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Human Resources
Elektronische Zeiterfassung – entscheidet zukünftig der Betriebsrat?

Elektronische Zeiterfassung – entscheidet zukünftig der Betriebsrat?

Ein Gastbeitrag von Wolfgang Volz | 14.10.21

Kann künftig der Betriebsrat darüber entscheiden, ob die elektronische Zeiterfassung für die Arbeitszeit integriert wird? Das ist der Status quo der rechtlichen Grundlagen.

Laut Entschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm liegt die Entscheidung, ob eine elektronische Arbeitszeiterfassung im Unternehmen eingeführt wird, zukünftig in den Händen der Betriebsräte. Das LAG Hamm räumt im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Betriebsrat neue Rechte ein.

Dieses Urteil sorgt für Aufsehen, denn an dem Für und Wider zur elektronischen Zeiterfassung für Arbeitnehmer scheiden sich bereits seit Längerem die Geister. In den Augen vieler Personen ist die Zeiterfassung eines Betriebes die Möglichkeit, die Ausnutzung der Arbeitnehmer:innen zu vermeiden. Andere sorgen sich um den Verlust an Vertrauen und Freiheit ihrer Arbeiter:innen im Unternehmen. Es kann sein, dass diesen unterschiedlichen Stimmungen nun von den Arbeitsgerichten die Richtung vorgegeben wird. Denn mit dem Urteil vom Juli 2021 hat gerade das Landesarbeitsgericht Hamm festgelegt, dass Betriebsräte den Arbeitgeber:innen zur Einführung eines elektronischen Systems für die Erfassung der täglichen Arbeitszeit verpflichten können.

Was war der Anlass des Urteils des LAG Hamm?

Im Raum Minden konnten sich die Betreiber:innen einer Klinik in ihren Verhandlungen nicht mit dem Betriebsrat über ein passendes Arbeitszeitmodell inklusive der Einführung von Arbeitszeitkonten einigen. Es kam zum Streit über die Beteiligung des Betriebsrats. Die Kernfrage: Steht den Arbeitnehmer:innenvertreter:innen ein sogenanntes Initiativrecht an der Entscheidung zur Einführung eines elektronischen Systems zur Zeiterfassung zu oder nicht? Deutlicher formuliert: Kann der Betriebsrat den Arbeitgeber dazu zwingen?

Der Fall ging zunächst vor eine Einigungsstelle, zog weiter vor das Arbeitsgericht in Minden, bevor er schließlich vor das Landesarbeitsgericht Hamm (Aktenzeichen 7 TaBV 79/20) ging. Das Ergebnis resultierte im Beschluss zugunsten des Betriebsrats. Laut LAG Hamm stünde dem Betriebsrat ein Initiativrecht zu. Dieser Entschluss weicht damit von einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ab (Beschluss vom 28.11.1989, Az.: 1 ABR 97/88). Wie das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall entscheidet, ist die große, noch offene Frage. Eine Rechtsbeschwerde ist eingelegt und wurde bereits zugelassen.

Kann der Betriebsrat über die Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung bestimmen?

Die Klage des Betriebsrats beim LAG Hamm zielte auf die Feststellung eines Initiativrechts bei der Einführung eines elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung der Arbeitnehmer:innen ab. Dessen Argument: Das Mitbestimmungsrecht für Betriebsräte sei laut § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG umfassend und schließe daher auch die Bestimmung für ein Zeiterfassungssystem mit ein. Gemäß dem oben genannten Paragrafen sei keine Einschränkung im Wortlaut vorhanden, die ein Mitbestimmungsrecht ausschließe und sich stattdessen nur auf die Ausgestaltung der technischen Einrichtung beziehe.

Ein Initiativrecht des Betriebsrats lehnt das Bundesarbeitsgericht bisher ab. In seinem Sinne sei das Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) lediglich als Funktion zum Schutz der Arbeitnehmer:innen vor einer technischen Überwachung auszulegen. Das LAG Hamm sieht mit seinem Beschluss nun ebenfalls das Initiativrecht des Betriebsrats und nicht die Abwehrfunktion in Bezug auf Einführungen technischer Kontrolleinrichtungen. Damit geben die Hammer Richter:innen der Klage des Betriebsrats recht und widersprechen der bisherigen Auslegung des BAG.

Seine Begründung belegt das Gericht mit § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die gesetzgebende Instanz verzichte gemäß Wortlaut ausdrücklich auf eine Teilung der Mitbestimmungsrechte in „mit“ und „ohne“ Initiativrecht. Aus diesem Grund sei die einzelne Formulierung des konkreten Mitbestimmungsrechts entscheidend. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fokussiere sich insbesondere auf die „Einführung“ technischer Einrichtungen. Dazu zähle ebenfalls die Einführung eines Systems zur Zeiterfassung.

Regelung zur elektronischen Zeiterfassung längst überfällig?

Bereits vor zwei Jahren entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Arbeitgeber:innen zukünftig die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter:innen erfassen müssen. Wie genau und auf welche Weise blieb dabei offen. Die abschließende gesetzliche Regelung steht dazu in Deutschland bisher aus. Ob und in welcher Form der aktuelle Fall eine Auswirkung auf die noch ausstehende Entscheidung haben mag, bleibt nun abzuwarten. Das Bundesarbeitsgericht könnte der gesetzgebenden Instanz hier zuvorkommen.

Viele große Unternehmen und Konzerne haben das EuGH-Urteil bereits von sich aus umgesetzt. Mittlerweile gibt es in den meisten Unternehmen elektronische Zeiterfassungssysteme, die die Arbeitszeiterfassung zuverlässig gewährleisten. Dagegen hinken insbesondere Betriebe im Mittelstand an dieser Stelle noch hinterher. Zwar existieren Betriebsvereinbarungen zur Erfassung der Arbeitszeiten, die für die gesamte Belegschaft gelten, doch die angekündigte Pflicht des EuGH zur kontinuierlichen Arbeitszeiterfassung sind viele mittelständische Unternehmen bisher nicht angegangen. Die Betriebsvereinbarungen dienen oft allein dazu, Konflikte mit den Arbeitsschutzgesetzen zu vermeiden. Schließlich sind Pausenzeiten, vorgeschriebene Ruhephasen und tägliche Obergrenzen der Arbeitszeiten bereits gesetzlich vorgegeben.

Weitere Unklarheiten aufgrund noch offener Gesetzgebung

Seit dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung ist vielen Arbeitgeber:innen allerdings noch unklar, wie die Pflicht der Zeiterfassung aller Arbeitsstunden gehandhabt werden soll. Offene Fragen klären bisher die Arbeitsgerichte, da der die gesetzgebende Instanz noch nicht entschieden hat. So auch in diesem Fall:

Ende 2020 sorgte ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden für Aufsehen und landete schließlich vor dem BAG: Es ging um eine Angestellte, die vom Arbeitgeber 20.000€ für absolvierte Überstunden verlangte. Damals fiel der Entschluss der Richter:innen zur allgemeinen Überraschung zugunsten der Angestellten aus, da sie die Überstunden im firmeneigenen Zeiterfassungssystem dokumentiert hatte. Für die Mitarbeiterin galt die Regel der Vertrauensarbeitszeit. Laut Aussage der Richter:innen hätten die Vorgesetzten im System die zusätzlich geleisteten Stunden erkennen können, doch diese offensichtlich geduldet. Die Richter:innen des AG Emden wiesen auf das EuGH-Urteil aus 2019 hin, nachdem Unternehmen ja ohnehin zur Zeiterfassung verpflichtet seien. Auch in diesem Fall entscheidet noch das Bundesarbeitsgericht.

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