Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
E-Commerce
Änderungen der Lieferschwelle in der EU jetzt in Kraft: Neue Umsatzsteuerpflichten für Online-Händler:innen

Änderungen der Lieferschwelle in der EU jetzt in Kraft: Neue Umsatzsteuerpflichten für Online-Händler:innen

Ein Gastbeitrag von Maximilian Gampl | 01.07.21

Das lange geplante E-Commerce-Steuerpaket wird bedeutsame Konsequenzen für die Welt des Online-Handels in der EU haben. Diese Änderungen sollten Händler:innen im Blick behalten.

Das bereits 2017 von der EU beschlossene E-Commerce-Steuerpaket tritt nun in Kraft. Ursprünglich für den 01.01.2021 angesetzt, hat das Paket nun am ersten Juli 2021 Gültigkeit erlangt und dürfte weitreichende Auswirkungen für den gesamten Online-Handel mit sich bringen. Vor allem die grenzüberschreitende Vereinheitlichung der Lieferschwellen muss dann beim grenzüberschreitenden Handel berücksichtigt werden.

Was ist die sogenannte Umsatzsteuer-Lieferschwelle?

Die Lieferschwelle für die Umsatzsteuer ist ein derzeit in jedem EU-Mitgliedsstaat individuell festgelegter Grenzwert, bei dessen Überschreitung Umsatzsteuerpflichten in dem Land, in das verkauft wird, ausgelöst werden. Die Lieferschwellenregelung besagt im Wesentlichen, dass Online-Händler:innen, die in Land A ihre Ware lagern und diese nach Land B verkaufen, in Land B ebenfalls eine Umsatzsteuernummer beantragen müssen, sobald die Lieferschwelle von Land B innerhalb eines Kalenderjahres erreicht beziehungsweise überschritten wurde.

Neben der Registrierung (beziehungsweise gerade deswegen) müssen sich in einem weiteren Land registrierte Verkäufer:innen nun auch dort um Steuererklärungen, Voranmeldungen und die Einhaltung aller steuerlichen Vorgaben kümmern. Derzeit betragen die Lieferschwellen in den verschiedenen Mitgliedstaaten zwischen 35.000 Euro und 100.000 Euro. Für das Erreichen ist der Netto-Umsatz ausschlaggebend.

Welche anderen Gründe für die Registrierung gibt es?

Im europäischen E-Commerce gibt es vor allem zwei Gründe, die zu umsatzsteuerlichen Pflichten für Online-Händler:innen führen. Neben der Lieferschwelle ist vor allem die Lagerung in einem Land ein ausschlaggebendes Kriterium. Wer in einem EU-Land lagert, der muss sich dort auch steuerlich registrieren.

Amazon-Händler beispielsweise, die mit Pan-EU oder einem anderen FBA Service ihre Waren in Amazons Warenlagern unterbringen lassen, müssen in jedem dieser „Lager-Länder“ eine Umsatzsteuernummer beantragen und die damit verbundenen Folgeaufgaben abwickeln.

Welche Regelungen gelten aktuell?

Beim grenzüberschreitenden Handel (Versandhandelsregelung gemäß § 3 c Abs. 3 UStG) müssen ein Online-Händler:innen derzeit die Umsatzsteuer in dem Land begleichen, aus dem die Ware versandt und meist auch gelagert wird. Diese Regelung greift allerdings nur, wenn die Lieferschwelle im Zielland eben noch nicht überschritten wurde. Sobald das jedoch der Fall ist, muss man sich, wie bereits erwähnt, im Land, in das verkauft wird, steuerlich registrieren und seinen damit verbundenen Verpflichtungen nachkommen. Derzeit kann jedes Land seine Lieferschwelle selbst festlegen und deshalb gibt es momentan noch viele verschiedene Grenzwerte in Europa, zum Beispiel 100.000 Euro in Deutschland oder 35.000 Euro in Frankreich.

Was ändert sich jetzt in puncto Lieferschwelle?

Um die Abwicklung der Umsatzsteuer zu vereinfachen und generell den Online-Handel zu stärken, gibt es nun eine europaweit einheitliche Lieferschwelle. Das bedeutet nicht, dass die Lieferschwelle in jedem Land gleich ist, sondern es gibt einen europaweiten Grenzwert nach dessen Erreichung es notwendig wird, sich in allen Ländern zu registrieren, in die verkauft wird. Gemäß der Fernverkaufsregelung wird die Umsatzsteuer nicht mehr in dem Land erhoben, aus dem die Ware versendet wird, sondern dort, wo sich die Ware nach der Versendung befindet, also im Land der Kund:innen.

Weshalb diese Reform?

Das rasante Wachstum des E-Commerce kam für viele Expert:innen schneller als erwartet. Da einige steuerliche Regelungen, beziehungsweise das Fehlen selbiger, dazu geführt haben, dass jedes Jahr Umsatzsteuerverluste in Milliardenhöhe verzeichnet werden müssen, soll mit dem neuen E-Commerce-Steuerpaket genau das in Zukunft verhindert werden. Gleichzeitig möchte man die Gesetzeslage den vielen Veränderungen und Entwicklungen im Online-Handel anpassen.

Wie hoch ist die neue, einheitliche Lieferschwelle?

Die neue Lieferschwelle beträgt 10.000 Euro und es werden alle Verkäufe in alle EU-Länder miteinbezogen. Werden also grenzüberschreitende Verkäufe von mehr als 10.000 Euro innerhalb eines Jahres getätigt, müssen sich Onlinehändler:innen in allen Ländern umsatzsteuerlich registrieren, in die sie ihre Ware liefern.

