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Branding
Versenkt – 4 spektakuläre Untergänge von Online Unternehmen
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Versenkt – 4 spektakuläre Untergänge von Online Unternehmen

Jonas Reinartz | 24.03.15

Das Aus des Internet Explorer hat es wieder einmal gezeigt - es kann für Online Brands schneller vorbei sein, als man denkt.

Markennamen wie „Isis“ oder „Ayds“ wurden aufgrund aktueller Entwicklungen und bisweilen auch fragwürdiger Reaktionen darauf zur Gefahr, wie Robert Klara in einer kleinen Rückschau für AdWeek anschaulich darlegt. Es müssen natürlich nicht immer Skandale, missverständliche Namen oder fragwürdiges Rebranding sein, die Brands zusetzen. Im Falle des IE war es einfach das Image als veraltetes und fehlerbehaftetes Produkt, das Microsoft bewogen hat, nun auf „Project Spartan“ zu setzen.

Aus aktuellem Anlass haben wir daher in der Kiste verblichener Online Brands gekramt und möchten euch vier repräsentative Beispiele vorstellen. Wie immer kann man gerade von Misserfolgen lernen und sich so für die Zukunft wappnen. Die Auswahl folgt dabei keiner wertenden Reihenfolge.

1. Pets.com (1998-2000): Sock Puppets Erfolg war umsonst

Der kurzlebige Onlineshop für Tiernahrung und -zubehör ist ein beliebtes Beispiel für Listen wie diese. Hier trifft die Etikette „Mehr Schein als Sein“ auch wirklich einmal zu. Kommen wir zunächst einmal zum beeindruckenden medialen Feuerwerk und gelungenen Branding. Auftritte des Maskottchens Sock Puppet auf dem Cover des „People“-Magazins und in der TV-Show „Good Morning America“, Superbowl-Spots, Auszeichnungen für Werbeanzeigen…

Dies alles kostete viel Geld, wie auch der Aufbau einer komplizierten Infrastruktur. Und dort lagen auch die Probleme. Fehlende Planung und unrealistische Vorstellungen führten zu solchen Statistiken wie der folgenden: Im allerersten Geschäftsjahr nahm Pets.com 619.000 US-Dollar ein, bei Ausgaben von 11,8 Millionen Dollar alleine für Marketing. Früh hatten die Verantwortlichen gesehen, dass es fünf Jahre dauern würde, bis man an den Punkt gelänge (300 Mio. Einnahmen), an dem man zumindest keine roten Zahlen schreibt. Dazu kam es allerdings nicht mehr.

2. Webvan.com (1996-2001; 2009-?): Der Wiedergänger 

Wenn es um Webvan.com geht, werden stets Superlativen bemüht. Vom „größten Dotcom-Flop überhaupt“ ist dann oft die Rede. Aber warum? Wie so oft ist die Menge an verbranntem Geld der Messgrad. Aber eines lässt sich auch sagen: Der Lebensmittel-Lieferdienst mit einem Zeitfenster von 30 Minuten zwischen Bestellung und Lieferung nach Hause wurde inzwischen sogar wiederbelebt – und zwar durch Amazon.

Dessen „First Mover“-Strategie, an der man sich deutlich orientierte, war zudem der Grund für den Untergang der Original-Marke. Als Unternehmer mit Pionierstatus wollte sich Webvan.com Infrastrukturen und eine Stellung am Markt schaffen, die für nachrückende Konkurrenz schwer zu knacken sein sollte. Allerdings hatte das Management (und auch Investoren wie Yahoo!) bisher keine Erfahrung im Handel mit Lebensmitteln. Um es kurz zu machen: Das Geld ging aus, denn die Kosten für die Infrastruktur (nur die Warenhäuser kosteten eine Millarde Dollar) konnten bei weitem nicht durch ausreichende Gewinne ausgeglichen werden.

