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Buchtipp: Der digitale Tsunami von Nicolas Clasen

Buchtipp: Der digitale Tsunami von Nicolas Clasen

Marc Stahlmann | 10.12.13

Disruptive Technologien: Verlage und TV-Sender am Pranger. Die Digitalisierung zieht an den Medienhäusern vorbei. Das Innovators Dilemma.

Der Autor Nicolas Clasen gibt in seinem 187 seitigen, aus 9 Kapitel bestehendem Buch „Der digitale Tsunami“ über das Innovators Dilemma der traditionellen Medienunternehmen einen umfangreichen Ein- und Ausblick über den Zustand der Medienlandschaft.

Google, Facebook oder Apple als Primus

Es geht um die Veränderungen in der Medienlandschaft. Von den Anfängen beim Privatfernsehen, über die Einführung des Internets bis zur Zukunftsaussicht. Traditionelle Medienunternehmen wie Zeitungs-und Zeitschriftenverlage und die privaten TV-Sender haben große Probleme sich den neuen Gegebenheiten anzupassen und werden, wenn sich nicht einiges ändert, in Zukunft noch größeren Problemen gegenübergestellt sein. Neue Marktteilnehmer wie Google, Facebook, Apple oder Amazon mischen das digitale Geschäft auf und meistern die Monetarisierung von Inhalten im Netz.


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Stichwort: Disruptive Technologien

Um den sich anbahnenden Veränderung und dem Buchtitel, der „digitale Tsunami“ der die Medienlandschaft durcheinander würfelt, näher zu kommen, werden disruptive Technologien erklärt und auf diesen Markt übertragen. Diese werden durch Clayton Christensens Theorie erklärt, die ein Phänomen beschreibt, dass neue Wettbewerber mithilfe disruptiver Technologien bisher erfolgreiche Unternehmen aus ihrem Kerngeschäft drängen. Die bereits etablierten Unternehmen scheitern, weil alle Maßnahmen, die sie unter normalen Umständen zum Erfolg gebracht hätten, beim Auftreten disruptiver Technologien auf einmal kontraproduktiv wirken.

Große Reichweite, kein Ertrag: Online-Journalismus schwer monetarisierbar

Ein gutes Beispiel für die schwere Monetarisierbarkeit von Online-Inhalten wird im Buch beschrieben, nämlich die Anteile am Umsatz von Verlagen ihrer Offline- und Online-Aktivitäten. Erstaunlich ist, dass im Netz bereits hohe Reichweiten aufweisen können, jedoch nur geringe Einnahmen und Anteile am Gesamtumsatz.

Reichweite Printverlage 2012
(Reichweiten von Printverlagen im Vergleich 2012 in Millionen (Quelle: AGOF/agma, 2012, eigene Darstellung)

Dazu dann die passende Grafik, über die Vertriebs- und Werbeerlöse  der Verlage im Vergleich zwischen Off- und Online. Diese Zahlen wurden vom Autor Nicolas Clasen recherchiert und geschätzt, sollten jedoch eine gute Einordnung möglich machen.

Geschätzte Erlöse online vs offline 2012
(Geschätzte Erlöse aus Inhalten (Vertriebs- und Werbeerlöse) im Vergleich Offline vs. Online in Millionen Euro 2012 (Quelle: Spiegel Gruppe Zahlen für 2011, Schätzung von Nicolas Clasen im Buch „Der digitale Tsunami“ auf Basis von Geschäftsberichten und Unternehmensangaben, eigene Darstellung))

Im Buch wird dazu Philipp Weltes, heute Zeitschriftenvorstand des Hubert Burda Verlags, Aussage im Jahr 2010 zitiert. Die Werbemillionen, die alle redaktionellen Webseites derzeit erwirtschafteten, seien „praktisch nichts“. Fast alle journalistischen Angebote im Netz seien in Deutschland „tief defizitär“.

Die Gründe sind vielfältig, von mangelnden Abrechnungsmodellen über mangelhafte Qualität beim Online-Journalismus, über genervte User bis zum Scheitern von bisherigen Paywalls. Die Monetarisierbarkeit bleibt in diesem Bereich ein Problem.

