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Digitalpolitik
Google und die Politik: Darum darf Trump ein „Idiot“ bleiben
Sundar Pichai sagt vor dem US-Kongress aus, Screenshot YouTube, © House Judiciary Committee Hearings

Google und die Politik: Darum darf Trump ein „Idiot“ bleiben

Niklas Lewanczik | 12.12.18

Googles Sundar Pichai musste sich einer Kongressanhörung stellen. Kritikwürdiges kam mitunter nicht zur Sprache, eine Voreingenommenheit entkräftete der CEO.

Als vielleicht weltmächtigstes Unternehmen muss sich Google auch den politischen Fragen der Öffentlichkeit stellen. Wie ist das Projekt Dragonfly mit der eigenen Firmenpolitik vereinbar? Gibt Google als Arbeitgeber Raum für diskriminierendes Verhalten oder sexuelle Belästigung? Versucht das Unternehmen die Konkurrenz klein zu halten? All diese Themen wurden in fast vier Stunden nur gestreift, im Zentrum stand die Frage, ob Google bei Suchergebnissen eine politische Voreingenommenheit an den Tag legt. Immerhin taucht bei der Suchanfrage nach „Idiot“ Donald Trump auf. Pichai fand dafür aber eine deutliche Erklärung.

Warum taucht Trump als „Idiot“ in der Suche auf?

Das Phänomen, dass bei der Google-Bildersuche bei der Anfrage zu „Idiot“ US-Präsident Donald Trump auftaucht, ist schon seit Monaten bekannt. Die Erklärung dafür ist recht simpel. Posts bei Reddit beispielsweise, die Präsident Trump mit dem Keyword Idiot in Verbindung gebracht hatten, erhielten (womöglich durch Netzaktivisten) tausende Upvotes. So reagierte Googles Algorithmus, indem Trumps Bild bei der Bildersuche zu eben diesem Keyword auftauchte. Da nun zahlreiche Medien darüber berichteten, wurde diese Entwicklung bloß unterstützt.

Ein Stück weit ging es also um sogenanntes Googlebombing, und auch heute bleibt bei der Suche das Ergebnis vorhanden.

Die Suchanfrage zu „Idiot“ bei Google Bilder (mit einem Klick aufs Bild gelangt ihr zur größeren Ansicht), Screenshot Google Bilder

Die Kongressabgeordnete Zoe Lofgren wollte von Googles CEO Sundar Pichai wissen, wie es sein kann, dass der Präsident bei dieser Suchanfrage als Ergebnis präsentiert wird.

https://twitter.com/BettyBowers/status/1072534668883476481

Sie sprach von dem Beispiel im Kontext von politisch manipulierten Suchergebnissen.

So erklärt Google seine Suche

Einer solchen Unterstellung wollte Pichai schnell die Grundlage nehmen.

We provide search today for any time you type in a key word, we as Google, we have crawled and stored copies of billions of web pages in our index. We take the keyword and match it against web pages and rank them based on over 200 signals. Things like relevance, freshness, popularity, how other people are using it, and based on that, at any given time we try to rank and find the best results for that query. Then we evaluate them with external raters, to make sure, and they evaluate it to objective guidelines, and how that’s how we make sure the process is working.

Zusätzlich erklärte er, dass es keine manuellen Interventionen vonseiten Googles bei den Suchergebnissen gebe. Schon bei anderen Fällen des Googlebombing hatte Google diese Änderungen nicht vorgenommen. Denn die Ergebnisse, das erkannte Lofgren an, sind das Produkt von Content-Kombinationen der gesamten Internetgesellschaft, die von Google gecrawlt werden. Deshalb bleibt bei der Suche nach einem Idioten weiterhin Trumps Konterfei bei Google Bilder präsent.

Zudem betonte der CEO Googles, dass im letzten Jahr über drei Billionen Suchanfragen bedient wurden und dass jeden Tag 15 Prozent der Suchanfragen gänzlich neu für Google sind. Trotz der Erklärungen geht Kongressabgeordneter Lamar Smith davon aus, dass in Googles Kultur politische Voreingenommenheit integriert sei. Er betont, dass keine politisch rechtsorientierten Websites auf den ersten Seiten bei den SERPs zu finden seien, dass konservative Aussagen als Hate Speech abgetan würden. Demnach habe Google auch einen starken politischen Einfluss auf die Wähler, da liberale Werte bevorzugt würden.

