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Netflix geht aktiv gegen Passwort-Sharing vor – und stößt auf Probleme

Netflix geht aktiv gegen Passwort-Sharing vor – und stößt auf Probleme

Niklas Lewanczik | 31.05.22

In Peru, Chile und Costa Rica setzt Netflix neue Regeln für das Account Sharing um, die User mehr Geld kosten. Damit möchte das Unternehmen gegen Viewer, die nicht zahlen, vorgehen – doch an der Umsetzung hakt es.

100 Millionen Haushalte erreicht Netflix nach eigenen Angaben über die 221,6 Millionen zahlenden Account-Besitzer:innen hinaus. Das ist ein großes Problem für den Video-Streaming-Dienst, der momentan mehrere Herausforderungen zu meistern hat. Denn im ersten Quartal 2022 kam es erstmals seit zehn Jahren zu einem User-Rückgang – für das laufende Quartal wird ein weiterer erwartet. Die Konkurrenz – von Disney+ über Amazon Prime Video bis hin zu Sky und Hulu – erstarkt. Deshalb muss Netflix neue Wege finden, um User zu gewinnen – und nicht zahlende Viewer zu monetarisieren.

Problem Passwort-Sharing: Netflix testet Zusatzkosten

Ein Weg, den Netflix einschlagen wird, um mehr Nutzer:innen zu gewinnen, ist die Bereitsstellung eines kostengünstigeren Abonnementmodells. Dieses wird allerdings durch Werbung finanziert, die die User dann auf der Plattform zu sehen bekommen. Schon Ende 2022 soll das Modell eingeführt werden. CEO Reed Hastings erklärte dazu:

It’s pretty clear that it’s working for Hulu. Disney is doing it. HBO did it. I don’t think we have a lot of doubt that it works.

Jedoch wird diese Maßnahme dem Unternehmen nicht dabei helfen, die vielen Menschen, die auf den Dienst zugreifen ohne zu zahlen, zur Kasse zu bitten. Deshalb hat Netflix für diesen Kontext im März 2022 bereits erste Paid Sharing Features veröffentlicht. Bei diesen werden allerdings nicht die Haushalte um Zahlung gebeten, die gar keinen Account haben, zumindest nicht direkt. Stattdessen müssen Account-Inhaber:innen, die ihr Passwort an Freund:innden und Familie außerhalb ihrer Wohnung weitergeben, eine zusätzliche Gebühr entrichten. Greg Peters, COO von Netflix, erklärte dazu im jüngsten Earnings Call:

So if you’ve got a sister, let’s say, that’s living in a different city — you want to share Netflix with her, that’s great. We’re not trying to shut down that sharing, but we’re going to ask you to pay a bit more to be able to share with her.

Schon Ende 2022 sollen umfassende Maßnahmen umgesetzt werden, um mehr Geld zu verdienen, wenn Account Sharing stattfindet. In Südamerika testet Netflix dieses Vorgehen nun.

Experiment mit Problemen

Abonnent:innen, die das Standard- oder Premiumpaket von Netflix gebucht haben, können in Chile, Costa Rica und Peru Sub Accounts für bis zu zwei Personen erstellen, die nicht ihrem eigenen Haushalt angehören. Diese erhalten eigene Passwörter, Logins und personalisierte Inhalte. Dafür müssen die die Hauptabonnent:innen, die ihren Account quasi untervermieten, beispielsweise 2,99 US-Dollar mehr zahlen (in Costa Rica).

Geteilte Accounts sollen in anderen Haushalten künftig nur über den Extra Member Account möglich sein; die Alternative ist ein eigener Account für die Person, die vom Passwort-Sharing profitiert (hat). Zum Experiment erklärt das Unternehmen auf der Website für die Paid Sharing Features:

We recognize that people have many entertainment choices, so we want to ensure any new features are flexible and useful for members, whose subscriptions fund all our great TV and films. We’ll be working to understand the utility of these two features for members in these three countries before making changes anywhere else in the world.

Der Test stößt in Südamerika allerdings auf manche Hürden. Davon berichten Jimena Ledgard und Andrew Deck bei Rest of World. Demnach haben in den Testregionen zwar einige User Benachrichtigungen zu den neuen Vorgaben für das Passwort-Sharing erhalten, viele andere jedoch nicht. Zudem geben einige User an, die Definition des Haushalts sei nicht ganz klar. Deshalb ignorieren bisher auch einige Abonnent:innen, die eine Benachrichtigung erhalten haben, die Aufforderunge, Extra Member Accounts zu erstellen oder das Account Sharing zu unterlassen – ohne dafür belangt zu werden.

