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Programmatic Advertising
Über-Optimierung im Marketing: Mobile-User ertrinken in denselben Ads

Über-Optimierung im Marketing: Mobile-User ertrinken in denselben Ads

Anton Priebe | 25.08.16

Schaufeln sich Marketer ihr eigenes Grab, weil sie zu sehr optimieren? Dieser Trend ist in den USA zu beobachten, doch kommt er auch nach Deutschland?

Hochpräzises Targeting und der Effizienz-Gedanke der Marketer führt heutzutage des Öfteren dazu, dass einer sehr kleinen Zielgruppe fortwährend dieselben Anzeigen ausgespielt werden. Kann es sein, dass einige Strategen im Online Marketing, die technologiegestützt für einen wünschenswerten ROI sorgen, ein ernstzunehmendes Problem heraufbeschworen haben?

Das Verhältnis von Werbemittel und Empfänger stimmt nicht mehr

Jack Neff von Advertising Age macht auf eine interessante Thematik aufmerksam. Unter dem Banner, dass Procter&Gamble kürzlich Aufsehen erregte, als das Unternehmen sein Facebook Budget komplett neu allokierte, ergab sich für ihn die Frage, ob es das Marketing mit der Effizienz nicht etwas auf die Spitze getrieben hat.

Der Schritt von Procter&Gamble steht für eine größere Problematik. Das Targeting ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass eine sehr feine Zielgruppe erreicht werden kann. Facebook macht sich dies zunutze und sorgt dafür, dass Anzeigen wenige, den Kriterien exakt entsprechende Personen erreichen. Im gesamten Display Ökosystem, also auch außerhalb des Social Kosmos, werden ebenso hochentwickelte Technologien angeboten.

Gleichzeitig hat der Effizienz-Gedanke in den USA dazu geführt, dass Marketer weniger Anzeigen gestalten, um das Risiko schlecht performender Werbemittel zu verringern. Das Budget, das ursprünglich in die Kreation der Ads geflossen ist, wird nun in die Auslieferung (Targeting und Werbefläche) investiert. Dieser Trend resultiert darin, dass wenig Nutzer – vorrangig Heavy Buyer – viel häufiger dieselben Anzeigen sehen.

Smartphone-User werden mit den gleichen Botschaften bombardiert

Was auf dem Papier nach einer guten Rechnung aussieht – vielversprechender ROI dank genauem Targeting bei wenig Ausgaben für Kreation – wird zu einem Problem. Vor allem auf dem Mobile-Sektor, auf dem Werbefläche im Verhältnis billiger einzukaufen ist, entsteht damit ein Ungleichgewicht zwischen Creatives und Media. Die fehlende Vielfalt in der Werbung in Kombination mit dem spitzen Targeting sorgt dafür, dass Smartphone-Usern innerhalb kürzester Zeit erschreckend viele Banner ausgespielt werden. Diese Ads beinhalten auch noch dieselbe Werbebotschaft, die sie von einem Produkt oder einer Dienstleistung überzeugen sollen.

Wenn ein Unternehmen somit zunächst seine besten Kunden anspricht, wird sich das sicherlich kurzfristig auszahlen. Langfristig gesehen, schadet das aber der Marke. So kam eine Studie von Marketing Evolution vor kurzem zu dem Ergebnis, dass ab dem 40. Kontakt mit der gleichen Werbebotschaft die Kaufbereitschaft sinkt. Dieser Fall trat übrigens bei jeder vierten in der Untersuchung ausgewerteten Kampagne ein. Die Toleranzschwelle, ab wann ein User von einem Banner genervt ist, liegt höchstwahrscheinlich noch darunter.

Die Werbung und die Marke entwickeln sich nicht weiter

Auf der einen Seite sind die Nutzer also irgendwann genervt vom dem Bombardement. Auf der anderen Seite entwickelt sich die Marke dadurch aber auch selbst nicht weiter. Es werden keine neuen Kunden angesprochen und die bestehenden sehen keine Evolution in der Werbebotschaft.

Rex Briggs, CEO von Marketing Evolution und Macher der Studie, stellt Advertising Age gegenüber klar, dass das Problem nicht beim ausgefeilten Targeting liege. Es sei vielmehr auf das unausgewogene Verhältnis der Investitionen in Media und Creative zurückzuführen. Die Lösung wäre wieder in die Kreation zu investieren und verschiedene, abwechslungsreiche Ads einzusetzen. Diese sollten aufeinander aufbauen, anstatt sich zu gleichen.

