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Büroalltag
LGBTQ+ Community leidet unter Diskriminierung am Arbeitsplatz: Wieso fehlt die Akzeptanz?

LGBTQ+ Community leidet unter Diskriminierung am Arbeitsplatz: Wieso fehlt die Akzeptanz?

Michelle Winner | 03.09.20

Sexuelle Belästigung und Ausgrenzung stehen für viele LGBTQ+ Member auf der Tagesordnung. Trans-Personen sind dabei besonders häufig betroffen.

Liebe ist Liebe und es gibt mehr als nur zwei Geschlechter (Gender) – zwei Aussagen, die in unserer Gesellschaft immer mehr akzeptiert werden. Gleichzeitig sorgen sie aber auch für Gegenwind, da es immer noch Menschen gibt, die keinerlei Akzeptanz gegenüber der LGBTQ+ Community zeigen und sich weigern, sich mit dem Thema und den dazugehörigen Diskursen auseinanderzusetzen. Das Schlimmste daran: Die Diskriminierung von Mitgliedern der Community zieht sich durch alle Lebensbereiche – auch die Arbeitswelt, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) zeigt. Ein trauriger Blick auf Diversity in unserer Gesellschaft.

Fortschritte werden gemacht, Diskriminierung bleibt

In Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld hat das DIW festgestellt, dass 30 Prozent der Arbeitnehmer mit LGBTQ+-Zugehörigkeit am Arbeitsplatz diskriminiert werden. Allein bei den Trans-Menschen sind es 40 Prozent. Die Ergebnisse basieren auf Befragungen, die ein repräsentatives Bild der Arbeitslandschaft in Deutschland zeigen. Gleichzeitig wurde in der Studie festgestellt, dass LGBTQ+ Member oft einen höheren Bildungsabschluss besitzen: 60 Prozent von ihnen haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss, während es im Bevölkerungsdurchschnitt nur 42 Prozent sind.

Die Analyse, in welchen Branchen LGBTQ+ Member arbeiten, gibt eine Tendenz in Sachen Akzeptanz. Denn queere Menschen neigen dazu in Unternehmen und Branchen zu arbeiten, die ihnen gegenüber offener eingestellt scheinen. Im produzierenden Gewerbe, der Wasser- und Energieversorgung und der Forst- und Landwirtschaft sind sie unterrepräsentiert und auch nur 57,3 Prozent der Befragten sind dort in ihrem Job geoutet. Im Gegensatz dazu arbeiten vergleichsweise viele LGBTQ+ Member im Gesundheits- und Sozialwesen und 74,5 Prozent sind dort auch geoutet:

© DIW

Das Thema Coming-Out am Arbeitsplatz scheint besonders heikel zu sein, wie auch eine Studie der Boston Consulting Group zeigt. Nach dieser haben sich gerade einmal 37 Prozent der LGBTQ+ Community am Arbeitsplatz geoutet, unter den Trans-Menschen noch weniger. Grund dafür ist vor allem die Angst vor fehlender Akzeptanz und negativen Auswirkungen auf die Karriere. Wer jetzt vielleicht denkt „Sowas hat bei der Arbeit ja auch nichts zu suchen!“, sollte diese Ansicht hinterfragen und ins Verhältnis setzen. Denn Axel Hochrein, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), verdeutlicht:

Ob das Familienfoto auf dem Schreibtisch, der Small Talk über die Urlaubspläne mit der Partnerin oder die Einladung für den Partner zur Betriebsfeier – Heterosexuelle sprechen am Arbeitsplatz so selbstverständlich wie unbewusst über ihre sexuelle Herkunft. Obgleich immer mehr Lesben, Schwule und Bisexuelle diese Offenheit für sich ebenfalls in Anspruch nehmen, müssen sie leider weiterhin mit negativen Reaktionen rechnen.

Trans-Personen im Job besonders benachteiligt

Mit einem biologischen Geschlecht geboren worden zu sein, das sich falsch anfühlt, ist allein schon eine große Herausforderung für viele Menschen. Sie kämpfen mit sich selbst, mit traditionellen Geschlechterbildern und mit ihren Mitmenschen. Das resultiert oft in einer großen psychischen Belastung, besonders dann, wenn enge Vertraute wie die Eltern sich plötzlich von ihrem Kind abwenden, nur weil beispielsweise Lina zu Linus wird. Die Selbstverletzungs- und Suizidrate ist bei Trans-Personen dementsprechend hoch. Um so schlimmer erscheint es da, dass nicht einmal der Arbeitsplatz einen Safe Space darstellt.

