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Digitalpolitik
Kramp-Karrenbauer vs. Rezo: Wie viel Meinungsmache ist legitim?

Kramp-Karrenbauer vs. Rezo: Wie viel Meinungsmache ist legitim?

Niklas Lewanczik | 28.05.19

Nach Rezos Anti-CDU-Video plädiert CDU-Parteichefin AKK für eine Regulierung der "Meinungsmache". Ist das vertretbar oder ein Eingriff in die Meinungsfreiheit?

Das Grundgesetz hat eine ganz klare Perspektive zur Meinungsfreiheit in Deutschland. Art. 5 Abs. 1 besagt:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Das bedeutet aber keine Narrenfreiheit, auch die Verleumdung ist ein Straftatbestand. Davon kann bei Rezos Video „Die Zerstörung der CDU“ nicht unbedingt die Rede sein. Trotzdem ist es diskutabel. Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Parteichefin, wehrt sich nun gegen die Art der Meinungsmache, die Rezo auf YouTube betreibt. Sie möchte keine Regulierung der Meinungsfreiheit, aber Regeln, gerade im Wahlkampf. Ist diese Forderung legitim oder eine Reaktion der Verzweiflung?

Meinungsmache „eine Frage der politischen Kultur“

Zwölf Millionen Views hat das Video von Rezo bereits erhalten, dazu über 187.000 Kommentare. Viele User finden, dass der YouTuber darin Probleme der Politik, insbesondere mit Fokus auf die CDU anspricht, die die Menschen bewegen. So geht es etwa um zu geringe Ausgaben für Bildung, aber auch um die mangelnde Akzeptanz der Bewegung FridaysForFuture, die Kramp-Karrenbauer schon kritisiert hatte. Kurzum: Rezo kritisiert viele Parteien, spricht sich auch klar gegen die AfD aus und rät von der Wahl der SPD und der CDU/CSU ab. Inwieweit all seine Quellen und Ausführungen richtig sind, darüber ließe sich lange diskutieren.

Klar ist aber, dass sein Beitrag sicherlich Eindruck hinterlassen hat. Und die CDU hat bei der Europawahl krasse Verluste hinnehmen müssen. Nach Informationen der WELT hat man allein an die Grünen eine Million Wähler verloren. Die Partei hat viele Themen gerade der jüngeren Generationen nicht ins Zentrum gestellt und auch deshalb schlechte Ergebnisse erzielt (wie die SPD auch). Nun reagierte Annegret Kramp-Karrenbauer mit einem Tweet auf das Wahlergebnis und das Video von Rezo und prangerte an, dass der Aufruf zur „Zerstörung demokratischer Parteien“ eine Frage der „politischen Kultur“ sei.

Rezo hatte allerdings nicht zu einer Zerstörung aufgerufen, sondern bekannt, dass er davon ausgeht, dass der Kurs der CDU/CSU und der SPD eine Zerstörung der politischen Zukunft zur Folge haben werde. Das ist ebenfalls drastisch, aber weniger martialisch. Die Reaktionen auf den Tweet waren dann sehr heftig, weil Nutzer und Politiker darin einen Angriff auf die Meinungsfreiheit sahen. Christian Lindner zeigte sich ungläubig …

… während Niema Movassat von der Partei DIE LINKE sogar den Rücktritt von Kramp-Karrenbauer forderte:

Daraufhin erklärte diese ihre Aussage deutlicher. Es gehe um Regeln, nicht um einen Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Wie viel ist dran am „Angriff“ der AKK?

Allein die Reaktion von Movassat spiegelt die von Kramp-Karrenbauer angeführte „Frage der politischen Kultur“ nur zu gut wider. Ihr einen Angriff auf eines der höchsten Güter unseres Landes, die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit, zu unterstellen, ist in dieser Form vermessen. Die Reaktion der Politikerin auf das Video von Rezo ist aber ebenfalls nicht zu Ende gedacht worden. Denn natürlich war eine Kritik vorprogrammiert, wenn man Meinungsmachern, ob Influencern oder Journalisten, implizit die Freiheit abspricht sich klar politisch zu positionieren. Auch die Relativierung, dass es lediglich darum gehe, Regeln für Zeiten des Wahlkampfs zu diskutieren, ist wenig öffentlichkeitswirksam, weil der nächste Wahlkampf nie weit entfernt ist und es absurd erscheint, gerade hier Abstriche bei der freien politischen Meinungäußerung in den Raum zu stellen. Dabei hat Annegret Kramp-Karrenbauer nicht ganz unrecht, wenn auch das Ergebnis der Wahl kaum von Rezos Video abhängig gewesen sein dürfte.