Da Google in seinen Nutzungsbedingungen und Richtlinien sowohl Hassreden als auch Drohungen, Belästigungen, Gewaltinhalte usw. als nicht zulässig erklärt, werden Websites, die solchen Content enthalten und eventuell politisch stark konservativ orientiert sind – oder womöglich auch extrem linksgerichtet –, nicht top gerankt, wenn überhaupt. Da kann man Google Liberalismus vorwerfen, weil sie ihre eigenen Richtlinien erstellt haben. Dass aber konservativ orientierte Organisationen nicht gut ranken können, ist so nicht richtig. AfD, NPD und Co. sind bei Google genau so schnell zu finden wie Die Linke oder Die Violetten. Sundar Pichai beteuerte selbst:

I lead this company without political bias and work to ensure that our products continue to operate that way. To do otherwise would go against our core principles and our business interests.

Was die Anhörung außerdem behandelte – oder nicht behandelte

Die Kongressanhörung konzentrierte sich auf den politischen Einfluss Googles. Doch im Detail wurde Pichai nicht dazu ausgefragt, wie Google eine etwaige zensierte App-Version der Suche mit den eigenen Grundprinzipien, ja der eigenen Mission vereinbaren kann.

Google präsentiert markenstark seine Mission, Screenshot Google

Während die stundenlange Anhörung keine einschlägigen Beweise liefern konnte, dass Google bestimmte Ideale vor eine ausgewogene Nutzererfahrung stellt, kann Pichais einzige knappe Antwort auf die Frage nach der App für China doch als Einsicht gewertet werden:

One of the things which is important to us as a company, we have a stated mission of providing users with information, and so we always – we think it’s in our duty to explore possibilities. To give users access to information… I have that commitment but as I said earlier on this we’ll be very thoughtful and we will engage widely as we make progress.

Ein Dementi hört sich anders an, eine klare Einschränkung im Kontext der Menschenrechte ebenso. Diese Einstellung überrascht aufgrund des riesigen, techaffinen Marktes China nicht. Sie steht aber gewissermaßen konträr zu Pichais Angabe in seiner schriftlichen Aussage, die den US-patriotischen Gedanken eines Gewebes vieler verschiedener Ursprünge und Perspektiven als Grundlage hat.

We are a company that provides platforms for diverse perspectives and opinions—and we have no shortage of them among our own employees. Some of our Googlers are former servicemen and women who have risked much in defense of our country. Some are civil libertarians who fiercely defend freedom of expression. Some are parents who worry about the role technology plays in our households. Some – like me – are immigrants to this country, profoundly grateful for the freedoms and opportunities it offers. Some of us are many of these things.

Die Aussage zeigt den richtigen Anspruch; auch, wenn dieser erzkonservativen Instanzen nicht gefallen mag. Sie zeigt aber auch, dass der Diskurs um politische Vielfalt ebenso den Diskurs um die Verantwortung von Tech-Unternehmen beherrscht.

Themen, die noch Fragen aufwerfen

Dabei gibt es bezogen auf Google eigentlich noch viele Themen, die von öffentlichem Interesse gewesen wären. Wie konnte es dazu kommen, dass Ex-Entwickler Andy Rubin von Google eine 90 Millionen US-Dollar schwere Abfindung erhalten hat, obwohl er wegen glaubhafter schwerer Vorwürfe der sexuellen Belästigung bei eben jenem Unternehmen ausgebootet worden war? Die dürfte kein Einzelfall gewesen sein, da der Google Walkout gegen sexuelle Belästigung und Diskriminierung knapp 17.000 Menschen auf die Straße brachte.

Was weiß Google dank seiner Apps alles über unsere Standorte? Und wie werden die Daten weiterverarbeitet? Wie groß ist Googles Interesse daran, Technologie für militärische Zwecke bereitzustellen?

Da es noch so viele politisch und für die Öffentlichkeit relevante Themen gibt, sollten die Fragen bei künftigen Anhörungen sich nicht darauf beziehen, warum ein Algorithmus das Keyword „Idiot“ mit Präsident Trump zusammenbringt. Dafür gibt es verschiedene valide Erklärungen. Die Fragen sollten sich eher darum drehen, welche politische Verantwortung Google tragen kann, sollte und ob diese an bestimmte Vorgaben zur Integrität gebunden ist. Sundar Pichais Aussagen verraten aber Eines: trotz der Fehler ist das Unternehmen mehr um Gleichbehandlung und Unvoreingenommenheit bemüht als der Präsident, der in der Diskussion wieder einmal zum Thema wurde.

Die gesamte Anhörung kann bei YouTube nachverfolgt werden.

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