Zusammenfassend ist es also schon richtig, seinen Markenkern konsequent zu vermitteln und dem treu zu bleiben, für was man steht. Allerdings darf das nicht immer wieder bei den gleichen Empfängern in exakt derselben Form geschehen. Dies ist leider häufig der Ist-Zustand im US-amerikanischen Mobile Advertising.

Wie betrachten deutsche Experten diese Entwicklungen?

Der Targeting-Experte Jochen Schlosser, Senior Vice President Data bei Adform, sieht die Schwierigkeit ebenfalls keinesfalls bei der Technologie selbst, sondern beim Verständnis der Marketer:

jochen schlosser_adformWer meint, dass das Targeting die Kontaktklassen aus dem Branding oder die ‚Frequency Caps‘ aus der Performance ersetzt, hat etwas grundsätzlich nicht verstanden. Es geht um die richtige Kombination der Daten und die Steuerung der Kampagnen.

‚Viel hilft viel‘ war in diesem Kontext noch nie richtig und hat mit dem Einsatz von Targeting-Daten nichts zu tun. Dennoch sollte die Kommunikation mit zielgruppengerechten Botschaften und Creatives arbeiten. Das funktioniert, dafür gibt es unzählige Beispiele. Wie so häufig liegt die Wahrheit in der Mitte. Hier geht es um Daten und Kreation, nicht um das eine oder das andere.

Auch im Bereich Attribution sei dieser Trend zu finden. Nur wenn der letzte Klick gewinnt, lohne es sich am Ende immer weitere Kontakte in immer spitzere Zielgruppen auszuspielen.

Branchenurgestein Ulrich Hegge, VP Strategic Market Development DACH bei
AppNexus, ist der Ansicht, dass das „Ende einer Technologie-Welle“ erreicht worden sei.

ulrich hegge_appnexusTargeting ist, wie alle anderen Marketing-Techniken und -Methoden, immer ein Teil der gesamten Konzeption, hinter der wiederum klar definierte Ziele stehen müssen. Allen bewusst ist der Unterschied zwischen Branding- und Performance-Zielen. Durch die besseren Daten und Technologien wird es notwendig, wirklich das gesamte Bild zu erfassen, die Ergebnisse zu bewerten und übergreifend zu optimieren. Wenn ich als Advertiser meine Marke positionieren möchte, ist eine breite Ansprache nach wie vor notwendig – nur vielleicht mit präziseren Creatives ‚on brand‘?

Früher passte entweder die Reichweite nicht, oder die Aussteuerung war zu unpräzise. Jetzt ist die Technologie einen Schritt weiter, und alle Beteiligten lernen, damit umzugehen. Die aktuelle Diskussion zu den Schwierigkeiten zeigt, dass wir zur Problemlösung wieder neue Ansätze brauchen.

Diese bestehe laut Hegge darin, dass das klassische Targeting insbesondere in Programmatic den Schritt „zu einer automatisierten dynamischen Aussteuerung unter Einbeziehung von Real-time Data Streams“ gehen müsse. „Die nächste Lernkurve sowohl bei der Technologie wie bei Konzeption und Kreation steht direkt bevor und wird steil. Diese Bewegung war mit neuen Medien und neuer Technik immer wieder zu beobachten.“

Seht ihr diesen Trend auch in Deutschland? Kann man im Marketing tatsächlich zuviel optimieren?

Quelle: Advertising Age

Kommentare aus der Community

Richter am 26.08.2016 um 07:49 Uhr

Meine Email-Adresse ist mittlerweile in den Listen von rund 20 Marketern und ich stimme dem Artikel-Inhalt voll und ganz zu. Ich gehöre zu den offline-Unternehmerinnen, die sich vor rund 2 Jahren dem online-Marketing hingewendet hat. Einmal einen Kurs gekauft, rollen die immer gleich anmutendenden Werbungen permanent in mein Email-Postfach. Wenn ich zum Tausendsten Mal den Aufreißer im Betreff vorfinde: „Wie man an nur einem Tag 1 Mio im Internet verdient, ohne was zu tun …“, dann nervt das schon sehr. Auch der Follow Up-Prozess ist immer gleich. Ich finde es zutreffend, dass dieser Prozess nun einmal als sich selbst behinderndes System dargestellt wird.
Ich möchte aber ergänzend anfügen, dass ich bei der ganzen Show auch einige Marketer persönlich kennen gelernt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Aber das System „Ads-Optimierung“ geht ganz klar in die beschriebene Richtung.

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