E-Commerce
Warum Amazon User jetzt zur Konkurrenz schickt

Warum Amazon User jetzt zur Konkurrenz schickt

Niklas Lewanczik | 12.02.25

Amazon lässt User neuerdings auch Produkte shoppen, die auf der Plattform gar nicht verfügbar sind, und schickt sie direkt zu Brand Websites. Was kontraintuitiv klingt, hat für Amazon System.

Ist ein Produkt in einem Laden nicht auf Lager, freuen sich potentielle Käufer:innen über einen Hinweis auf andere Geschäfte, die das Gesuchte anbieten können. So ein Hinweis wird als Zuvorkommen eingeordnet, doch dient er dem eigenen Business? Immerhin wird der unmittelbare Kaufabschluss andernorts stattfinden. Allerdings können die Käufer:innen solche Hinweise als positives Moment in der Shopping-Erfahrung wahrnehmen. Und beim E-Commerce liefern zahlreiche solcher Interaktionen wertvolle Daten. Auch deshalb experimentiert Amazon jetzt mit einem Feature, das User direkt zu Brand Websites schickt, wenn sie auf der E-Commerce-Plattform bestimmte Produkte nicht erhalten können. Das klingt zunächst unlogisch, kann dem Konzern aber in vielerlei Hinsicht weiterhelfen – und soll zunächst implizit, vielleicht später auch explizit sogar das eigene Produktportfolio erweitern.

Schon hunderte Millionen Produkte verfügbar: Noch mehr Produkte via Amazon entdecken und anderswo kaufen

Diverse Produktsuchen starten in der westlichen Welt auf Amazon. Die Plattform gilt für viele User als Go-to-Option, um schnell und einfach Produkte zu suchen und zu bestellen. Dabei bietet die Plattform hunderte Millionen Produkte an. Im Prime-Bereich mit mehr als 200 Millionen Abonnent:innen sind in mehr als 35 Kategorien über 300 Millionen Produkte verfügbar, die schnell und unkompliziert versendet werden. Und es kommen immer neue Brands dazu, unter anderem auch Designgrößen wie Estée Lauder, Oura Rings, Armani Beauty und Dolce & Gabbana Beauty.

Trotzdem gibt es zahlreiche Produkte, die User auf Amazon nicht finden können. Damit sie sich aber nicht angewöhnen, auf anderen E-Commerce-Plattformen – vor allem die chinesischen Player SHEIN und Temu machen dem Konzern Konkurrenz – oder Google ihre Suche zu starten, testet Amazon jetzt eine Funktion, die nicht vorrätige oder nicht verfügbare Produkte dennoch hervorhebt. Dabei werden diese in der Amazon App im Suchkontext wie bei einem Shopping-Suchbereich einer Suchmaschine angezeigt. User können sich dann die Produkt ansehen und weitere Artikel der Marke über den „See More“ Button auf Amazon shoppen oder das gewünschte Produkte direkt auf der Brand Website kaufen. Die angezeigten Preise auf Amazon können in dem Fall vom tatsächlichen Preis auf der Website abweichen. Beim Wechsel zur Brand Website werden die Nutzer:innen darüber informiert, dass sie Amazons Property verlassen.

Das Brand Site Shopping in der Amazon App, © Amazon, GIF
Das Brand Site Shopping in der Amazon App, © Amazon

Hat die Brand auf ihrer Website Buy with Prime-Produkte zu bieten, können die User diese dort kaufen und Amazons Versandvorteile genießen, sofern sie Prime-Mitglieder sind. Rajiv Mehta, Amazons VP of Search and Conversational Shopping, erklärt:

We’re continuously working to expand selection and make shopping even more convenient for customers. We’re testing bringing more selection and brands into our search results to help customers find even more of what they want and further improve our shopping experience for customers.

Wer das neue Feature schon nutzen und profitieren kann

Das neue Brand Site Shopping Feature in der Amazon App wird zunächst in der Betaversion für einige iOS und Android User in den USA ausgerollt. Basierend auf dem Feedback möchte der Konzern die Funktion dann noch weiter ausrollen, vorerst aber nur in den USA. Marken, die von dieser Shopping-Erfahrung profitieren möchten, können Amazon via branddirect@amazon.com kontaktieren, um Teil des Betatests zu werden. Auch ein Opt-out soll über diese Kontaktoption möglich sein. Amazon betont außerdem, dass der Konzern keine User-Daten sammelt, die bei Interaktionen außerhalb der App mit Brand Websites generiert werden.

Von diesem neuen Feature können zum einen die Shopper profitieren, die auf einer der größten und einflussreichsten E-Commerce-Plattformen noch mehr Auswahl erhalten. Zum anderen haben Marken die Chance, via Amazon Store-Besuche, und diese sogar oft schon im conversionnahen Kontext, zu erhalten. Wissen User aber um die Integration im Brand Store Shopping auf Amazon, könnte das zugleich die unmittelbaren Besuche auf Brand Websites langfristig minimieren. Das ist einer von vielen Gründen, die der Konzern für dieses Projekt haben dürfte. So ergänzt Mehta:

[…] We know customers have many options for where to shop, and we look forward to customer feedback on this new experience as we work to further improve selection, value, and convenience.

Was hat Amazon vom Verweis auf andere Brand Sites?

Der E-Commerce-Konzern kann trotz der etwaigen Wechsel zu Brand Websites und der Käufe dort auf einige Vorteile aus dem Feature bauen. Einerseits werden die User die erweiterte Produktauswahl zu schätzen wissen und ihre Suche womöglich noch öfter oder zumindest weiterhin und regelmäßig auf Amazon starten. So bleibt Amazon im hart umkämpften E-Commerce-Markt langfristig eine erste Anlaufstelle für viele. Andererseits könnten diese User Amazons Hinweis auf Dritte als nette Geste wahrnehmen – wie den Verweis im Laden auf ein Konkurrenzgeschäft.

Dabei steckt mehr dahinter. Denn der Konzern kann durch dieses Feature und die Interaktionen der User mit den Daten aus der App ermitteln, welche Produktleerstellen es auf der Plattform gibt und gegebenenfalls nachrüsten. Dann müssten die User künftig eben nicht mehr von der Plattform wechseln, um beliebte Produkte zu kaufen. Zudem kann Amazon anhand dieser Daten und des Feedbacks der Test-User feststellen, welche Brands besonders gefragt sind und fortan möglicherweise auch auf Amazon ihre Produkte anbieten sollten.

All das dürfte dafür sorgen, dass sehr viele Menschen weiterhin auf Amazons Optionen als Shopping-Suchmaschine vertrauen. Und der Konzern wappnet sich so für diesen speziellen Nutzungskontext, da andere Dienste und Plattformen wie Alibaba, SHEIN, Google Shopping, Perplexity mit der zuletzt integrierten E-Commerce-Option oder auch ChatGPT (Search) ebenfalls immer umfassendere Optionen zur Produktsuche bieten. Als eine Art Suchmaschine fungiert Amazon so ebenfalls. Diese besondere Stellung verhalf Amazon im vierten Quartal 2024 bereits zu einem Umsatz von knapp 188 Milliarden US-Dollar.

Bei der Produktsuche auf Amazon werden User derweil längst auch von generativer KI unterstützt, sei es durch AI Shopping Guides oder den KI-Bot Rufus.


Frag Rufus:

Das kann Amazons neuer KI-Chatbot

Amazon Rufus
© Amazon via Canva

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