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Büroalltag
Rückkehr zu Stereotypen: Frauen werden beim Thema Home Office in traditionelle Rollenbilder zurückgedrängt
Das am häufigsten heruntergeladene Bild zum Thema Home Schooling, © iStock

Rückkehr zu Stereotypen: Frauen werden beim Thema Home Office in traditionelle Rollenbilder zurückgedrängt

Michelle Winner | 08.04.21

Die Coronakrise kann für Frauen zum Karriere-Killer werden. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass stereotypische Darstellungen im Marketing diese Entwicklung unterstützen können.

Bereits nach den ersten Monaten Lockdown haben wir darüber berichtet, dass die Pandemie ein Rückschlag in Sachen Gleichberechtigung werden kann. Nach einem Jahr verfestigt sich dieses Bild: In vielen Familien scheinen Männer und Frauen wieder in stereotypische Rollenbilder zu schlüpfen. Eine OnlineMarketing.de vorliegende aktuelle Untersuchung von iStock zeigt zudem, dass auch bei der Darstellung von Frauen im Home Office häufig auf Stereotype zurückgegriffen wird. Die Folgen eines solchen Rückschritts im Denken können zum Karriere-Killer für Frauen werden.

Marken und Unternehmen greifen auf stereotypische Darstellung zurück

Im Rahmen der Untersuchung hat iStock die Download-Daten von Kunden aus dem vergangenem Jahr analysiert. Die daraus resultierenden Ergebnisse zeigen, dass Marken und auch Unternehmen selbst wieder vermehrt auf die Darstellung traditioneller Rollenbilder zurückgreifen. Dabei hatte es vor Corona viele Bemühungen gegeben, das diverse Spektrum von Genderidentitäten und modernen Familienkonstruktionen auch im Marketing widerzuspiegeln. Somit zeigt die Untersuchung einen Rückschritt in Sachen Diversität. Besonders bemerkbar macht sich dies beim Thema Home Schooling. iStock berichtet, dass Bilder, auf welchen die Mutter schulische Betreuung übernimmt, dreimal häufiger heruntergeladen werden als solche, auf denen der Vater den Lehrer spielt. Jacqueline Bourke, Director für Creative Insights EMEA bei iStock, erklärt dazu:

Die Tatsache, dass in den heruntergeladenen Bildern hauptsächlich Frauen diejenigen sind, die ihre Kinder zuhause unterrichten oder Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen, beweist uns, dass deutsche Unternehmen und Marken noch einen weiten Weg vor sich haben, um die Gleichstellung der Geschlechter sowohl am Arbeitsplatz als auch innerhalb der eigenen vier Wände aktiv voranzutreiben.

Die Rückkehr zum traditionellen Rollenbild der Frau wird übrigens nicht nur durch die Nutzung von Bildern deutlich. Eine Studie der Uni Koblenz-Landau unterstützt die Ergebnisse: Demnach ist es in 81 Prozent der Fälle die Mutter, die sich um Home Schooling und Kindererziehung kümmern muss – auch dann, wenn sie eigentlich selbst im Home Office arbeitet. Eine Aufgabenteilung findet zwischen Eltern derzeit selten statt. Anja Wildemann von der Universität Koblenz-Landau erläutert:

Ich befürchte, dass unsere Gesellschaft in Bezug auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit eben noch längst nicht so weit ist, wie wir das gerne hätten. Die Coronakrise hat damit im Grunde nur offengelegt, was vorher vielleicht noch stärker verdeckt geblieben ist.

Bei der Darstellung von Frauen im Home Office fehlt Diversität

Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung decken sich mit jenen, die iStock im Rahmen seiner Visual GPS-Studie aufgedeckt hat. 35 Prozent der befragten Frauen kämpfen im Alltag mit geschlechtsspezifischen Vorurteilen und 89 Prozent denken, dass Frauen in der Werbung nicht angemessen dargestellt werden. Besonders beim Thema Home Office wird häufiger auf Stereotype zurückgegriffen. Auf den über iStock heruntergeladenen Bildern sind nur in sieben Prozent der Fälle Frauen über 50 abgebildet. Weibliche Personen mit einem besonders kurivigen Körperbau sind sogar nur auf 0,9 Prozent der Fotos zu sehen. Marken und Unternehmen haben sich auch lediglich bei drei Prozent der Bilder dafür entschieden, Frauen mit asiatischem Hintergrund zu zeigen. Noch erschreckender ist, dass Unternehmen Fotos mit weiblichen Personen mit Behinderung sowie Schwarzen Frauen im Home-Office-Kontext gar nicht heruntergeladen haben. Die Autor:innen der iStock-Analyse schreiben dazu:

Geschlechterspezifische Klischees sind noch immer tief in der westlichen Kultur verwurzelt. Aus diesem Grund sollten Unternehmen sich bewusst dazu entscheiden, dieser klassischen Rollenverteilung ein Ende zu setzen und stattdessen Bildmaterial auswählen, das die tatsächliche, vielfältige Realität von Frauen und sich als weiblich identifizierenden Personen darstellt.

Das Bild, das 2020 zum Suchbegriff „Homeschooling“ in Deutschland am häufigsten heruntergeladen wurde, kannst du übrigens als Titelbild zu diesem Artikel sehen: Es stellt eine überforderte, weiße Frau im Home Office mit zwei Kindern und Katzen dar.

Wie gelingt eine diversere Darstellung von Frauen?

Bourke hat einige Ratschlägt für Unternehmen und Marken zusammengefasst, um diverseres Bildmaterial auszuwählen:

  • Hinterfragen, ob das gewählte Bildmaterial Geschlechterklischees darstellt oder authentisch ist
  • Bei der Bildwahl von Kunden und Zielgruppe inspirieren lassen und neue Quellen finden
  • Stereotype identifizieren und von diesen abwenden
  • Gezielt nach inklusivem Bildmaterial suchen (beispielsweise Frauen of Colour, Schwarze Frauen, Frauen mit Hijab, Körperbehaarung, kurviger Statur oder Behinderung, Trans-Frauen)
  • Prüfen, ob die Darstellung wirklich divers ist oder auf Stereotypen basiert (zum Beispiel eine Schwarze Frau als Reinigungskraft oder ältere Frauen als gemütliche Oma in der Küche)

Abgesehen davon sollte aber nicht nur bei der Darstellung von Frauen auf Diversität geachtet werden, sondern bei allen Aspekten des alltäglichen Lebens. Um ein realistisches Bild unserer bunten Gesellschaft abzubilden, empfiehlt Bourke alle Sexualitäten und Genderidentiäten mit einzubeziehen, zum Beispiel indem auch homosexuelle Elternpaare gezeigt werden. Ebenso sollten verschiedene religiöse und kulturelle Hintergründe, Hautfarben, Altersgruppen und auch Behinderungen authentisch und als normaler Teil unseres Alltags dargestellt werden. So wird Diversität normalisiert und außerdem unsere Gesellschaft authentisch widergespiegelt. Stereotype führen hingegen lediglich zu einem rückschrittlichen Denken.

Die Pandemie darf nicht zum Karriere-Killer für Frauen werden

Die Ergebnisse der Uni Koblenz-Landau sowie von iStock zeigen, dass schleunigst wieder inklusiver gedacht werden muss – sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch in der Marketing-Welt. Mareike Bünning, Soziologin des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (WZB), warnt daher:

Für die beruflichen Perspektiven gerade von Müttern ist diese Krise ein großer Rückschlag. Junge Mütter, die jetzt in einer Phase stecken, in der sich ihre weitere Karriere entscheidet, werden momentan durch die Pandemie und ihre Folgen ausgebremst. Die Fortschritte, die erzielt wurden, lösen sich gerade in Luft auf. Und die Familien stehen mit dem Problem einmal mehr allein da.

Laut einer Studie des WZB würden besonders würden Mütter unter der Doppel-, beziehungsweise Dreifachbelastung aus Home Office, Haushalt und Heimunterricht leiden. Heißt, nicht nur die Marken und Unternehmen müssen sich von Stereotypen abkehren, sondern auch die Familien selbst. Elternpaare sollten auf eine gerechte Aufgabenteilung setzen und zudem sollte nicht immer die Mutter karrieretechnisch zurückstecken müssen. Zur Rollenverteilung bei gleichgeschlechtlichen Elternpaaren gibt es derzeit leider keine Informationen. Hier wäre ein Vergleich interessant. Nichtsdestotrotz bleibt zu hoffen, dass die alarmierende Entwicklung in Richtung Stereotype und traditioneller Geschlechterrollen stoppt und das Denken wieder bunter wird – auch bei den Themen Home Office und Home Schooling.

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