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Digitalpolitik
„Drachenlord“ werden Live-Videos untersagt – Werden Livestreams jetzt lizenzpflichtig?
Rainer Winkler auf YouTube, © Drache_Offiziell

„Drachenlord“ werden Live-Videos untersagt – Werden Livestreams jetzt lizenzpflichtig?

Niklas Lewanczik | 02.04.19

Der umstrittene Streamer "Drachenlord" darf vorerst keine Livestreams mehr senden, weil die rundfunkrechtliche Zulassung fehlt. Doch wann ist diese notwendig?

Die Übertragung von Rundfunkrecht und -richtlinien auf digitale Angebote gestaltet sich oftmals schwierig. Das zeigt sich bei der Unterscheidung von Kennzeichnungspflichten für Bewegtbild ung statische Visuals in Social Media und nun in einem kuriosen Fall bei der Ausstrahlung von Livestreams. Rainer Winkler alias „Drachenlord“ wird von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) die Ausstrahlung seiner häufigen Livestreams untersagt. Denn Winkler hat hierfür keine Rundfunklizenz. Das wirft die Frage auf: wann ist eine solche für digitale Videoangebote vorzuweisen?

Der Fall Rainer Winkler

Rainer Winkler gilt in der Social Media-Szene als äußerst polarisierende Figur. Der selbsternannte „Drachenloard“ ist neben YouTube – wo der Channel „Drache_Offiziell“ gut 87.000 Follower zählt – besonders auf YouNow unterwegs. Der YouTuber fiel in der Vergangenheit besonders durch seine Auseinandersetzungen mit Hatern auf, die er öffentlich zur Schau trug. Oft äußert er radikale Ansichten, beleidigt Widersacher oder steigt auf beleidigende Kommentare etc. ein. Dabei kam es auch zu bedenklichen Szenen fernab des digitalen Raums. In einem älteren Video hatte der „Drachenlord“ seine Adresse in Altschauerberg bekanntgegeben, woraufhin sich regelmäßig feindlich gesinnte Personen dorthin begaben. Im letzten Jahr waren laut Die WELT mehrere hundert Menschen trotz Versammlungsverbots zum Haus des YouTubers gekommen, um gegen ihn zu protestieren – oder Schlimmeres. Winkler hatte sich selbst gewaltbereit gegeben.

Unabhängig von seinen umstrittenen Inhalten und dem Wirbel um seine Person hat der „Drachenlord“ nun ein viel grundlegenderes Problem in Bezug auf seinen Content. Denn Livestreams, die er über das Videoportal YouNow oftmals täglich sendet, sind ihm nun von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) untersagt worden, wie wiederum Die WELT berichtet. Grund dafür ist, dass Winkler keine offizielle Rundfunklizenz für diese beantragt hatte. Laut Pressemitteilung der BLM ist „die Verbreitung des Livestreams ,Drache_Offiziell‘ im Internet“ beanstandet worden, „da keine rundfunkrechtliche Zulassung dafür vorliegt“. Das Angebot Winklers ist damit mit sofortiger Wirkung untersagt. Und auch „ein im Wesentlichen inhaltsgleiches Angebot“ darf online nicht als Livestream verbreitet werden.

„Drachenlords“ Livestream als Rundfunk bewertet

Die BLM erklärt:

In seinem Stream richtet sich Winkler an die Allgemeinheit, kommentiert und beantwortet erhaltene Chat-Nachrichten und trägt damit zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Aus diesen Gründen ist ,Drache_Offiziell‘ als Rundfunk zu bewerten.

Rainer Winkler kann innerhalb eines Monats gegen den Entscheid vorgehen. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine Untersagungsverfügung. Sollte Winkler diese ignorieren, also weiterhin Livestreams bei YouNow senden, wird auf Zwangsmittel zurückgegriffen, das heißt zunächst vermutlich auf Zwangszahlungen.

Ob der „Drachenlord“ selbst die Rundfunkbezeichnung für seine Livestreams akzeptiert, bleibt fraglich. In einem Video, das Spiegel ONLINE als Referenz anführt, erklärt Winkler, dass es in seinen Videos nur um ihn gehe. Das allein ist jedoch noch kein Kriterium, um sich von der Rundfunkgebühr für Livestreams zu entbinden. Sind die Inhalte hingegen nicht journalistisch-redaktionell, könnten sie auch außerhalb des Rundfunkbegriffs geführt werden.

Bei der Unterlassungsverfügung der BLM handelt es sich lediglich um die Livestreams. Bei YouTube oder anderswo hochgeladene Videos, die auf Abruf zur Verfügung stehen, besteht keine Rundfunklizenzgebühr.

Wann ist Livestreaming Rundfunk und damit zulassungspflichtig?

Grundsätzlich gilt laut Medienstaatsvertrag, § 2 Abs. 1:

Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen.