3. Boo.com (1998-2000): Globale Dominanz angestrebt 

Betreten wir nun unseren Kontinent und betrachten „Europas größten Dotcom-Misserfolg“. Was war geschehen? Es schien alles perfekt: Drei einnehmende Gründer, durch den Verkauf eines anderen Portals zu Millionären geworden, starten einen Online-Shop für Sport- und Freizeitkleidung. Neueste Technologie ermöglicht ein Maskottchen, das durch den Shop führt, sowie virtuelle Anziehpuppen. Eine riesige PR-Kampagne wird gestartet, Hochglanz-Magazin inklusive. Teams in New York, Paris, München und Stockholm arbeiten auf Hochtouren. Investoren pumpen begeistert Geld hinein, 130 Millionen Dollar insgesamt.

Es mag hart klingen, doch im Grunde ist alles schiefgegangen. Hier nur einige Details: Die anvisierten modebegeisterten 18- bis 24-Jährigen waren noch nicht soweit, Ladezeiten zu lang, die Technik unausgereift und zu teuer, der kostenlose Versand rentierte sich nicht, die Infrastruktur zu wacklig, große Modemarken skeptisch bis unkooperativ und vor allem: Scheinbar hat die Ambition, in Windeseile eine weltweite Mega-Marke zu etablieren, scheinbar viele Beteiligten blind gemacht – von den Gründern bis zu den Investoren. Nach wie vor erstaunt der damals waltende Aktionismus.

„Boo.com“ entstand übrigens in Anlehnung an den 80er-Star Bo Derek, „bo.com“ war nämlich nicht mehr verfügbar. Im Nachhinein muss man allerdings eher an ein gespenstiges Geräusch denken, das fast wie eine „Prophezeiung“ wirkt. Positives verbindet man mit dem Brand-Namen jedenfalls so oder so nicht.

4. studiVZ (2005-?): Kopieren statt studieren? 

Zum Schluss noch ein berühmtes deutsches Beispiel. Es fing wirklich gut an mit studiVZ. Ein Social Network speziell für Studenten? Da war die Zielgruppe begeistert und machte gerne mit. Da auch viele Nicht-Studenten zuwanderten, gab es bald schülerVZ und – ganz allgemein gehalten – meinVZ. Es ging Schlag auf Schlag und Ableger in zahlreichen europäischen Ländern entstanden. Allzu lang währte der Erfolg allerdings nicht, 2012 beispielsweise waren die Seitenaufrufe um 80 Prozent zurückgegangen. Mittlerweile benutzen kaum noch User die VZ-Netzwerke – eine „Geistergegend“ voller Karteileichen also.

Doch wie konnte es dazu kommen? Das gesamte Konzept bestand eben darin, Facebook abzukupfern – etwa kam es zur direkten Übertragung etlicher Funktionen (aus „to poke“ wurde beispielsweise „gruscheln“). Dies entging Zuckerberg und Co. freilich nicht, sodass es zur Klage und Zahlung einer entsprechenden Summe seitens der deutschen Copycats kam. Allerdings waren es nicht die negativen Schlagzeilen, die den entscheidenden Faktor ausmachten. StudiVZ stagnierte, verkaufte sich schlecht nach außen und Lerneffekte blieben aus. Die User wanderten dann einfach sukzessive zum Original ab, so einfach ist das.

Fazit 

Was können wir also aus diesen Misserfolgen lernen? Betrachtet man die genannten Beispiele für gescheiterte Online Brands, so lässt sich daraus Folgendes ableiten:

  • Effektives (Online) Marketing bzw. Branding können ein fehlendes Konzept nicht ausgleichen
  • Ohne eine fundierte Analyse des Marktes steht jedes Unternehmen auf tönernen Füßen
  • Fehler in der Anfangsphase rächen sich oft im weiteren Verlauf, zumal in Kombination mit damit einhergehender Innovationslosigkeit
  • Große Ambitionen in Ehren, aber es muss Zeit für Entwicklung geben
  • Ohne funktionierende Technik und gute Usability bringt auch das beste Konzept nichts

Die genannten Beispiele mögen bisweilen extrem sein, doch im Kern sind die begangenen Fehler zeitlos und daher in einem allgemeinen Sinne lehrreich.

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