Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
New Work
Vier-Tage-Woche: Ein zukunftsträchtiges Modell oder Träumerei?

Vier-Tage-Woche: Ein zukunftsträchtiges Modell oder Träumerei?

Niklas Lewanczik | 27.09.17

Viele Arbeitnehmer träumen von einer Vier-Tage-Woche. Doch welche Konsequenzen und welche Chancen birgt sie wirklich?

Jeden Freitag frei. Eine Aussicht, die viele, gerade junge Arbeitnehmer oder auch Studenten verlockend finden. Die Vier-Tage-Woche ist öfter das Zentrum von Diskussionen. Was für Auswirkungen gehen aber mit einem Tag weniger Arbeitszeit einher? Wir schauen mal genauer hin.

Die Vier-Tage-Woche: Träumerei oder Notwendigkeit?

Es ist ganz klar: ein fest etabliertes langes Wochenende hat für viele Menschen einen ganz besonderen Reiz. Mehr Zeit für die Familie, die Hobbys, sich selbst haben. Doch Arbeitgeber fürchten womöglich bei solch einer Regelung eine geringere Produktivität aufgrund der geringeren Arbeitszeit.

Was für viele eine Träumerei ist, hat jedoch konkreten Anlass zur Betrachtung. Denn vielleicht ist eine allgemeine Reduzierung der Arbeitszeit gerade im Hinblick auf die Produktivität sinnvoll. Immerhin können viele Arbeitnehmer von sich behaupten, nicht in allen der durchschnittlich 41,5 Stunden, die pro Woche gearbeitet wird, wirklich produktiv zu sein. Obwohl das nicht zu pauschalisieren ist, dürften in einigen Branchen kürzere Arbeitszeiten Motivation und Produktivitität steigern.

Allerdings geht der Trend in Deutschland eher zu mehr Arbeit. Im Jahr 2016 verzeichneten elf Prozent der Vollerwerbstätigen überlange Arbeitszeiten. Dabei gelten Stundenzahlen über 48 pro Woche als überlang. Das hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Und in einer Umfrage des BVDW zeigte sich auch, dass 73 Prozent der Befragten zusätzlich in ihrer Freizeit arbeiten und per Mail und Telefon erreichbar sind.

Braucht es also eine Revolution für die Arbeitszeit oder sind die Arbeitnehmer mit den Umständen zufrieden?

Welche Vorteile kann eine Vier-Tage-Woche bieten?

Wir wollen die offensichtlichen Freuden, die für den Arbeitnehmer aus weniger Arbeitszeit resultieren, einmal in den Hintergrund stellen. Natürlich haben wir die Chance, häufiger Wochenendtrips zu machen, Bücher zu lesen oder auch eigene Projekte zu verfolgen. Aber wie können auch die Arbeitgeber profitieren?

Surfen statt arbeiten; doch ein freier Freitag hat seinen Preis, © Miguel A. Amutio – Unsplash

Zum einen besteht je nach Branche die Möglichkeit, auch an vier Tagen das Arbeitspensum zu schaffen. Natürlich gibt es immer etwas nächstes zu tun und Genügsamkeit ist die Tugend der wenigsten Unternehmen. Allerdings kann die geringere Zahl der Arbeitstage auch die Effizienz fördern. Etwa, indem man Meetings reduziert und perspektivisch auch aufgrund der optimierten Work-Life-Balance. Immerhin berichtete der Spiegel davon, dass beim Krankenstand für das Jahr 2016, den die Techniker Krankenkasse ermittelt hatte, die Krankentage infolge psychischer Erkrankungen seit 2006 um 86 Prozent gestiegen sind.

Auch hier könnte weniger Arbeitszeit vorbeugend wirken. Die Motivation der Mitarbeiter könnte steigen, und dank des technischen Fortschritts ist eine Vier-Tage-Woche wohl inzwischen auch zu legitimieren. Aber wie sieht es in der Praxis damit konkret aus? Gibt es überhaupt eine verlustfreie kurze Arbeitswoche?

Kompromisse müssen eingegangen werden

Selbst bei Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche ermöglichen, ist an diesen Tagen entweder die Arbeitszeit entsprechend verlängert oder es sind deutliche Gehaltseinbußen hinzunehmen. Das Unternehmen Frische Fische bietet beispielsweise an, vier Tage à zehn Stunden zu arbeiten, weiß Move your Office zu berichten. Das volle Gehalt und der zusätzlich freie Tag können dabei aber nicht über die immense Belastung an diesen Tagen hinwegtäuschen. Dieses Konzept ähnelt dabei eher Schicht-Konzepten, bei denen besonders lange Arbeitszeiten einen „freien“ Tag beinah notwendig machen.

Dennoch kann schon die vier mal zehn Stunden-Woche positive Effekte haben. Finanzen.net berichtet von einer US-amerikanischen Unternehmensberatung, bei der der Krankenstand und die Moral sich daraufhin positiv entwickelt haben.

Ähnlich verfährt der App-Hersteller Bike Citizens. In einem Interview mit Anna Wilke von Impulse hat der Gründer Andreas Stückl erklärt, dass die Mitarbeiter je neun Stunden pro Tag arbeiten und zudem eine geringe Gehaltseinbuße hinnehmen. Bei seinem Unternehmen ist die Vier-Tage-Woche nun Standard. Als Erfolgsfaktoren benennt er die gesteigerte Kreativität und Motivation. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs in der Zeit des dreitätigen Wochenendes von 13 auf 35; demnach scheint das Unternehmen auch von dem Konzept zu profitieren.

