworfen und zeigen euch, was es wirklich damit auf dich hat.

Berufswahl nach der inneren Uhr?

Ja, sagen Wissenschaftler. Studien haben gezeigt, dass Frühaufsteher eher zu Berufen wie Bäcker und Co. neigen. Im Gegensatz dazu wählen die Nachtaktiven eher Jobs, in denen sie zu späteren Zeiten arbeiten können – oder zumindest etwas länger schlafen. Dr. Thomas Kantermann von der Universität Groningen bestätigt diese Erkenntnis. Er erklärt, dass der innere Rhythmus angeboren sei. Veränderungen treten lediglich während der Pubertät auf, weshalb sich auch oft das Bild der verpennten Teenager zeigt, die bis spät in die Nacht wach bleiben, aber morgens nicht aus den Federn kommen. Im Erwachsenenalter pendelt sich der Rhythmus wieder ein. Die Gründe für dieses Phänomen seien noch nicht umfassend erforscht worden. Jedoch vertritt auch Kantermann die Meinung, dass Menschen sich bei der Arbeit nach ihrer inneren Uhr richten sollten – sofern möglich.

Arbeiten im Biorhythmus – Hochs und Tiefs nutzen

In der Regel haben wir pro Tag zwei Hochphasen und zwei Tiefphasen. Das erste Tief verschlafen die meisten von uns: Zwischen 3 und 4 Uhr morgens bekommen wir am wenigsten auf die Reihe. Zwischen 10 und 11 sieht das ganz anders aus. Unser Körper gibt uns Energie und wir können leistungsstark arbeiten. Die Mittagspause gibt es auch für unseren Biorhythmus. Zwischen 12 und 14 Uhr geraten wir erneut in eine Tiefphase. Doch wenige Stunden später erleben wir das letzte Hoch des Tages, nämlich zwischen 16 und 17 Uhr. Die Zeiten zwischen diesen Phasen könnten als „normale Arbeitsphasen“ betitelt werden, die je nach Stimmung und Verfassung mehr oder weniger leistungsstark sein können.

Infografik: Längere Arbeitszeiten sorgen nicht für höhere Produktivität | Statista

Kantermann und andere Wissenschaftler empfehlen nun also, dass wir unseren Arbeitsalltag auf die Hoch- und Tiefphasen anpassen. Sie raten, dass wir wichtige Termine, Aufgaben und konzentriertes Arbeiten auf die Hochs legen, in den Tiefs hingegen eher routinierten Arbeiten nachgehen, die nicht viel von uns abverlangen. Für das immer noch stark leistungsorientierte Deutschland klingen diese Empfehlungen oft wie ein Graus. Dabei ist Arbeiten nach der inneren Uhr sogar produktiver und gesünder – und vor allen Dingen gar nicht so schwer.

So funktioniert das Arbeiten nach dem Biorhythmus

Abgesehen davon, dass man sich an den Hochs und Tiefs orientiert, gibt es noch weitere Tricks, die dir helfen, dich nach der inneren Uhr zu richten. So sind Pausen ganz entscheidend bei der Umsetzung dieser Arbeitsweise. Es wird empfohlen, alle 90 Minuten eine fünfminütige Pause einzulegen. Länger hält unsere Konzentrationsspanne nämlich nicht an. Die kleine Auszeit solltest du wirklich nutzen – geh beispielsweise nach draußen und tanke etwas frische Luft, anstatt nur kurz an der Kaffeemaschine zu tratschen. Wenn du später Mittagspause machst – vorzugsweise in der Zeit während des Tiefs – solltest du nicht zu fettig essen. Schnitzel, Pommes, Pizza und Co. rufen förmlich nach Fresskoma auf dem Sofa und hemmen deine Leistung. Iss also lieber etwas Leichtes, wie Salat und Obst.

Allgemein sind geregelte Essenszeiten wichtig für den Biorhythmus. Dazu zählt auch ein ausgewogenes Frühstück als Start in den Tag. Und was zu oft vergessen wird: trinken. Und zwar nicht nur Kaffee für den kleinen Koffeinschub, sondern vor allem Wasser oder ungesüßten Tee. Versuche wenigstens einen Liter bei der Arbeit zu trinken. Desweiteren ist es wichtig, dass du auch einen geregelten Schlafrhythmus hast. Kurz vor dem Zubettgehen noch spannende Serien zu schauen oder ewig am Computer oder Smartphone zu sitzen stört erwiesenermaßen deinen Schlaf. Lege dir also eine gesunde Abendroutine zu – Tipps dafür haben wir dir hier zusammengestellt. Abgesehen davon kannst du manchmal auch schummeln und deinen Biorhythmus austricksen: Steht ein Termin während einer Tiefphase an, kannst du zum Beispiel etwa eine Stunde vorher etwas Sättigendes Essen. So hast du genug Energiereserven für deine Aufgabe.

Bedarf es einer Umstellung von offizieller Seite?

Südeuropa macht es vor – die Siesta ist in Spanien und Italien schon lange etabliert. Geschäfte, Schulen und selbst Behörden schließen ihre Türen für die lange Mittagspause, bevor es später am Tag wieder ans Werk geht. Der Tagesablauf verschiebt sich dadurch weiter nach hinten, doch der Körper bekommt dafür Zeit, sich während des Tages zu regenerieren. Zugegeben, die Siesta ist auch an die oft heißen Temperaturen Südeuropas geknüpft, inzwischen aber selbst in Spanien umstritten und hier in Deutschland gibt es für die Praktik ebenfalls wenig Verständnis. Dennoch ist es nicht verkehrt, wenn Arbeitgeber die Arbeitszeiten so legen, dass die Mitarbeiter ihre Hochs voll nutzen können.

