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Wie TikTok gegen LinkedIn: Was du auf dem OMR Festival verpasst hast

Wie TikTok gegen LinkedIn: Was du auf dem OMR Festival verpasst hast

Ralf Scharnhorst | 17.05.23

Du hast den Clash der Influencer-Welt mit der Internet-Werbetechnologie nicht erlebt? Oder du hast deine jährlichen 500 Euro Weiterbildungs-Budget auf dem OMR Festival verballert und weißt noch immer nicht, was du deinem Chef berichten sollst? Gastautor Ralf Scharnhorst hilft, wo auch ChatGPT nicht weiter weiß.

Für jede:n Besucher:in hat das OMR Festival ein anderes Gesicht: Messe, Konferenz, Jobmesse, Promi-Gathering, Musik-Festival. Das wäre die Chance gewesen: die neue und die alte Marketing-Welt an einem Platz. Neue, 20-jährige Influencer strömten auf das Festival und die Medienprofis mit über 20 Jahren Erfahrung sind noch nicht ganz weg aus den OMR-Ursprüngen. Aber sie stehen einfach zu weit voneinander entfernt: Die einen scharen sich um Promis auf der Bühne, die anderen müssen ihren Messestand bewachen.

Es ist wie TikTok gegen LinkedIn. Die LinkedIn Community findet es absurd, weshalb Marken Geld dafür bezahlen, damit Halbprofis irgendetwas mit ihren Produkten anstellen, das sie nicht unter Kontrolle haben. Die Generation TikTok findet es absurd, dass Menschen auf Websites von Gruner + Jahr auf Werbebanner klicken sollen. Dabei erfüllen die Halbprofis eine wichtige Funktion: Sie stehen genau in der Mitte zwischen der idealisierten Welt einer Marke und der Realität der Konsument:innen. Und die Bannereinnahmen bleiben wichtig beim Erhalt einer Medienvielfalt, die wir in einer Demokratie brauchen.

An der Kommunikation mangelt es noch

Was beide Gruppen größtenteils verpassen: miteinander zu reden. Es gibt einfach zu wenige, die in beiden Welten zuhause sind. Menschen, die Tabellen pflegen und sich über Zahlen, Effizienz und Werbeausgaben Gedanken machen, werden von der Bühne herab verunglimpft, sogar von der Mozilla CMO. Wohltuende Ausnahme: Rezo – bekannt als YouTuber, aber er hat Informatik studiert und engagiert sich nun für Ehrlichkeit, Transparenz und Messbarkeit im Influencer Marketing. Vielleicht kann er zukünftig eine Brücke schlagen?

Auf LinkedIn ist der größte Aufreger ein Parfüm-Influencer, der sich auf der Bühne daneben benimmt. Auf TikTok dagegen trenden zum OMR Festival die #jindaouis, deren Kleinkind beim Interview auf die Bühne rennt. Worum es eigentlich geht: eine hoffentlich-zukünftige Profi-Fussballer-Famile youtubt fleissig, kann ihren Erfolg aber auch nicht begründen. Extrem sympathisch rüberkommen als Erfolgsrezept für TikTok, das Gegenteil für LinkedIn?

Nein, was wir aus beiden lernen können ist, dass wir hier nichts lernen können. Der Erfolg der meisten Irgendwie-Prominenten auf den OMR-Bühnen ist Zufall. Oder besser gesagt, das Ergebnis eines riesigen darwinistischen Experiments: Millionen Menschen youtuben, instagrammen oder tiktoken irgendetwas, ganz wenige werden berühmt. Manche verdienen etwas über die Plattform, andere durch undurchsichtige Werbeeinnahmen. Es gibt kein Muster, wer erfolgreich wird – es ist „error and retry“: Wirf möglichst viel Dreck an die Wand und warte ab, was hängen bleibt.

Und das ist eine passende Überleitung zur Messe.

Das große Austeller:innenrätsel erklärt: Warum waren die da?

Kaufland und Obi

Retail Media ist der aktuelle Hype in der Web-Vermarktung. Läden, die ihre zweitgrößte Einkommensquelle in der Vermietung ihrer Regale und Werbeflächen im Markt haben, müssen dies ins Digitale retten. Für welche Unternehmen es sich gelohnt hat, das alleine aufzubauen, wissen wir in fünf Jahren. Aggregatoren wie Criteo oder Retailmedia Tools stehen schon bereit, es als externe Dienstleister:innen zu übernehmen.

