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Arbeitswelten im Vergleich: Was Ost und West bis heute trennt und verbindet

Arbeitswelten im Vergleich: Was Ost und West bis heute trennt und verbindet

Marié Detlefsen | 07.10.25

35 Jahre nach der Wiedervereinigung nähern sich Ost- und Westdeutschland auch auf dem Arbeitsmarkt immer weiter an, doch die Unterschiede sind noch spürbar. Besonders beim Thema Einkommen und Arbeitszeitwünsche zeigen sich weiterhin klare regionale Nuancen.

Vor mehr als drei Jahrzehnten fiel die Mauer – seitdem haben sich die Arbeitswelten in Ost- und Westdeutschland Schritt für Schritt angenähert. Doch eine neue Untersuchung des XING Arbeitsmarktreports 2025 zeigt: Während sich viele Einstellungen mittlerweile ähneln, gibt es weiterhin deutliche regionale Unterschiede, vor allem, wenn es um finanzielle Sicherheit und persönliche Lebensqualität geht.

Ost und West: Work-Life-Balance am wichtigsten

Für die XING-Studie befragte das Marktforschungsinstitut Appinio im Juli 2025 insgesamt 3.500 Angestellte sowie 600 Personaler:innen in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz. Dabei zeigte sich, dass die Balance zwischen Beruf und Privatleben für viele Beschäftigte als Gradmesser für Zufriedenheit gilt. Bundesweit gaben 56 Prozent an, mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden zu sein – ein Anstieg im Vergleich zu 2024 (52 Prozent). Besonders bemerkenswert ist dabei die Entwicklung in den ostdeutschen Bundesländern: Dort stieg die Zufriedenheit von 48 auf 54 Prozent. In den westlichen Bundesländern liegt der Wert leicht darüber bei 57 Prozent.

Auch wenn die Zahlen enger zusammenrücken, bleibt der Wunsch nach weniger Arbeit groß. Zwei Drittel der Befragten im Osten (69 Prozent) würden gerne ihre Stunden reduzieren, im Westen sind es mit 66 Prozent fast genauso viele. Unterschiede zeigen sich allerdings bei den Gründen: Während im Westen 64 Prozent mehr Zeit für Hobbys und persönliche Interessen angeben, sind es im Osten nur 56 Prozent. Stress ist hingegen für 60 Prozent der westdeutschen Beschäftigten ein Anlass, weniger arbeiten zu wollen, im Osten lediglich für 52 Prozent.

Mehrarbeit in Ost und West: Geld als entscheidender Faktor

Einigkeit herrscht beim Thema Mehrarbeit: Sowohl im Osten (62 Prozent) als auch im Westen (60 Prozent) lehnen die meisten Beschäftigten zusätzliche Arbeitsstunden für sich persönlich ab. Auch für die Gesellschaft halten zwei Drittel der Ostdeutschen (68 Prozent) und 63 Prozent der Westdeutschen Mehrarbeit nicht für notwendig, um den Wohlstand zu sichern.

82 Prozent der Befragten in Ostdeutschland nennen finanzielle Gründe als Ursache für Mehrarbeit (die Grafik wurde anhand der XING-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)
82 Prozent der Befragten in Ostdeutschland nennen finanzielle Gründe als Ursache für Mehrarbeit (die Grafik wurde anhand der XING-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)

Doch wenn es um die Beweggründe derjenigen geht, die prinzipiell bereit wären, mehr zu arbeiten, tritt ein klarer Unterschied hervor: 82 Prozent der Befragten in Ostdeutschland nennen finanzielle Gründe. Im Westen liegt der Anteil nur bei 66 Prozent. Auch beim Thema Arbeitszeitreduzierung zeigt sich ein ähnliches Bild: 74 Prozent der Ostdeutschen geben an, wegen des Geldes nicht kürzertreten zu können, während im Westen 55 Prozent so argumentieren. Dort spielt zudem der Spaß an der Arbeit eine größere Rolle (58 Prozent gegenüber 47 Prozent im Osten).

Attraktivität von Arbeitgeber:innen: Osten setzt stärker auf Entlohnung

Des Weiteren gibt es regionale Unterschiede bei der Wahl von Unternehmen und der Ansicht, was Arbeitgeber:innen attraktiv macht. Laut der Studie legen in den ostdeutschen Bundesländern fast die Hälfte der Beschäftigten Wert auf gute Bezahlung (49 Prozent) und Prämien oder Bonuszahlungen (46 Prozent). Im Westen sind diese Werte etwas niedriger mit 44 beziehungsweise 42 Prozent. Flexible Arbeitszeiten hingegen sind dort gefragter: Ein Viertel der westdeutschen Beschäftigten nennt sie als wichtiges Kriterium, im Osten nur 21 Prozent.

Attraktivität von Arbeitgeber:innen: Im Osten stehen Bezahlung und Prämien stärker im Fokus, während im Westen flexible Arbeitszeiten etwas wichtiger sind (die Grafik wurde anhand der XING-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)
Attraktivität von Arbeitgeber:innen: Im Osten stehen Bezahlung und Prämien stärker im Fokus, während im Westen flexible Arbeitszeiten etwas wichtiger sind (die Grafik wurde anhand der XING-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)

Diese Unterschiede lassen sich auch durch das weiterhin bestehende Einkommensgefälle erklären. Laut der Bertelsmann Stiftung verdienen Arbeitnehmer:innen im Osten im Durchschnitt rund 16 Prozent weniger als im Westen.

Gemeinsamkeiten in Ost und West wachsen, doch Unterschiede bleiben

Doch egal, ob Ost oder West – die allgemeine Einschätzung der Chancen am Arbeitsmarkt fällt skeptisch aus. 59 Prozent der Befragten halten es aktuell für eher schwierig, eine neue Stelle zu finden. In Ostdeutschland ist diese Einschätzung mit 61 Prozent etwas verbreiteter als im Westen (59 Prozent). Gleichzeitig berichten mehr ostdeutsche Unternehmen (41 Prozent) von Schwierigkeiten, passende Fachkräfte zu gewinnen. Im Westen liegt dieser Wert bei 37 Prozent.

Die Ergebnisse zeigen: Ost- und Westdeutschland sind sich in vielen Fragen des Arbeitsalltags deutlich nähergekommen, unter anderem beim Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance oder in der Ablehnung von Mehrarbeit. Unterschiede bestehen jedoch weiterhin, vor allem dort, wo die wirtschaftliche Realität spürbar wird. Während im Westen Lebensqualität und Flexibilität stärker gewichtet werden, bleibt im Osten das Einkommen der zentrale Faktor. Wer dem Fachkräftemangel begegnen möchte, muss daher regionale Unterschiede ernst nehmen und maßgeschneiderte Angebote machen, sei es durch finanzielle Anreize im Osten oder mehr Flexibilität im Westen.


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