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Digitalpolitik
Privatsphäre weiter eingeschränkt? Posts bei Facebook händisch mit Label versehen

Privatsphäre weiter eingeschränkt? Posts bei Facebook händisch mit Label versehen

Niklas Lewanczik | 06.05.19

Da bekannt wurde, dass zahlreiche Arbeiter für Facebook einzelne Posts manuell in Kategorien einstufen, wird die Debatte um mangelnde Privatsphäre weiter angeheizt.

Millionen von Facebook Posts wurden im vergangenen Jahr von insgesamt 260 Arbeitern im indischen Hyderabad manuell überprüft und anschließend in bestimmte Kategorien eingeordnet. Während so das Posting-Verhalten analysiert wird, fragen sich Datenschützer, ob ein solcher Einblick der Prüfer in die Daten der Nutzer überhaupt legitim ist. Immerhin gibt es hunderte Content Labeling-Projekte von Facebook.

Nutzer haben keine Chance zum Opt-out

Beunruhigend bei den Labeling-Projekten Facebooks, an denen hunderte Arbeiter an verschiedenen Orten der Welt beteiligt sind, ist besonders, dass hierbei nicht vornehmlich Posts auf unangemessene Inhalte hin gescannt werden, sondern hinsichtlich des Posting-Verhaltens analysiert. Wie Reuters berichtet, sollen die Prüfer Post Content kategorisieren, damit Veränderungen des aktiven Nutzungsverhaltens auf der größten Social Media-Plattform überhaupt erkannt werden. Auf diese reagiert Facebook dann mit seinen immer neuen Tools und Features. Einzuordnen sind die Inhalte von Beiträgen in fünf Kategorien, die fragen:

  • Was wird im Post gezeigt? (etwa die Person selbst, ein Tier, Essen, die Natur etc.)
  • Was ist der Anlass für den Post? (ein Geburtstag, eine alltägliche Umgebung oder Aktivität usw.)
  • Wird etwas Bestimmtes ausgedrückt? (ein Gefühl, eine Meinung oder ein Gedanke)
  • Warum wurde der Post verfasst? (um eine Aktivität zu planen, ein Update zum eigenen Leben zu geben, etwas Lustiges zur Unterhaltung zu posten oder etwas Inspirierendes oder Spirituelles zu teilen)
  • Wie lässt sich das Post Setting beschreiben? (zuhause, bei der Arbeit, in der Schule, beim Sportevent, draußen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln usw.)

Dass Facebook das Verhalten auf seiner Plattform analysiert, ist naheliegend. Allerdings wirft diese Form der händischen Vergabe von konkreten Labels Fragen hinsichtlich der Privatsphäre auf. Denn die Nutzer haben keine Möglichkeit zum Opt-out, ihre Daten aus Posts werden überprüft. Und dabei erhalten die zahlreichen Prüfer aus den Labeling-Programmen einen privaten Eindruck bestimmter Nutzer.

Wie sehr greift das Labeling in die Privatsphäre ein?

Nun ist fraglich, ob die Praktik einerseits DSGVO-konform, andererseits auch moralisch vertretbar ist. In Bezug auf die DSGVO ist zunächst keine klare Antwort möglich. Denn obwohl es vonseiten der Nutzer keine Einwilligung für die konkrete Prüfung der Beiträge gibt, steht in Facebooks Datenrichtlinie eindeutig beschrieben, wie Nutzerdaten erhoben werden.

Deine Nutzung. Wir erfassen Informationen darüber, wie du unsere Produkte nutzt, beispielsweise über die Arten von Inhalten, die du dir ansiehst bzw. mit denen du interagierst, über die von dir genutzten Funktionen, über die von dir durchgeführten Handlungen, über die Personen oder Konten, mit denen du interagierst, und über die Zeit, Häufigkeit und Dauer deiner Aktivitäten. Zum Beispiel protokollieren wir, wenn du unsere Produkte gerade nutzt bzw. wann du diese zuletzt genutzt hast, und welche Beiträge, Videos und sonstigen Inhalte du dir in unseren Produkten ansiehst. Wir erfassen auch Informationen darüber, wie du Funktionen wie unsere Kamera nutzt.