Was ist ein Haushalt für Netflix?

Gegenüber Rest of World gab Netflix an, man sei sich bewusst, dass einige User den Haushalt als Zusammenschluss enger Familienmitglieder oder von Freund:innen ansehen. Netflix aber definiere ihn als Gruppe von Menschen, die im gleichen Haus oder in der gleichen Wohnung leben. Allerdings bestätigte das Unternehmen auch, dass die neuen Modelle für Paid Sharing nach und nach ausgerollt werden, sodass vorerst verschiedene User nach unterschiedlichen Maßstäben zu zahlen haben. Eine Nutzerin erklärte dem Publisher:

I’d like to keep using my ‘pirate’ account for as long as possible.

Sie hatte die Benachrichtigung von Netflix einfach weggeklickt, bislang ohne Folgen. Problematisch dürfte für den Streaming-Dienst einerseits die Nachverfolgung der Zahlungen und die Durchsetzung der neuen Regelungen sein. Andererseits fordern in den Testregionen bereits öffentliche Stellen mehr Transparenz und Stringenz bei der Umsetzung der Maßnahmen. Die Verbraucher:innenbehörde Perus plädiert für eine klarere Kommunikation und Definition des Begriffs Haushalt. Und das National Institute for the Defense of Free Competition and the Protection of Intellectual Property (Indecopi) aus Peru gab sogar an, dass die unterschiedlichen Preise – die durch die nur teilweise schon geltenden Maßnahmen zustande kommen – womöglich als willkürlich diskriminierend gelten könnten.

Aus dem Experiment in den drei Testregionen wird Netflix Lehren ziehen können. Der bisher etwas nachlässige Umgang mit der Durchsetzung der neuen Regelungen führt zu Problemen, die die Monetarisierung der Personen, die bislang vom Passwort-Sharing profitieren, wenn nicht verhindert, so doch verzögert. Kosten für das Passwort-Sharing werden auf Abonnent:innen zukommen – aber vielleicht ist das werbefinanzierte günstigere Abonnementmodell sogar schneller da als der Roll-out der Paid Sharing Features.

Kommentare aus der Community

Peter am 20.06.2022 um 11:58 Uhr

Vielen Dank für den interessanten Artikel und für das Verwenden einer inklusiven Sprache. :-)

Antworten
Gibtes am 16.06.2022 um 22:24 Uhr

Schade, der Artikel wäre sicher interessant gewesen, beim Genderblödsinn bin ich allerdings raus.

Grüss:inne an Sprachpanscher:innen und aussinnen

Antworten
Niklas Lewanczik am 17.06.2022 um 16:47 Uhr

Hallo Gibtes,

schade, dass du meinst, dass ein sehr informativer Artikel wegen einer Schreibweise, die inklusiv ist, und einigen wenigen gegenderten Begriffen für dich an Bedeutung verliert. Der Inhalt bleibt indessen der gleiche. Wir plädieren dafür, dass du es einfach mal ausprobierst.

Liebe Grüße

Antworten
Hans am 31.08.2022 um 16:38 Uhr

Leider ist diese Sprache nicht inklusiv, sondern sie grenzt mehr Menschen aus, als ein.
Gerade Menschen, die nur einfachere Sprache/Texte verstehen. Davon ab, ist es vor allem eine elitäre Sprache, die auch an zweiter Stelle Menschen in Deutschland aufzeigt (2/3), schau mal wie überlegend pseudo integrativ wir sind, passt euch gefälligst an und aktzeptier diese gramatikalisch falsche schreibweise. Ansonsten wäre ich für die Abschafung von „die Führungskraft“

Grüss:inne an Sprachpanscher:innen und aussinnen

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Niklas Lewanczik am 01.09.2022 um 07:58 Uhr

Hallo Hans,

danke für deine Einschätzung. Wir können nachvollziehen, dass eine gendergerechte Sprache auch Hürden bei der Anpassung mit sich bringt, sind aber der Meinung, dass sie dennoch inklusiver ist als der häufige Rückgriff auf das generische Maskulinum.
Es geht dabei nicht darum, Sprache aufzuzwingen, sondern Teil zu haben an einem Sprachwandel, der mehr Menschen anerkennt und mitdenkt. Wir plädieren lediglich für die Toleranz der Schreibweise. Außerdem bin ich der Meinung, dass es möglich ist, sich an daran zu gewöhnen, wenn wir Kund:innen statt Kunden schreiben, ohne dem Inhalt des Textes nicht mehr folgen zu können.

Beste Grüße

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