Interessant wird diese Diskussion mit Blick auf Schulen. Kinder und besonders Teenager machen, wie erwähnt, einen extremen Wandel durch. Ihre innere Uhr beginnt in der Pubertät anders zu ticken. Trotzdem schrecken Verantwortliche davor zurück, den Schultag später anfangen zu lassen – mit der Folge, dass die Lehrer in der ersten Stunde um 7:30 Uhr in die Gesichter verschlafener Zombies schauen. In den USA hingegen gibt es bereits Projekte, in welchen getestet wird, welche positiven Auswirkungen ein Schulbeginn um 13 Uhr hat. Kantermann fordert, dass wenigstens Prüfungen auf eine angemessenere Uhrzeit gelegt werden. Die Forderung ist nicht unbegründet, denn die meisten von uns erinnern sich sicherlich noch an lästige Klausuren oder gar Abschlussprüfungen, die entweder direkt in der ersten Stunde geschrieben wurden oder in der letzten am späten Nachmittag. Dass eine Veränderung der Schulzeit auch deutliche Auswirkungen auf die Arbeitszeiten der Eltern haben könnte, darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden.

Statistik: Sind sie eher dafür oder eher dagegen, dass der Unterrichtsbeginn in deutschen Schulen an den Biorhythmus von Jugendlichen angepasst wird und somit später beginnt? | Statista
Die Grafik zeigt, dass es zu wenig Verständnis für den natürlichen Biorhythmus von Jugendlichen gibt. Grund dafür sind oft Vorurteile von Erwachsenen, die der Jugend „Faulheit“ unterstellen.

Schichtarbeit nach Biorhythmus? Unternehmen machen es möglich

Die Schichtarbeiter unter euch schütteln jetzt vielleicht mit dem Kopf. Verständlich, denn das Arbeiten in Schichten läuft fast immer gegen die innere Uhr. Jedoch gibt es auch hierfür inzwischen Modelle, die den Arbeitnehmern das Leben erleichtern sollen. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bieten zum Beispiel vier Schichten an (Früh, Tag, Spät, Nacht), zwischen welchen ihre Fahrer wählen und die Arbeit so trotzdem an Privatleben und Biorhythmus anpassen können. Für Frühschichten gibt es interessanterweise eine Warteliste, da diese besonders beliebt sind. Zwar ist die Organisation des Dienstplans für die mehr als 3.000 Fahrer so aufwändiger, aber es zahlt sich aus. Zudem wird auch versucht, dass die Arbeitnehmer in der Nähe ihrer Wohnorte zum Einsatz kommen, um so lästige Anfahrtswege zu ersparen. Die Mitarbeiter der BVG sind in großen Teilen zufrieden. Betriebsärztin Manuela Huetten erklärt:

Natürlich haben wir aus arbeitsmedizinischer Sicht einen Blick auf die Dienstplangestaltung. Aber im Grund ist es so, dass der Dienst, den sich der Mensch wünscht, nicht krank macht. Wir haben eine hohe Akzeptanz unter den Mitarbeitern.

Grundlage der Idee ist die Tatsache, dass Schichtarbeiter schnell zu Gesundheitsproblemen neigen. So erkranken diese schneller an üblichen Erkältungen, sind statistisch ebenso anfälliger für Herz-Kreislauf-Probleme, Schlafstörungen, Krebs und Burn Out. Und genau deshalb sei es wichtig, auf die Schichtarbeiter zuzugehen und deren Biorhythmus weitestgehend zu unterstützen. Denn schließlich leisten Krankenschwestern, Ärzte, Fahrer, Polizisten und Co. Arbeiten, die unentbehrlich für das Allgemeinwohl und den Alltag unserer Gesellschaft sind.

Auf die innere Uhr hören? Probiere es aus

An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass der Biorhythmus natürlich vorgegeben ist, von Mensch zu Mensch variiert und nichts mit Faulheit oder ähnlichem zu tun hat. Manche Menschen können sich nicht dazu zwingen, morgens um 6 Uhr fit aus dem Bett zu springen, ebenso wie es anderen schwer fällt, abends lange wach zu bleiben. Die Vorteile des Arbeitens nach Biorhythmus liegen auf der Hand: gesteigerte Leistungsfähigkeit, weniger Stress, ein besserer Schlafrhythmus, und und und. Genau deshalb ist es empfehlenswert, sich darauf einzulassen und wirklich zu versuchen, die Hoch- und Tiefphasen des Tages zu nutzen – beziehungsweise zu pausieren. Und wenn dein Job es dir schwer macht, auf deine Innere Uhr zu hören, versuche die kleinen Tricks zu nutzen, die wir oben aufgezählt haben.

Am Ende entsteht eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber. Denn fitte und gesunde Mitarbeiter leisten mehr für den Erfolg des Unternehmens. Und somit ist das Arbeiten nach Biorhythmus doch besser, als wenn du den ganzen Tag gähnend und gestresst vor deinem Bildschirm sitzt und gefühlt nichts zustande bringst.

Kommentare aus der Community

affekt am 10.06.2019 um 09:10 Uhr

danke für den informativen und sehr ausführlichen Artikel. Ich folge gerne Ihren Vorschlägen.
Vielen Dank

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