Mit den erhobenen Daten möchte Facebook Services und Produkte verbessern, Messungen und Analysen bereitstellen – besonders für Werbekunden –, die Sicherheit und Integrität der Plattform fördern und die Kommunikation mit den Nutzern optimieren. Außerdem sollen derlei Daten auch für die Forschung genutzt werden. Laut der DSGVO bedarf es jedoch bei der Verarbeitung personenbezogener Daten eines klaren Zwecks. Ob die Angaben in der Datenrichtlinie die Labeling-Projekte direkt abdecken, darf zumindest zur Diskussion gestellt werden. Umso mehr, da die Prüfung durch Dritte vonstatten geht. Zudem wird eine manuelle Prüfung nicht eigens erwähnt. Im bei Reuters beschriebenen Falle der Arbeiter in Hyderabad ist eine Firma namens Wipro Ltd für die Analyse zuständig. Da Facebook weltweit gut 200 solcher Projekte führt, werden auch zahlreiche weitere Drittfirmen an der Auswertung der Posts bei Facebook beteiligt sein.

Facebook gibt an, dass die Rechtsabteilung und das Team für die Datensicherheit alle Labeling-Arbeiten absegnen müssen. Auch ein Auditing-System soll es hierfür geben. Hinsichtlich der Analysen durch Dritte verweist Facebook aber ebenfalls auf die eigene Datenrichtlinie:

We make it clear in our data policy that we use the information people provide to Facebook to improve their experience and that we might work with service providers to help in this process.

Wie das Labeling-Projekt operiert

Nach Informationen von Reuters wurden Wipro von Facebook vier Millionen US-Dollar zugewiesen, woraufhin die Firma 260 Arbeiter mit der Prüfung der Facebook-Beiträge betraute. Diese Prüfer wurden über die Ziele der Analyse nicht unterrichtet. Dabei wird jedes Content Item durch zwei sogenannte Labeler geprüft. Bis zu 700 solcher Content Items werden täglich von den Arbeitern gelabelt – wodurch diese einen tiefen Einblick in die Posting-Strukturen der User erhalten.

Projekte wie jenes in Hyderabad gibt es auch in Rumänien oder auf den Philippinen. Die bei diesen Labeling-Projekten analysierten Posts können öffentliche, aber auch privat geteilte sein. Aus Sicht des Datenschutzes ist es demnach bedenklich, wenn potentiell sehr private Inhalte händisch geprüft und in vorgegebene Kategorien eingeordnet werden. Immerhin erhalten somit Menschen, die auch nur vorübergehend über Dritte für Facebook arbeiten, Einsicht in private Datensätze. Andererseits müssten sich die Nutzer Facebooks darüber im Klaren sein, dass ihre Daten keineswegs wirklich privat bleiben können, sobald sie bei der Plattform auftauchen.

Diese Diskussion ist beinah so alt wie das Netzwerk selbst. Von Interesse ist jedoch die Art und Weise, wie die Inhalte kategorisiert werden. Denn diese fünf Kategorien geben Facebook ein besseres Bild vom Nutzungsverhalten; aber eben auch den Prüfern. Facebook selbst gibt an, künftig dank KI und Machine Learning noch weniger Prüfungen outsourcen zu wollen. Das würde die Voraussetzungen für die Dateneinsicht zwar ändern, doch die Vorstellung einer tatsächlichen Privatsphäre kann bei Facebook nur eine illusorische sein. Damit müssen sich Nutzer längst abfinden. Angesichts der immensen Nutzerzahlen des Sozialen Netzwerks, die sogar weiter steigen, scheint dieser Prozess jedoch schon weit fortgeschritten zu sein.

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