So zeigt ein Fact Sheet der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ASD), dass Trans-Menschen nicht nur individuell, sondern auch strukturell benachteiligt werden. Die Arbeitslosenrate und der Anteil der Erwerbsunfähigkeit sind überdurchschnittlich hoch, sie haben geringere Aufstiegschancen und erhalten oft auch weniger Gehalt. Daraus resultieren schlechtere Wohnverhältnisse und ein höheres Risiko zur Obdachlosigkeit. Traurige Tatsache am Rande: Die Diskriminierung beginnt oft schon in der Schule, wo Trans-Kinder und -Jugendliche von Mitschülern sowie Lehrern ausgeschlossen werden und oft schlechtere Noten erhalten. Letzteres ist wiederum auf die hohe psychische Belastung zurückzuführen, die mit der Transition einhergeht und die auch auf Mobbing und Benachteiligung basiert.

Sexuelle Belästigung und Beleidigungen auf der Tagesordnung

Wer sich am Arbeitsplatz geoutet hat, muss oft damit leben angestarrt oder gar sexuell belästigt zu werden. So hält sich beispielsweise hartnäckig das Vorurteil, dass Homosexuelle automatisch jeden attraktiv finden, der das gleiche Geschlecht hat. Das dem nicht so ist, sollte auf der Hand liegen. Besonders leiden auch hier die Trans-Personen. Zu der sexuellen Fetischisierung, der sie oft ausgesetzt sind, kommt fehlende Akzeptanz hinzu: Arbeitgeber weigern sich beispielsweise Namensschilder und Signaturen anzupassen oder verweigern Trans-Personen sogar die Wahl, welche Toilette sie benutzen dürfen. Teilweise werden sie von Kollegen auch bewusst mit dem falschen Namen oder Gender angesprochen. So offen unsere Gesellschaft auch scheint, gerade der Online-Auftritt vieler zeigt, wieso es die LGBTQ+ Community so schwer im (Arbeits-)Alltag hat:

Anstatt sich mit dem Thema LGBTQ+ auseinanderzusetzen, fühlen viele Menschen sich davon angegriffen – oft, weil ihr Blick auf das Thema von Vorurteilen oder Halbwissen geprägt ist:

Unternehmen sollten sich offen für Diversity zeigen

LGBTQ+ Member legen laut der Studie des DIW besonders wert auf ein offenes Arbeitsumfeld, indem sie sie selbst sein können und sich nicht verstellen müssen. Studienautorin Lisa de Vries von der Universität Bielefeld sagt dazu:

Wenn LGBTQI*-Menschen bestimmte Branchen und Unternehmen meiden, sie gleichzeitig aber höher gebildet sind, dann sollte allein schon diese Erkenntnis ein Anreiz für Unternehmen sein, ein diskriminierungsarmes Arbeitsumfeld zu schaffen, damit Arbeitsplätze für diese Zielgruppe attraktiver werden

Arbeitgeber müssen, um inklusiver zu sein, klar Stellung beziehen. Das beginnt bereits bei den Stellenausschreibungen und dem Online-Auftritt des Unternehmens und sollte sich durch das ganze Arbeitsumfeld ziehen. Ganz oben auf der Liste steht hierbei vor allem auch das Ernstnehmen von Beschwerden über Diskriminierung und Belästigung. Außerdem sollten sich sowohl Arbeitgeber als auch Mitarbeiter selbst darüber im Klaren sein, dass es nicht darum geht, heterosexuellen Menschen Rechte abzusprechen, sondern queeren Menschen die gleichen Rechte und die gleiche Behandlung entgegenzubringen – was auch schnell festgestellt werden kann, indem man sich wenigstens etwas mit dem Thema auseinandersetzt. Die sexuelle Orientierung oder Genderidentität einer anderen Person darf kein Anlass zur Benachteiligung sein. Sie ist ein natürlicher Teil des Lebens und sollte als dieser akzeptiert werden.

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