Allerdings soll nach einem Änderungsvorschlag von 2018 auf „journalistisch-redaktionell“ gestaltete Angebote referiert werden, die „mittels Telemedien“ verbreitetet werden. Aber wann genau trifft die noch immer nicht den modernen Plattformen angepasste Grundlage für einzelne Streamer zu? Auf diese Frage gibt eine Checkliste der Medienanstalten Antworten. Demnach sind Angebote on Demand nicht zulassungspflichtig, wohl aber linear verbreitete. Das heißt, wird live gestreamt oder der Sendestart immerzu festgelegt, wie bei einem Programm, gilt die Rundfunkregelung.

Ein weiteres Kriterium stellen die potentiellen Konsumenten dar. Wird das Angebot für mindestens 500 potentielle Nutzer veröffentlicht, ist es ebenfalls als Rundfunk einzustufen. Das dürfte bei YouTube, auch YouNow usw. immerzu der Fall sein. Denn auch wenn weniger User zuschauen, bleibt die Regel bestehen. Der Rundfunk bleibt aber ohne Erlaubnispflicht, wenn es keine redaktionell-journalistischen Inhalte gibt. Wo diese anfangen, ist im Hinblick auf den Fall des „Drachenlords“ nicht ganz einfach zu ermitteln. Grundsätzlich sind redaktionelle Einbindungen von Inhalten hier journalistisch, wenn es klassische Rundfunkelemente gibt. Im Fall von Rainer Winkler handelte es sich dabei zum Beispiel um seine Kommentierungen. Presseunternehmen oder Journalisten müssen damit rechnen, dass ihre Veröffentlichungen von Livestreams als Rundfunk eingestuft werden. Dazu gilt:

Je geplanter, umfangreicher und ausdifferenzierter (z.B. in verschiedene Sendungen oder Sendungsbestandteile) und je regelmäßiger ein Angebot ausgestrahlt werden soll, umso eher handelt es sich um erlaubnispflichtigen Rundfunk. Für die lediglich einmalige oder sporadische Verbreitung eines Angebots (z.B. ein einmaliges Hangout) wird in der Regel keine Rundfunkzulassung erforderlich sein.

Wer zu kommerziellen Zwecken regelmäßig Angebote wie Livestreams oder Hangouts veranstaltet, sollte sich rechtlich absichern. Und wer sich selbst unsicher ist, ob sein Angebot zulassungspflichtig ist, kann sich an die für das jeweilige Bundesland zuständige Landesmedienanstalt wenden.

Novellierung des Medienstaatsvertrags könnte die Regelung lockern

Dass eine Unterlassungsverfügung gegen das eigene Angebot verhängt wird, möchten Streamer sicherlich verhindern. Dabei kommt ihnen nicht gerade zugute, wie schnell dieses als zulassungspflichtiger Rundfunk eingestuft werden kann. Daher wurden im Entwurf für einen überarbeiteten Medienstaatsvertrag einige Änderungen angeboten. Eine davon sieht etwa vor, dass Let’s Player keine Lizenz brauchen sollen, wenn sie sich beim Streamen nur auf das Spielen konzentrieren, wie auch Heise berichtet hatte.

Der Abschnitt „Bagatellrundfunk“ umfasst Sonderformen, die keiner Zulassung bedürfen. Dazu zählen Angebote, die zeitgleich weniger als 5.000 Menschen angeboten werden oder im Monatsdurchschnitt weniger als 20.000 Menschen erreichen. Allgemein soll dabei gelten:

Rundfunkprogramme, die aufgrund ihrer geringen journalistisch-redaktionellen Gestaltung, ihrer begrenzten Dauer und Häufigkeit der Verbreitung, ihrer fehlenden Einbindung in einen auf Dauer angelegten Sendeplan oder aus anderen vergleichbaren Gründen nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten,

sind nicht zulassungs- und damit lizenzpflichtig. Sofern diese Änderung Geltung erlangen würde, könnte auch Rainer Winkler alias der „Drachenlord“ darauf hoffen, dass sein Programm nur als Bagatellrundfunk eingestuft wird. Bis dahin aber darf er auf YouNow nicht livestreamen. Und viele Streamer sollten sich, sofern sie keine Zulassung für ihr Angebot bei der Landesmedienanstalt beantragt haben, fragen, ob genau das nicht notwendig ist. Klar ist aber auch, dass eine Novellierung des Medienstaatsvertrags unerlässlich ist, um die Anwendung veralteter Rundfunkkriterien auf digitale Angebote zeitgemäß zu gestalten.

Wer aber als Influencer, Streamer usw. öffentlich in Erscheinung tritt und davon profitiert, muss auch rechtliche Grundlagen wie die DSGVO, die Kennzeichnungspflicht für Werbung, die Rundfunklizenzen und dergleichen mehr im Auge behalten.

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