Ab wann gilt die neue Lieferschwelle?

Der Start des E-Commerce-Pakets war ursprünglich für den ersten Januar 2021 geplant. Aufgrund verschiedenster Entwicklungen, vor allem wegen Covid-19, kam es jedoch zu einer Verzögerung und der 01.07.2021 wurde als neues Datum festgelegt.

Weitere Änderungen ab dem 01.07.2021

Das Steuerpaket wirkt sich jedoch nicht nur auf den innergemeinschaftlichen Versandhandel aus. Neben der Einführung einer einheitlichen Lieferschwelle sollen mit dem Steuerpaket auch die folgenden Bereiche neu gestaltet werden:

  • Mini-One-Stop-Shops (MOSS)
  • Kleinbetragssendungen
  • Steuerschuldnerschaft von Online-Plattformen

Mini-One-Stop-Shops (MOSS) werden ausgeweitet

Da sich Online-Händler:innen wegen der niedrigeren und vor allem europaweiten Lieferschwelle in mehr und mehr Ländern registrieren werden müssen, wurde das OSS-Verfahren angepasst, um hier für eine leichtere Abwicklung der Steuer zu sorgen. Mit dem Verfahren müssen sich Online-Händler:innen nicht mehr in in mehreren Mitgliedstaaten registrieren, sondern können die anfallende Umsatzsteuer in allen Ländern von einer Anlaufstelle aus abwickeln, beispielsweise in Deutschland beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern.

Wer sich nicht für das OSS entscheidet, der muss sich in den betreffenden Ländern um alle Umsatzsteueraufgaben und -pflichten kümmern. Die Nutzung des OSS-Verfahrens ist freiwillig.

Keine Steuerbefreiung von Kleinbetragssendungen

Derzeit gilt eine Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Waren aus Drittländern mit einem Warenwert von 22 Euro. Diese Steuerbefreiung wird abgeschafft, um einen entstehenden Wettbewerbsnachteil für EU-Unternehmen zu vermeiden.

Neue Umsatzsteuer-Regelungen für Betreiber:innen von Marktplätzen

Wie in den meisten E-Commerce-Paketen in den letzten Jahren wird die Haftung von Online-Marktplätzen (wie Amazon oder eBay) weiter ausgebaut. Im Klartext bedeutet das, dass bei B2C-Lieferungen bis zu einem Warenwert von 150 Euro die jeweiligen Betreiber:innen des Online-Portals für die Abführung der Umsatzsteuer verantwortlich gemacht werden.

Wie bereits in der Vergangenheit kann man damit rechnen, dass die Betreiber:innen der Plattformen weiterhin genauer hinsehen werden, ob aktive Händler:innen steuerlich registriert sind. Nachweispflichten von Händler:innenseite lassen sich bereits seit einiger Zeit in immer mehr EU-Mitgliedstaaten beobachten.

Fazit

Die neue Regelung bringt einige Änderungen für Online-Händler:innen in Europa mit sich. Prinzipiell lässt sich jedoch sagen, dass die meisten Änderungen darauf abzielen, europäische Händler:innen zu unterstützen und einen fairen Wettbewerb sicherzustellen.

Die Änderungen, ob EU-Lieferschwelle oder OSS, können durchaus genutzt werden, um den eigenen Online-Handel zu pushen und steuerliche Hürden abzubauen. Es gilt lediglich rasch alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen beziehungsweise sich darauf einzustellen. Jetzt empfiehlt es sich, die Entwicklung nach Inkrafttreten der Regelung genau zu verfolgen und sich entsprechend anzupassen. Der gesamte Mehraufwand ist durchaus überschaubar, man sollte sich nur nicht zu spät um die Anpassung kümmern. Dann kann das neue Steuerpaket im E-Commerce durchaus ein Segen für den europäischen Online-Handel werden.

Kommentare aus der Community

Walter Wolf am 16.08.2021 um 08:41 Uhr

Das positive Fazit dieses Artikels ist für mich nicht nachvollziehbar. Zwar werden die Großen der Branche, wie z.B. Amazon endlich zur Kasse gebeten, also ein Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit. Andererseits entstehen für kleinere und mittlere Onlinehändler neue bürokratische Hürden. Keine Ahnung, wer entschieden hat, die Schwelle für das Erreichen der Grenze mit 10.000 Euro Nettoumsatz so niedrig anzusetzen – in dieser Form eindeutig ein Programm für die Großen der Branche und gegen die Kleineren. Bei uns beträgt der Auslands-Umsatz etwa 15%, d.h. wir machen 85% unseres Umsatzes in Deutschland. Im internationalen Versand sind in den letzten Jahren bereits erhebliche Verschlechterungen eingetreten, darunter deutliche Portoerhöhungen der Post und das Verbot, Waren mit normaler Briefpost versenden zu können. Die Generierung der neuen Warenpost-International-Labels ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden und hat uns immer wieder in den Wahnsinn getrieben, weil es oft zu Systemausfällen kam. Fazit für uns: Die neuen USt-Regeln geben unserem internationalen Versand den Rest, wir stellen ihn mit sofortiger Wirkung ein. Ob und wann wir ihn wieder aufnehmen, wird sich zeigen. Der Aufwand und die Kosten müssen dabei in einer vernünftigen Relation stehen, und genau das sehe ich im Moment nicht.

Antworten
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*