Denn in unserer digitalisierten Welt müssen Verhaltensmuster für politische Meinungsmache tatsächlich diskutiert und vielleicht mitunter auch neu eingeschätzt werden. Das beginnt aber bei der Wahrnehmung von beispielsweise YouTubern. Wenn diesen, wie etwa dem Drachenlord alias Rainer Winkler eine Lizenzpflicht auferlegt wird, weil sie rundfunkähnliche Angebote publizieren, dann müsste die Anerkennung von massenwirksamen YouTubern – darunter würde Rezo sicherlich fallen – als Rundfunkanbieter ganzheitlich durchgesetzt werden. In diesem Fall hätten die YouTuber aber auch Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags zu beachten, etwa:

Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist unzulässig.

Auch der Rundfunkstaatsvertrag ist noch nicht angemessen an die digitalen Gegebenheiten von heute angepasst. Dennoch bietet er eine Regulierung, wie sie von Kramp-Karrenbauer wohl intendiert war. Rezo könnte als Rundfunkanbieter keine klaren Anti-CDU-Kampagnen machen. Aber ist Rezo vielleicht nicht viel eher Künstler und nach Art.5 Abs. 3 GG in der Meinungsäußerung völlig frei?

Der Diskurs wird wichtiger denn je

Die Debatte um Rezos Video und die Forderung von Annegret Kramp-Karrenbauer zeigt mindestens zweierlei. Zum einen werden gegensätzliche Meinungen oft zu eindimensional als Argument vorgebracht. Solch ein Schwarz-Weiß-Denken konnte auch bei der Debatte um die EU-Urheberrechtsreform beobachtet werden. Und genau dieses trägt nicht zu einem politischen Klima bei, das einen gesunden Diskurs ermöglicht. Zum anderen zeigt sich, dass es zu einer besseren Kommunikation zwischen Politik und Digitalbranche kommen muss.

Rezo wurde von der CDU eingeladen, eine Antwort steht noch aus. Hier ist ein Ansatz, um mit der Kommunikation zu beginnen. Rezos Videotitel ist durchaus polemisch und fordert damit auch eine Reaktion der CDU. Diese hätte aber anders gelagert sein müssen. Die Bereitschaft zur Diskussion ist ein guter Schritt. Dieser hätte man eine Frage nach der Justierung der politischen Kultur nachschieben können, allerdings differenzierter als im ersten Tweet von Kramp-Karrenbauer.

Aber die Frage, was ein Influencer darf, bewegt sich im Spannungsfeld von „Was darf Satire?“ und „Sind YouTuber Rundfunkanbieter?“ Hier gilt es also, die Rechte und Pflichten einer Digitalgesellschaft mit überaus viel Meinungsräumen überhaupt abzustecken. Das wäre auch für die Politiker nicht unerheblich, die sich bei Twitter zuweilen so unreflektiert äußern, wie manche Wahlkampagne wirkt. Mit der Konzentration auf die EU-Urheberrechtsrichtlinie hat die CDU sich beispielsweise keine Freunde unter den Wählern gemacht, aber zumindest digitalrechtliche Aspekte thematisiert. Gelingt es den Parteien, diese praxisnäher und in viel wichtigeren Grundsätzen anzugehen, könnten sie sich im digitalen Raum wieder mehr Gehör und Respekt verschaffen. Die CDU muss sich politisch schließlich fragen, warum es bei YouTube und Co. keinen Gegenpart zu Rezo gibt, der sich leidenschaftlich für die Partei einsetzt – denn auch das stünde den YouTubern ja frei – solange sie nicht als Rundfunk eingestuft werden.

Letztlich will Rezo nicht die Zerstörung der CDU – das wäre für die deutsche Politik sicher nicht von Vorteil – und Annegret Kramp-Karrenbauer will nicht die Zerstörung der Meinungsfreiheit. So weit, so gut. Politik heißt aber auch, Altes und Neues in die Verhandlung zu bringen. So täte unser digitalpolitischer Diskurs gut daran sich, statt immer wieder Fronten zu schaffen – auch unter den Parteien –, bei wichtigen Themen anzunähern. Das heißt ja nicht, dass es nicht provokativ sein kann. Das heißt nicht, dass man die politische Kultur nicht hinterfragen kann.

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