Real Time Advertising als Gamechanger

Das Internetwerbung revolutionieren und auf die nächste Stufe hieven, könnte durch das Real Time Advertising gelingen. Als Beispiel dazu dient Google, die mit ihren Suchmaschinenanzeigen das Data Driven Display Advertising als erstes für sich eingenommen hatten. Google’s Werbeanzeigen wurden und werden anhand der Suchanfrage des Users ausgewählt und konnten so kontextbezogen ausgespielt werden. Abgerechnet wird nur auf Performance-Basis pro Klick. Durch die Einbeziehung der Suchintention des Users baute Google damit die erfolgreichste und wichtigste Umsatzsäule des Konzerns auf. Erst 2005 gibt es erste Alternativen, dass Re-Targeting erhält Einzug. Wenn ein User einen Kauf im Warenkorb abbricht, kann ihn in den nächsten Tagen Werbung von dem Shop, wo er seinen Einkauf abbrach, angezeigt werden. Die disruptive Technologie, das Real Time Advertising, verbindet das Re-Targeting mit einem Bietermarkt. Jede Werbefläche, die einem bestimmten Nutzer angezeigt wird, soll handelbar sein. Die Werbetreibende geben ein Gebot ab, wer das höchste Gebot inne hat, erhält den Zuschlag und dessen Werbeanzeige wird ausgespielt. Real-Time Bidding also.

Brandingbudgets müssen attackiert werden

Brandingkampagnen spielen im Netz bisher nur eine kleine Rolle. Die traditionell großen Brandingbudgets wandern bevorzugt in TV, Print und Aussenwerbung. Im Jahre 2010 wurden einer Brand.net Analyse in Amerika 91 Milliarden US Dollar in Brandingkampagnen investiert, der Onlineanteil dabei betrug lediglich 6%. Daraus wird auch deutlich, dass ein ungeheures Potential in diesen Budgets steckt. Momentan fließen nur ca. 6% der Brandingbudgets ins Netz. Die Chancen stehen gut, dass es Wege wie das Real Time Advertising schaffen, größere Anteile dieser Budgets ins Netz zu locken. Dies kann jedoch nur im Gleichzug mit höherwertiger werdenden Content im Netz geschehen. Die Chance ist da, sie muss nur noch genutzt werden.

Verlage am Pranger

Viele alteingesessenen Verlagshäuser, werden es in der Zukunft laut Clasen sehr schwer haben, wenn sie sich den Marktstrukturen nicht anpassen. Ein großer Fehler dabei ist, dass die Zahlen durch Geschäfte im Netz, die fernab dem Kerngeschäft liegen, beschönigt werden. So werden munter Beteiligungen an Markplätzen, Plattformen, Gamingseiten oder Bewertungsportalen geschlossen um im Netz präsent zu sein und um diese Umsätze dem Digitalbereich zuordnen zu können. Die Umsätze im Internet aus dem Kerngeschäft sind dagegen häufig schwindend gering, wie Clasen herausfand. Clasen empfiehlt den etablierten Medienunternehmen sich dringend auf ihr Kerngeschäft zu besinnen und die neuen Vermarktungstechnologien zu verwenden. Nur wenn die digitalen Anzeigenplätze leistungsbasiert abgerechnet werden und so dem Rückkanal Rechnung tragen, kann ein Transfer der Branding-Budgets auf die Online-Angebote der Verlage gelingen.

Journalismus vor Vertrieb

Clasen zieht am Ende ein durchaus kontroverses Schlusswort. Er macht den Verlagen Mut, dass das Printgeschäft immer funktionieren kann. Im Printgeschäft hätten sie z.Bsp. gegen Medienunternehmen wie TV-Anstalten einen großen Vorteil, das haptische Erlebnis und die hohe Qualität eines Magazins. Redaktionelle Online-Angebote sollten sich ihrer „publizistischen Verantwortung“ stellen und sich das „journalistische Handwerk nicht von Vertriebsorganisationen diktieren lassen“.

Must-Read für die Medienbranche

Der Autor schafft es eine große Anzahl an sich stark unterscheidenden Quellen unter einen Hut zu bekommen und sinnvoll zur Erklärung der jeweiligen Thematik einzusetzen. Der Autor hat teils eine sehr sprunghafte und wechselartige Berichterstattung. Es wird wild von Themengebiet, Lösungsansatz und Idee hin und her gesprungen. Trotzdem schafft es das Buch eine große Fülle an Informationen sinnvoll in einen Zusammenhang zu setzen und zum Teil radikale Folgen und Empfehlungen auszusprechen. Der Leser erfährt viele neue Erkenntnisse, das wissenschaftliche Buch lebt von den gesammelten, geordneten und beeindruckenden Fakten, die den meisten Lesern von vornherein nicht in diesem Maße bekannt gewesen sein dürften.

Ein absolutes Must-Read für alle Mitarbeiter und Entscheider der entsprechenden Branche, vom digitalen Vermarkter bis zum Verlagshaus. Darüber hinaus sollten sich auch die Werbetreibenden, die Advertiser, ein Blick in dieses Buch werfen um auf die neuen Möglichkeiten und eventuell auftretenden Problemstellungen optimal vorbereitet zu sein.

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