Eine Reduktion der Arbeitszeit bei voller Bezahlung wurde tatsächlich in Schweden getestet. Hier sollten die Mitarbeiter eines Altenheims in Göteborg nur noch sechs Stunden pro Tag arbeiten. Das zeigt Katharina Grimms Bericht im Stern. Doch obwohl sich viele positive Folgen zeigten – weniger kranke Mitarbeiter, höhere Moral etc. – wurde das Projekt eingestampft. Denn es war zu teuer. Für die fehlende Arbeitszeit wurden weitere Kräfte eingestellt. So wurde zwar mehr Arbeit geschaffen, allerdings auch ein ganz neuer, doppelter Kostenfaktor.

Die Freelancerin Wlada Kolosowa erläutert bei ZEIT ONLINE ihre Erfahrungen mit einer selbst gewählten Vier-Tage-Woche. Sie thematisiert den Zwiespalt zwischen wertvoller Freizeit und einem kalkulierten Verzicht auf Einkünfte und damit verbunden konsumorientierte Freuden des Lebens.

Welche Chancen kann der Arbeitsmarkt in geringeren Arbeitszeiten sehen?

Mit reduzierten Arbeitszeiten gehen für Arbeitnehmer auch Einkunftseinbußen einher. Alles andere ist utopisch gedacht, solange die Unternehmen selbst keine Einbußen in Kauf nehmen möchten. Lohnerhöhungen, die für bestimmte Branchen mehr als angebracht wären, könnten dieser Problematik etwas von ihrer Brisanz nehmen.

Dennoch gibt es Vorteile für den Arbeitsmarkt, sollten sich zukünftig mehr Arbeitnehmer entschließen, einen Zugewinn an Freizeit einem größeren Einkommen vorzuziehen. Denn das Vakuum an Arbeitskraft „müsste“ gefüllt werden, was wiederum neue Arbeitsplätze zur Folge haben dürfte.

Diese Idee des Job Sharing scheint eine von verschiedenen Varianten zu sein, wie Arbeitnehmer künftig flexibler agieren können. Die Möglichkeit, Arbeit zeitlich flexibler zu gestalten, ist belegbar der größte Wunsch vieler Arbeitnehmer. Dabei muss es womöglich gar keine Vier-Tage-Woche sein, denn die Mehrzahl der Arbeitnehmer scheint von fünf Tagen nach wie vor überzeugt zu sein. Zugeständnisse vonseiten des Unternehmens können schon Überstundenkonten zum Freizeitausgleich oder das Angebot des Home Office sein, welches dem Arbeitenden auch eine Zeitersparnis liefern kann.

Im Übrigen gibt es neben vielen Arbeitsuchenden auch Teilzeitbeschäftigte hierzulande, die gern mehr arbeiten würden. In Anbetracht dessen könnte daher allgemein über mehr Job Sharing Projekte nachgedacht werden.

Job Sharing oder Co-Working bieten Arbeitgebern und -nehmern Alternativen, © rawpixel.com -Unsplash

Und ist die Vier-Tage-Woche nun ein Modell für die Zukunft?

Solange Angebot und Nachfrage herrschen, scheint eine Verringerung der Arbeitszeit ohne entsprechende Einbußen nur bedingt möglich. Ohnehin dürften kurzfristig wenige Unternehmen darauf eingehen, den Freitag etwa als freien Tag zu etablieren – gerade wenn Produktionsstandards einzuhalten sind. Selbstständige können sich bei freier Zeiteinteilung sicherlich an einem derartigen Experiment versuchen. Dabei müssen sie jedoch schauen, dass die fehlenden Einnahmen kompensiert oder zumindest berücksichtigt werden.

Abzuwarten bleibt, ob in der Zukunft nicht einige Arbeitnehmer dazu gezwungen sein werden, weniger beziehungsweise kürzer zu arbeiten, wenn nämlich einige Arbeitsprozesse von KIs übernommen oder allgemein automatisiert werden. Bis dahin gilt jedoch eher: (Arbeits-)Zeit ist Geld. Wer darauf verzichten kann, mag sich mehr Freizeit gönnen.

Ansonsten gibt es aber schon einige alternative Arbeitskonzepte, die zumindest die Belastung der Arbeitnehmer vermindern können, ohne dass die Produktivität leidet.

Kommentare aus der Community

Blebs am 27.09.2017 um 13:05 Uhr

Erst wenn die technologische Entwicklung gesellschaftlich dazu führt dass der Mensch weniger arbeiten muss kann man von Fortschritt sprechen.

Alles andere (so wie wie wir es u.a. auch hierzulande erleben) ist einfach nur Verlagerung und ergibt rational betrachtet überhaupt keinen Sinn, zmdst. für die arbeitende Bevölkerung nicht ;)

Antworten
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*

Melde dich jetzt zu unserem HR-Update an und erhalte regelmäßig spannende Artikel, Interviews und Hintergrundberichte aus dem Bereich Human Resources.