Die Sparkasse und der Pharma-Konzern Sanofi

Sie suchen mit ihren Messeständen Mitarbeiter:innen, für sie sind die OMR eine Jobmesse, auf die auch die gehen, die nicht dringend einen Job suchen und eine Möglichkeit, sich irgendwie trendig zu präsentieren. Ob die Strategie aufgegangen ist, werden wir daran sehen, ob sie nächstes Jahr wieder einen Messestand haben.

Estland

Das innovative EU-Mitglied bietet „E-Residency“ an. Unkomplizierter als anderswo und rein digital ist dort schnell ein Unternehmen gegründet. Ein Land auf der Suche nach Startups.

Und dann waren da noch die üblichen, unzähligen kleinen Software-Dienstleister:innen, deren Messestände teilweise nicht einmal mit dem eigenen Personal besetzt waren – und ein Autokonzern. Aber sicher am Absurdesten: ein Zigaretten-Konzern, der hier seine Zielgruppe für das neue Rauchen treffen möchte.

Was darf auf keiner OMR-Konferenz-Bühne fehlen? Fitness Influencer – das beste Beispiel für Erfolge, die du garantiert nicht nachmachen kannst. Diesmal: Pamela Reif – wer wird schon ihrem Barbie nicht allzu fernen Aussehen auch nur nahe kommen? Immerhin diese spannenden Punkte gab sie auf der Bühne preis:

  1. Ohne Fleiß hätte sie es in Deutschland nicht geschafft
  2. In ihre App hat sie inzwischen über eine Million gekostet, aber sie hat damit den direkten Kontakt zu ihren Konsument:innen und ist weniger abhängig von den großen Plattformen
  3. In China ist sie nicht freiwillig aktiv – sondern User haben einfach ihre Videos in die dortigen Netzwerke hochgeladen und sie hat reagiert.

Und dann war da noch Fernsehphilosoph Richard David Precht:

Die größten Glückserlebnisse hat man, wenn man sein Hirn in Sicherheit gebracht hat.

Das ist noch lustig, steigert sich aber zur Selbstdisqualifikation beim eigentlichen Thema: Die künstliche Intelligenz sei keine Bedrohung für unser Leben, denn sie hätte keinen Körper. Da hat jemand die „Kampfhunde“ von Boston Dynamics noch nicht gesehen – und auch keine Ahnung, wie stark die Dominanz der Software in der meisten Hardware inzwischen ist – zum Beispiel in Autos.

Was ging auf dem OMR Festival unter?

Initiativen, Werbung vereinbar zu machen mit den Datenschutzwünschen der Konsument:innen und auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Die Vorträge von Mozilla und UTIQ, einer gemeinsamen Dateninitiative der europäischen Telkos, blieben dafür zu unkonkret.

Nachdem all diese Nebensächlichkeiten jetzt geklärt sind, kommen wir zu der wirklich interessanten Frage des Mai 2023: Wer beantwortet nächstes Jahr deine E-Mails? Bard in Gmail oder eine Lösung wie ChatGPT in Microsoft Outlook? Verstehe „beantwortet“ bitte doppelt: Denk nicht nur „Großartig, dann muss ich die ganzen Antworten nicht mehr selber schreiben, sondern bekomme einen Vorschlag, den ich nur noch abschicken muss“, sondern überlege dir schon mal, wie du mit den ganzen künstlich-intelligenten Antworten auf deine Mails umgehst.

Wer mehr dazu wissen will, findet die Google-Hauskonferenz I/O, die gleichzeitig zum zweiten OMR Festival-Tag stattfand, auch auf YouTube.

Und nun zum OMR Festival 2024: Hoffen wir, dass die Veranstaltung nicht einfach hochgejazzt wird, um sie möglichst schnell und teuer an Axel Springer zu verkaufen, sondern dass nach und nach mehr Kuratierung stattfinden wird. Vielleicht ja sogar mit einer extra kleinen Bühne für nachhaltige Unternehmen und Marketing-Strategien – jedenfalls mehr, von dem die Besucher:innen etwas Konkretes für ihre Arbeit lernen können. Das OMR Festival hat weiterhin großartiges Potential.


Die Angaben in diesem Beitrag spiegeln die Einordnung des Gastautors wider, nicht die der OnlineMarketing.de-Redaktion.

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